Dauerlutscher mit Keuschheitsgürtel

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Es tun sich so einige Tücken auf, wenn man wie Melli auf schüchterne Jungs steht. Sie leidet darunter wie jemand, der in großer Vorfreude auf ein süßes Bonbon das Papier nicht abbekommt. Und was macht man in einem solchen Fall? Na klar, man nimmt sich ein anderes.

Melli hat es nicht leicht. Das liegt freilich nur an ihrem Männergeschmack. Und dabei könnte alles so einfach sein. Sie müsste sich nur einmal an einen wilden Casanova ranschmeißen, der ihr schon nackt die Tür aufmacht, damit man sich das lästige Drumherum sparen kann. Aber nein. Melli steht auf die schüchternen Jungs. Niemand hat gesagt, dass das ein Zuckerschlecken ist. Schon gar kein schnelles. Es ist eher wie ein Bonbon, bei dem das Papier nicht abgeht. Man will es, aber man bekommt es einfach nicht ausgezogen.

So ist auch Alex, den sie jetzt schon seit Wochen bearbeitet ohne weiterzukommen. Ein Dauerlutscher mit Keuschheitsgürtel sozusagen. Als wir ihn kennenlernten, stand er in einer Disco an der Bar und starrte uns an. Total nervig, fand ich. Total süß, fand Melli. Sie sprach ihn an, gab ihm ihre Nummer. Natürlich hat er nicht angerufen. Viel zu schüchtern. Aber ein paar Tage später liefen sich die beiden zufällig in der Fußgängerzone über den Weg. Sie gingen Kaffee trinken. Er bekam kein Wort raus. Immer noch total süß, fand Melli. Wenig später gingen sie ins Kino. Danach war er der einzige, der wirklich was vom Film mitbekommen hatte. Ein bisschen süß sei er trotzdem noch, versicherte mir Melli.

Für das dritte Date lud sie ihn schließlich zu sich nach Hause ein. Sie kochte scharf, um ihn endlich ein wenig in Wallung zu bringen, schaute ihm immer wieder tief in die Augen – und auch ein bisschen tief ins Glas. Ein Dauerlutscher zum Nachtisch, das war jetzt ganz nach ihrem Geschmack. Sie strich ihm über die Hand, übers Knie, rutschte beim Kaffee näher an ihn ran. Alex fing an zu schwitzen. Melli nahm es als gutes Zeichen und machte weiter. Alex saß da wie versteinert – nur nasser, vom Schweiß. Melli hatte genug. Süßes Bonbon hin oder her, das Einpackpapierchen überstrapazierte sogar ihre Geduld. Verklebt okay, aber verklemmt? Nein danke. Alex flog raus. Und Melli rief einen alten Bekannten an und lud ihn zu sich nach Hause ein. Und um sich das lästige Drumherum zu ersparen, machte sie die Wohnungstür einfach gleich nackt auf.

Von Lisi Wasmer