Mit dem neuen Namen geht auch die Musik in eine andere Richtung: Die Mitglieder von Collector verabschieden sich von rein akustischer Musik und bestücken ihre Songs jetzt mit fragmentierten Samples und Synth-Teppichen. Nach neuen Sounds suchen sie auch in der Natur – oder am Bahnhof.
Von Eva Klotz
Das verflixte siebte Jahr. An dieser mysteriösen Zeitmarke scheinen zumindest viele romantische Beziehungen zu scheitern. Das Herzensprojekt der vier Mitglieder von Collector hat das siebte Jahr allerdings sicher überstanden – und sich in der Zeit ihres Zusammenspiels mit den Musikern weiterentwickelt. Dabei haben die Musiker ihren Klang mindestens einmal neu erfunden. Aktuell besteht ihre musikalische Welt aus fragmentierten Samples, die auf Synth-Teppichen mit melancholisch-akustischen Gitarrenklängen, Holzbläsern und oft mehrstimmigem Gesang zu hören sind. „Das ist der Milleniumstask der Band: dass das Elektronische mit dem Organischen harmoniert“, sagt Matthias Herberger. Er ist der Kopf hinter dem Elektronischen, und das neueste Mitglied von Collector.
Mit ihm wurde aus dem ehemaligen Trio Vorteilspack ein Quartett. Von außen sah dieser Übergang fließend aus, für die Musiker war es aber ein Neuanfang. Man hört das auch den Songs an, die auf „Loom“ zu finden sind, an. Auf ihrem ersten Album unter dem neuen Namen stürzten sie sich von rein akustischen Stücken, die sie als Vorteilspack schrieben, in das andere Extrem, elektronisch unterfütterte Songs.
Ihren Klang und ihre Arbeitsweise als Band können sie anschaulich beschreiben, denn beides reflektieren sie ständig. Alle kommen aus verschiedenen musikalischen Richtungen, und bringen ihre Perspektiven in die Songs ein, klare Zuständigkeiten gibt es nicht. Deshalb wird vieles heiß debattiert. „Basisdemokratisch“ nennt Jonas das und lacht.
Dabei sind sie Anachronisten. Aktuell veröffentlichen viele Bands ihre Songs in einer langen Reihe an Singles, um möglichst viele der streaming-affinen Zuhörenden zu erreichen. Durchdachte Albenkonzepte sind in Zeiten, in denen in denen Musik eher stückweise in von Algorithmen generierten Playlists konsumiert wird, selten geworden. Collector aber ist das Konzept eines Albums wichtig – und ein wertschätzender Umgang mit Musik. Jeder Song ist mit einem Thema, einem Bild oder einer Stimmung assoziiert, das nennen sie „erzählerischen Fokus“.
„Loom“ etwa lädt ein zu einer Reise durch die verschiedenen Erdzeitalter, die Musik dazu erzeugt einen ruhigen Sog. Die Texte sind dabei gleichberechtigt zur Musik. Was genau erzählt wird, bleibt oft im Unklaren. Eher sind es Eindrücke, Stimmungen, und Bilder, die transportiert werden. Dafür suchen sie Wörter, die klingen und mit der Musik verwachsen können.
Für ein Gesamtkonzept wie dieses braucht es Hingabe und Zeit – beides stecken sie unermüdlich in ihr Vorhaben. Das Projekt „Band“ gehen sie strukturiert an. Anders würde es auch nicht funktionieren. Denn mittlerweile leben nicht mehr alle Bandmitglieder in München, Jakob und Max sind in Freiburg und Dresden für ihr Studium. Das Arbeiten über die Distanz war und ist dabei eine Herausforderung, ihr letztes Album Loom entstand fast nur so. Dafür haben sie ihren Weg gefunden. Alle haben die gleiche Recording-Software und können so gleichzeitig an Projekten arbeiten. Da kommt es vor, dass jeder Song die Handschrift eines anderen Bandmitglieds trägt, je nachdem, wer der erste Ideengeber ist. Ihre gemeinsame Dropbox ist stets gut gefüllt, an Ideen mangelt es ihnen nicht. Dazu finden regelmäßig in München Probenwochenenden statt, mit konzentriertem Arbeiten über einige Tage.
Der Bandname Collector passt zur Herangehensweise, denn die Musiker sammeln tatsächlich. Jeder von ihnen hat ein Aufnahmegerät, mit dem er Klänge sammeln kann. Sänger Max etwa brachte von einer China-Reise Aufnahmen von Bahnhofsdurchsagen, Naturgeräusche und andere Fieldrecordings mit, die in einigen Songs zu hören sein werden. Das wollen sie zukünftig auch in ihre Shows einbauen. Mit einem Kassettenrecorder, von dem die Samples abgespielt werden. Das passt zu ihrer Idee, Elektronisches organisch klingen zu lassen. Zu hören gibt es Collector am 25. November in der Milla.
Stil: Electronica, Folk, Indie
Besetzung: Max Grüner (Akustikgitarre, Posaune, Gesang), Matthias Herberg (Synthesizer, Gesang), Jonas Dannecker (Drums, Klarinette, Gesang), Jakob Schuster (E-Gitarre, Gesang)
Aus: München
Seit: 2017
Internet: www.facebook.com/CollectorMusicOfficial/