Tabitha und ihre Katze Kassiopeia

Von Freitag bis Freitag München: Unterwegs mit Tabitha

Für unsere Autorin Tabitha beginnt ein neues Semester an der Akademie der Bildenden Künste. Gleichzeitig heißt es Abschied nehmen, denn viele ihrer Freunde verlassen München gerade. Auf andere Gedanken kommt Tabitha am besten bei Kunst, deshalb zieht sie in dieser Woche von einer Ausstellung zur nächsten.

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Im Rausch

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Wir porträtieren an dieser Stelle bis zur Vernissage alle 20
mitwirkenden KünstlerInnen unserer Ausstellung
“10 im Quadrat Reloaded”
 im Farbenladen – mal Fotograf, mal
Modell. Heute: Schauspieler und DJ Leon Haller.

Leon Haller, geboren 1996, gefällt
das Theaterumfeld gut: „Da ist Raum für alle Typen und ich kann sein, wie ich
bin. Im Idealfall kannst du dich vor den anderen nicht verstecken. Man muss
ehrlich zueinander sein.“ Genauso viel Spaß macht es ihm, sich im Theaterstück
„Die Räuber“ gemeinsam mit seinen Kollegen in der Räuberbande in einen
Spielrausch zu begeben. Das Stück gefällt dem jungen Schauspieler gut, da es
eine geballte, konzentrierte Kraft ist. Auch wenn Leon an der Theaterakademie
August Everding im März in sein viertes Jahr kommt, spielt er bereits am
Münchner Residenztheater, und auch am Burgtheater in Wien. Beispielsweise eine
Hauptrolle im Stück „Lass dich heimfahren, Vater oder den Tod ins Herz schreiben“.
Als Ausgleich zu den Proben wird Leon zuhause zum DJ. „Ich lenke mich ab und
komme in einen anderen Zustand“, sagt er, „Das ist mein Yoga.“ Am Anfang war es
für ihn nur ein Hobby und auch wenn er nach wie vor am liebsten zuhause und nur
für sich selbst auflegt, steht er mittlerweile regelmäßig in Clubs wie der
Roten Sonne und dem Harry Klein an den Turntables. Schauspielern und DJ-Sein,
beides schafft es für Leon „mit vorhandenen Mitteln Leute mitzunehmen und sie
in einen Rausch zu versetzen.“

Für den Schauspieler war es nicht schwer, sich vor die
Kamera zu stellen, denn er musste nicht in Rollen schlüpfen und hat den Fotografen
vertraut. „Jeder Fotograf hat ein eigenes Feld, das er erforscht, und ich habe
einfach versucht, dabei mitzuwirken.“ Das Shooting mit Alina Oswald hat ihm am
besten gefallen: „Wir haben uns einfach sehr gut verstanden, sie hat eine tolle
Präsenz und man fühlt sich schnell wohl bei ihr, ohne bequem zu werden.“

Text: Lena Schnelle

Foto: Lara Freiburger

Band der Woche: Gaddafi Gals

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Die Gaddafi Gals lassen sich schwer in ein Genre stecken. Es ist eine Mischung aus R’n’B, Cloud Rap und ein wenig Pop.  Ihnen ist vor allem wichtig, Konzepte zu erstellen – was eher selten in Deutschland ist – weswegen sie viel Aufmerksamkeit bekommen.

Lange galt bei zeitgenössischer Pop-Musik eine unausgesprochene Abmachung: Je fetter, desto besser. Alles, was stürmt und drängt, war in dem Aufbegehren, das Pop-Musik für Jugendliche immer noch erfüllt, willkommen. Früher waren das die verzerrten Gitarren, von Mitte der Neunzigerjahre an wurden die von fetten Beats abgelöst. „Wir brauchen Bass, Bass, wir brauchen Bass“, die Punchline von Das Bo in „Türlich, türlich“ läutete im Jahr 2000 das neue Jahrzehnt mit gleichbleibendem Anspruch ein: Fette, breite Musik, in der sich die Musiker als vor Selbstbewusstsein strotzende Platzhirsche stilisierten.

Doch spätestens seit der Cloud Rap vor ein paar Jahren zu mehr als einer bloßen Nische der besonders drogenverliebten Musikhörer wurde, hat sich das geändert. Diese Schlafzimmer-Laptop-Produktionen klingen zierlich, auch wenn sich die darauf wahlweise rappenden oder sich an nur zu erahnenden Melodielinien entlanghangelnden Akteure weiterhin für den Nabel der Welt halten. Die Attitüde dabei ist eine andere: Rebellion heißt heute, auf Fragilität setzen. Und damit rebelliert man bestens gegen Trump und all die anderen in ihrer selbst diagnostizierten Mächtigkeit mächtig albernen, alten Männer.

