Für das Video zu ihrem Song
„Bad Blood“ liefen die fünf Jungs mit dem Selfie-Stick durch München und drehten so einen der abgefahrendsten Low-Budget-Musikclips seit langem. May The Tempest verbinden
energiegeladenen Metalcore/Post-Hardcore
mit erfrischendem Idealismus.
Selfie-Sticks haben in der vergangenen Zeit viel Spott erfahren. Also weniger diese Foto-Handy-Ruten an sich, als ihre Anwender, die – gebannt in völliger Stock-Aufmerksamkeit – die Umgebung nur noch durch das Medium wahrnehmen und bisweilen deswegen auch gar nicht ungefährliche Unfälle verursachen. Doch Selfie-Sticks produzieren auch immer eine selbstinszenierte Privatwelt für die Öffentlichkeit, die den Voyeurismus aus den Facebook-Freunden herauskitzelt. Die Münchner Hardcore-Band May the Tempest nutzt also eine eigentlich furchtbar einfache Idee, wenn sie in ihrem Videoclip zum Song „Bad Blood“ als aneinandergereihte Plansequenzen eines Spaziergang durch tristere Betonecken Münchens zeigen, per Selfie-Stick gefilmt.
Und dennoch ist das eine der besten Musikvideoclip-Ideen seit langem. Vor allem in Verbindung mit dieser Musik. Die ist brutal, aufs erste Hören. Harte Gitarren, harter Bass und ein irre schnelles Schlagzeug. Dazu brüllt und bellt Sänger Philipp Peters, während seine Bandkollegen das Geknüppel ab und an mit chorknaben-reinen Backgroundgesängen süßen. Und während die Musik da so bollert, läuft die Truppe durch München, trinkt Bier, Sänger Philipp hält und justiert den Selfie-Stick, brüllt währenddessen in die Kamera. Seine Bandkollegen grinsen, er selbst auch, wenn er gerade nicht brüllt, man sieht den Jungmänner-Spaß der Aktion, man sieht auch den Stolz auf diese Idee, man sieht die Freude an der Musik. Und näher kann ein zuvor unbeteiligter Zuschauer dieser Musik nicht gebracht werden, nicht auf derart natürlich-einnehmende Weise.
May the Tempest gibt es seit zwei Jahren. Und mittlerweile sind sie ein wenig zum Mittelpunkt einer Szene geworden, die sich aus dieser bollernden Mischung aus Emo, Metal und Hardcore in München seit einigen Jahren bildet. Abseits von sämtlichen Popkultur-Spots der Stadt, abseits von dem ganzen Förderungs-, Image- und Erfolgsgeschrei, das seit einigen Wochen durch Münchens Szene hallt. May the Tempest ist das völlig egal. Dass die Musik erfolgreich werden wird, finanziell gesehen, da machen sie sich keine Illusionen. Dass Musik aber etwas bei Menschen freisetzen kann, Energie, Selbstbestimmtheit und solche Dinge, das wissen sie gut.
So sind sie eigentlich auch auf eine ganz unverkrampfte Art idealistisch: Philipp etwa veranstaltet unter dem Namen „Greisliger Uhu“ selbst Konzerte im Feierwerk für Bands aus dem Umfeld. Ziel der Band sei es, wenn man denn genug Geld hätte, ein „wundervolles Album“ aufzunehmen, der Erfolgswunsch ist erfrischend sekundär. Zwei wundervolle EPs hat das Quintett in den eineinhalb Jahren, die sie bereits zusammenspielen, schon veröffentlicht, „Siren“ und aktuell „Bitter Taste“. Kostenlos gibt es die auf der Webseite der Band. Klar, Idealismus eben.
Stil: Post-Hardcore / Metal
Besetzung: Philipp Peters (Shouts, Gesang), Lukas Schneidt (Bass), Jonas Herzog (cleaner Gesang, Gitarre), Andi Janke (Gitarre), Patrick Funke (Drums)
Aus: München
Seit: 2015
Internet: www.maythetempest.de
Von: Rita Argauer
Fotos: Chris Wesser