Bildung am Bügelbrett

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Habt auch ihr als Kind Geschirrtücher gebügelt? Doch warum bügeln, wenn das Tuch sowieso knittert, sobald man es benutzt? Über Sinn und Unsinn gewisser häuslicher Pflichtarbeiten – für ein Leben danach.

Als Kind bügelt man Geschirrtücher. Ich würde mich nicht trauen, zu behaupten, dass alle Kinder das tun, dazu fehlen noch Statistiken. Aber eine erste Umfrage am heutigen Abend zeigt, dass 100 Prozent der anwesenden Personen – also: Max, Stefan und ich – in unserer Kindheit die Geschirrtücher gebügelt haben. Es ist schon seltsam, dass wir von all den Fertigkeiten, die sich beim Auszug wirklich als nützlich erwiesen hätten (Abfluss reinigen oder Backofen säubern, zum Beispiel), gerade die sinnloseste aller Tätigkeiten im Haushalt geübt haben. Denn auch wenn Mütter da anderer Meinung sind: Es gibt keinen guten Grund, Tücher mühevoll zu glätten, die genau in dem Moment knittern, wenn man sie ihrem eigentlichen Zweck zuführt – und vorher nicht zu sehen sind, weil sie im Schrank rumliegen.

Stefan äußert die Vermutung, dass Mütter ihre Kinder eben deshalb Geschirrtücher bügeln lassen, weil man dabei nicht so viel falsch machen kann. Ohne ins Detail zu gehen: Ein Fünfjähriger kann mit einem 200 Grad heißen Elektrogerät so einiges falsch machen. Deswegen muss Mama noch irgendein anderes Ziel verfolgt haben, als sie uns damals das Bügelbrett einen halben Meter heruntergeschraubt hat. Mütter geben ihrem Nachwuchs doch nicht grundlos eine Aufgabe, die sowohl gefährlich als auch völlig sinnlos ist. Widerspräche das nicht dem Auftrag, die Brut auf ein späteres Leben in Mama-freier Wildbahn vorzubereiten?

Wenn man jedoch genauer darüber nachdenkt, erschließt sich plötzlich ein ausgeklügelter Plan hinter der frühkindlichen Bügelerziehung. Denn wer früh lernt, dass von jeder Anstrengung im Haushalt in oft erstaunlich kurzer Zeit keine Spur mehr bleibt – also Fenster schneller verdrecken als man sie putzen kann und eben Gebügeltes knittert, sobald man es benutzt –, entwickelt Gelassenheit. Und Gelassenheit ist genau das, was man am dringendsten braucht, wenn man sich nach dem Auszug plötzlich in einer Wohnung wiederfindet, wo sich nichts von allein aufräumt, putzt oder repariert. Da wir, unseren Müttern sei Dank, wissen, dass Geschirrtücher knittern, ob sie nun gebügelt wurden oder nicht, lassen sich auch viele andere lästige Aufgaben im Haushalt mit gutem Gewissen ignorieren. Womit Mama ja ihr Ziel erreicht hat. Oder?

Von Susanne Krause