Schon seit einigen Jahren arbeiten sich die gebürtigen Münchner Musikerinnen Ebow (rechts im Bild) und Nalan (links) daran ab. Man kennt sie entweder als Rapperin (Ebow) oder als Sängerin (Nalan), zusammen sind sie unter den Pseudonymen blaqtea und slimgirl fat die Gaddafi Gals. Da steckt der gestürzte alte Machthaber schon im Namen und die Single, die sie nun aus ihrer Debüt-EP veröffentlicht haben, schreibt das fort: „The Death of Papi“ setzt sich aus einem minimalen und vor allem klanglich hellen und beckenlastigen Beat zusammen, dem jeglicher Prollo-Punch abgeht. Dazu kommen eine simple Orgel und Horrorfilm-flirrende Synthies. Wer dieser Papi genau ist, dessen Tod da zum Thema wird und der im dazugehörigen Video äußerst modebewusst verscharrt wird, bleibt offen. Die Stimmen der beiden schwingen zwischen Rap und angesungenen Melodien darüber, vereinzeln sich und wagen sich natürlich weder zu konkreter Rap-Kaskade noch zu inbrünstigem R’n’B-Gesang. Wer den Gaddafi Gals begegnet, muss sich mit einer Ahnung dieser darunter liegenden Genres zufrieden geben, die Andeutung ist hier Auszeichnung genug.

Zusammen mit walter p99 arke$tra (auf dem Bild in der Mitte), der irgendetwas zwischen ominöser Eminenz im Hintergrund und Produzent ist, streben die Gals dabei nach der Weltherrschaft oder mindestens nach einem eigenen Parfum, das sie bei Erfolg dieses Projekts „GG“ nennen würden. Dahingehend hat sich an alter und neuer Pop-Attitüde also nicht viel verändert. In der Realität bedeutet dieses Projekt aber in erster Linie „häufige, wirre Emails und Nachrichten zur Organisation“, denn eine Pop-Karriere will geplant sein. Auch weil das „Konzepten“ in solch einem Projekt mindestens genauso wichtig ist wie das Komponieren und Texten. Denn nur durch die Verortung im richtigen Style kann der musikalischen Fragilität die nötige Kraft als ernstzunehmende neue Pop-Position verliehen werden. Da solche Konzepte aber in Deutschland und insbesondere in München immer noch sehr selten zur Musik hinzugedacht werden, ist die Aufmerksamkeit, die die Gaddafi Gals schon jetzt bekommen, groß. Der Musikexpress zählt sie zu den besten Newcomern 2018, das Hip-Hop-Genre-Mag „Juice“ beschreibt sie als die Zukunft. Und sie selbst arbeiten an ihrem Debüt-Album „Temple“.

Stil: Neo-Cloud R’nB Rap
Besetzung: Ebow, Nalan (Gesang, Songwriting)
Aus: München
Seit: 2015
Internet: www.facebook.com/gaddafigals


Text: Rita Argauer

Foto: Sophie Wanninger

Neuland: “Das Bilderbuch der Elizaveta Porodina”

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In der 
wunderschönen Stadt Wien gilt es aktuell die bisher größte Einzelausstellung der Münchner Fotografin Elizaveta Porodina zu besuchen. Dass die Werke zur Hälfte der fruchtbaren Kollaboration mit der Band Bilderbuch entstammen, scheint da fast nur ein Schmankerl am Rande.

„Das Bilderbuch der Elizaveta Porodina“ lautet der Titel der bisher größten Einzelausstellung der Münchner Fotografin Elizaveta Porodina. Insgesamt 55 Fotografien werden noch bis zum 16. Dezember in der Wiener Galerie OstLicht zu sehen sein. Eine Hälfte der Ausstellung ist ganz explizit Elizavetas Zusammenarbeit mit der österreichischen Band Bilderbuch gewidmet – seit zwei Jahren eine „kreative Kollaboration auf Augenhöhe“. Schließlich fotografiert sie regelmäßig für bekannte Modemagazine und -firmen, erreichte 2012 gar den zweiten Platz bei den „World Photography Awards“. Die Fotografin und die Band – beide teilen sie die Philosophie, ihre Kunst ganz dem Prinzip Pop entsprechend als „Allround-Experience“ zu verwirklichen; über den einen visuellen beziehungsweise audiovisuellen Eindruck hinaus muss sie als eine Geschichte insgesamt funktionieren. Den vielen Bildern und zwei gemeinsamen Videoproduktionen zu „Bungalow“ und „Baba“ merkt man den Anspruch an.

Bei Bilderbuch steht die Ohrwurm-Melodie, die ein kurioses Wortspiel durch den Song komplimentiert, nicht im Gegensatz zu guter instrumentaler Livemusik. Und es ist diese Ambivalenz aus surrealem Spiel und handwerklicher Qualität, die man in Elizavetas Arbeit ebenso verwirklicht findet. Einerseits bestechend durch zugängliche Ästhetik, fordert sie jedoch in Bildarchitektur und Farbenspiel heraus – der Betrachter verbleibt mit dem Eindruck eines unwirklichen Traums. Dass der Ausstellungsraum dabei das „Live-Erlebnis“ schafft, bestätigt die Künstlerin. Es sei überwältigend, gerade die Fotos, die mit der Band auf Fuerteventura entstanden, in der Ausstellung zu sehen. Zwar sei Druck ja nun kein einfaches Medium, doch gerade durch das große Format und den räumlichen Kontext der Galerie könne man mitten in die Landschaften eintauchen. Sorgen, der Hype um die Band könne das eigene Schaffen überstrahlen, teilt sie nicht; in der Kunst ginge es eben auch darum, Egos zu überwinden und Kräfte zu vereinen.

