Band der Woche: Jarck Boy

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Eine hybride Mischung aus Reggae und Techno präsentiert Jarck Boy. Er bricht aus dem üblichen Vierviertel-Takt aus und mischt westlichen Hip Hop mit den Percussion-Klängen seiner Heimat Afrika.

Man braucht sich da überhaupt nichts vormachen – die moderne Popmusik hat ihre Wurzeln in Afrika. Denn ohne die afrikanische Musik, die die Sklaven mit ihrem schlimmen Schicksal nach Nordamerika brachten, hätte die Popmusik vermutlich die klassischen Harmonien, die in Europa seit dem Ende der Gregorianik zum Standard gehörten – nicht aber den Groove und nicht den Blues, der die klassischen Dreiklänge ins Übermaß dehnt oder in die Verminderung zwingt und die Musik mit Spannung anfüllt. Und nur völlig zu Recht rutscht nun die zeitgenössische afrikanische Popmusik immer mehr in den Fokus. Vor einigen Jahren schon beim Weltpop-Autoscooter-Bastard „Schlachthofbronx“, in einer angenehm berührungsangstfreien Mix-Variante.

Auf dem Münchner Label „Out Here Records“ veröffentlicht hingegen ein engagierter ehemaliger Ethnologie-Student die Musik des südlichen Kontinents, die er dort in den Städten im Underground hört – es ist Musik, die zum Teil anarchisch westlichen Hip-Hop mit afrikanischen Percussion-Klängen vermischt, die Eurodance-Synthies ins junglebeathafte zerhackt – schlicht Musik, die die Vierviertel-Takt-Ordnung westlicher Gehirne stört und die Ohren erfrischt. Neben immer größeren Partys in München, auf denen diese Musik gespielt wird, gibt es mit Jarck Boy auch einen Musiker, der das hier vor Ort mit einem ungewöhnlichen Spirit produziert.

Jarck Boy heißt eigentlich Lamin Mane, er wurde im Senegal geboren, wuchs in Gambia auf und lebt seit nunmehr sieben Jahren in München. Er habe etwas Neues kennenlernen wollen, habe reisen wollen, erklärt der 25-Jährige. In München blieb er, arbeitet bei der Bahn und produziert nebenbei Musik. Und die klingt, wie man es eben hier noch selten hört. Da werden blitzlichtartig Reggae, Reggaeton, Dancehall – also die Musikstile, die man noch eher mit Afrika assoziiert – mit Techno, Hip-Hop und Eurodance-Aspekten zusammengeworfen. Die Musik ist ein Hybrid, eine Mischung, die stolz auf ihre einzelnen Teile ist, diese kantig ausstellt und nicht als feine Emulsion präsentiert. Dennoch klingt das nicht zusammengestückelt, die Musik von Jarck Boy läuft rund. 

Und er wird durchaus politisch, wirbt für Liebe, Respekt, Toleranz, die alten Themen, die aber an Aktualität leider immer noch nichts eingebüßt haben. Ganz im Gegenteil: Das zeigt Lamin im Song „Wellcome“, der erst einmal mit einem heftigen Tabu beginnt: Man sieht ein Flüchtlingsboot ankommen, hört die etwas dramatisch-kontrollierte Nachrichtensprecherstimme eines englischsprachigen Senders, im Hintergrund erklingt bereits die Musik. „Welcome“, singt Lamin, oder vielleicht auch „Wellcome“ – zurückgeführt auf die Wortbedeutung, die ein gutes Ankommen wünscht. Dann heißt es noch „It’s a chance for a finally reunion“, bevor die Computer-Steeldrum im Wirbel losknallt und der Song beginnt, als groovender Kopfnicker samt Sirenensynthies und Downbeats, irgendwo zwischen Asian Dub Foundation und M.I.A.

Ja, Lamin lässt die Leute tanzen zur Ankunft der Geflüchteten, deren Weg er vom Mittelmeer über den Wiener Westbahnhof bis nach München im Video nachzeichnet. „No matter where you come from“, singt er, der für das Video Nachrichtenbilder vermischt, die in der Berichterstattung immer mit subtilem Drama und Besorgnis aufgeladen werden – Lamin aber singt „Welcome, welcome, welcome“.

Selten hatte Pop einen so ungekünstelten politischen Einschlag. Und angesichts dessen wirkt auch die Phrase, mit der Lamin sein Leben beschreibt, nicht pathetisch: „Never give up“, sagt er. Und das glaubt man ihm. Und wartet auf das neue Album, das er noch vor 2018 veröffentlichen möchte. 

Stil: Reggae, Dancehall, Afro-Mix
Besetzung: Lamin Mane alias Jarck Boy (Gesang, Songwriting)
Studio-Team: Da Hood Boyz
Aus: München
Seit: 2009
Internet: Facebook

Von: Rita Argauer

Foto: oh