Band der Woche: Gaddafi Gals

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Die Gaddafi Gals lassen sich schwer in ein Genre stecken. Es ist eine Mischung aus R’n’B, Cloud Rap und ein wenig Pop.  Ihnen ist vor allem wichtig, Konzepte zu erstellen – was eher selten in Deutschland ist – weswegen sie viel Aufmerksamkeit bekommen.

Lange galt bei zeitgenössischer Pop-Musik eine unausgesprochene Abmachung: Je fetter, desto besser. Alles, was stürmt und drängt, war in dem Aufbegehren, das Pop-Musik für Jugendliche immer noch erfüllt, willkommen. Früher waren das die verzerrten Gitarren, von Mitte der Neunzigerjahre an wurden die von fetten Beats abgelöst. „Wir brauchen Bass, Bass, wir brauchen Bass“, die Punchline von Das Bo in „Türlich, türlich“ läutete im Jahr 2000 das neue Jahrzehnt mit gleichbleibendem Anspruch ein: Fette, breite Musik, in der sich die Musiker als vor Selbstbewusstsein strotzende Platzhirsche stilisierten.

Doch spätestens seit der Cloud Rap vor ein paar Jahren zu mehr als einer bloßen Nische der besonders drogenverliebten Musikhörer wurde, hat sich das geändert. Diese Schlafzimmer-Laptop-Produktionen klingen zierlich, auch wenn sich die darauf wahlweise rappenden oder sich an nur zu erahnenden Melodielinien entlanghangelnden Akteure weiterhin für den Nabel der Welt halten. Die Attitüde dabei ist eine andere: Rebellion heißt heute, auf Fragilität setzen. Und damit rebelliert man bestens gegen Trump und all die anderen in ihrer selbst diagnostizierten Mächtigkeit mächtig albernen, alten Männer.

Schon seit einigen Jahren arbeiten sich die gebürtigen Münchner Musikerinnen Ebow (rechts im Bild) und Nalan (links) daran ab. Man kennt sie entweder als Rapperin (Ebow) oder als Sängerin (Nalan), zusammen sind sie unter den Pseudonymen blaqtea und slimgirl fat die Gaddafi Gals. Da steckt der gestürzte alte Machthaber schon im Namen und die Single, die sie nun aus ihrer Debüt-EP veröffentlicht haben, schreibt das fort: „The Death of Papi“ setzt sich aus einem minimalen und vor allem klanglich hellen und beckenlastigen Beat zusammen, dem jeglicher Prollo-Punch abgeht. Dazu kommen eine simple Orgel und Horrorfilm-flirrende Synthies. Wer dieser Papi genau ist, dessen Tod da zum Thema wird und der im dazugehörigen Video äußerst modebewusst verscharrt wird, bleibt offen. Die Stimmen der beiden schwingen zwischen Rap und angesungenen Melodien darüber, vereinzeln sich und wagen sich natürlich weder zu konkreter Rap-Kaskade noch zu inbrünstigem R’n’B-Gesang. Wer den Gaddafi Gals begegnet, muss sich mit einer Ahnung dieser darunter liegenden Genres zufrieden geben, die Andeutung ist hier Auszeichnung genug.

Zusammen mit walter p99 arke$tra (auf dem Bild in der Mitte), der irgendetwas zwischen ominöser Eminenz im Hintergrund und Produzent ist, streben die Gals dabei nach der Weltherrschaft oder mindestens nach einem eigenen Parfum, das sie bei Erfolg dieses Projekts „GG“ nennen würden. Dahingehend hat sich an alter und neuer Pop-Attitüde also nicht viel verändert. In der Realität bedeutet dieses Projekt aber in erster Linie „häufige, wirre Emails und Nachrichten zur Organisation“, denn eine Pop-Karriere will geplant sein. Auch weil das „Konzepten“ in solch einem Projekt mindestens genauso wichtig ist wie das Komponieren und Texten. Denn nur durch die Verortung im richtigen Style kann der musikalischen Fragilität die nötige Kraft als ernstzunehmende neue Pop-Position verliehen werden. Da solche Konzepte aber in Deutschland und insbesondere in München immer noch sehr selten zur Musik hinzugedacht werden, ist die Aufmerksamkeit, die die Gaddafi Gals schon jetzt bekommen, groß. Der Musikexpress zählt sie zu den besten Newcomern 2018, das Hip-Hop-Genre-Mag „Juice“ beschreibt sie als die Zukunft. Und sie selbst arbeiten an ihrem Debüt-Album „Temple“.

Stil: Neo-Cloud R’nB Rap
Besetzung: Ebow, Nalan (Gesang, Songwriting)
Aus: München
Seit: 2015
Internet: www.facebook.com/gaddafigals


Text: Rita Argauer

Foto: Sophie Wanninger