Text: Yvonne Gross

Foto: Elizaveta Porodina

Zeichen der Freundschaft: Best-Of-Playlist unseres Lebens

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Unsere Autorin und ihr bester Freund aus Kindertagen sehen sich nicht mehr oft, seit er in Wien studiert. Ihre Freundschaft aber hält sich durch ganz viel Musik und ausufernde Gespräche darüber am Leben. Immer dann fühlen sie sich wie im siebten Musikhimmel.

Moritz
zu treffen, ist Musik für meine Seele. Die Gewissheit, dass das Leben
mir schon die richtige Melodie spielt und ich so durch die Welt tanzen
darf, wie ich möchte. Wir verlieren uns im Farbenrausch der Musikvideos von Tame Impala,
die so tiefgründig, bunt und wirr sind wie unsere Gespräche nach dem
dritten Glas Rotwein. Unsere Füße halten nicht mehr still, und ehe ich
mich versehe, werfen wir im Unter Deck die Sorgen von uns ab und tanzen
die Nacht durch nebeneinander her, jeder in seinen eigenen Rausch
versunken.

Solche befreiten Abende sind selten und deshalb erst recht Ereignisse
überschwappender Emotion, immer begleitet von einem passenden Liedtext
oder Rhythmus. Denn seit Moritz in Wien wohnt, beschränkt sich unsere
gemeinsame Zeit auf Konzertabende, mit denen ich ihn ab und an in mein
lieb gewonnenes München locken kann. Dann kommt er in meine Wohnung
gestolpert, mit der ersten Frage “Kennst du Parcels?”. Ehe ich
antworten kann, hat er schon Hideout, die EP der Parcels, bei Spotify
gefunden und spielt mir den ersten Track vor. Bei Schnipo Schranke
gröhlen wir uns die Songtexte entgegen. Das Feierwerk wird zu unserem
Musikhimmel, den die LEDs in Form von zwei riesigen Wolken, welche die
Bühne der beiden Hamburger Musikerinnen schmücken, suggerieren.

Als wir uns kennenlernten, gingen wir noch zur Schule – in der
überschaubaren Stadt Friedrichshafen am Bodensee, wo früher oder später
eben doch jeder jeden kennt – und fanden uns plötzlich auf einer Hütte
wieder, wie wir im Kabel-Wirr-Warr gefangen verschiedene
Steckkombinationen ausprobierten und Knöpfe drückten, bis wir endlich
die Musikanlage in Gang brachten und uns Milky Chance beschallte. Die
kannte damals noch niemand – außer Moritz. Euphorisiert verbrachten wir
den Abend neben den Musikboxen, diskutierten über Bands und erteilten Albenempfehlungen, bis schließlich im Morgengrauen jemand die Stecker
aus der Anlage zog und wir betrunken und bereichert in unsere Betten
fallen konnten.

Seitdem gleicht unser Whatsapp-Chat-Verlauf einer
Best-Of-Playlist unserer Leben. Ich kriege nicht sehr viel von Moritz’
Alltag in Österreich mit, aber wenn er auf einem Konzert war, erkenne
ich das an einem Youtube-Video, das am nächsten Morgen auf meinem Handy
aufploppt und Mommele – so habe ich Moritz eingespeichert – schreibt: “Hör dir das an, die sind richtige nice!“ Nice sagt Moritz übrigens
ziemlich oft. Zu oft, wie ich finde. Anfangs habe ich noch immer nur das
Gesicht verzogen, wenn er mit seinen Anglizismen einen Satz ruinierte. Irgendwann habe ich damit begonnen, die Zeile "Das ist nice, das ist
nice” aus Von Wegen Lisbeths Song Bitch zu singen. Deshalb hat er
trotzdem noch nicht aufgehört, dieses Wort zu benutzen, aber wenigstens
laufen wir dann eine Weile nebeneinander her und fragen uns singend: “Und
was ist sonst noch so passiert?”

Wenn ich Moritz vermisse, kann ich abwarten, bis endlich wieder
Weihnachten ist und wir gemeinsam in der winterlichen Idylle des
Bodensees der Langeweile trotzen. Oder ich zaubere mir einfach ein
bisschen Moritz-Energie in mich hinein. Dann packe ich mir Bilderbuch
auf die Ohren und stelle mir selbst die Fragen, auf die ich Moritz’
Antworten hören will. Und wenn ich genau hin höre, dann singt er mir diese vielleicht.


Text: Jana Haberkern

Foto: Yunus Hutterer