Aus Sand gebaut

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Mal ehrlich: Jeder junge Mensch ist auf der Suche. Nach Liebe. Nach einem Lebensabschnittsgefährten. Vielleicht nach einer Affäre. Das Problem: Sobald sich das Leben um mehr als nur eine Person dreht, wird es verzwickt – eine Kolumne über die Tücken der Partnersuche.

Es ist anzunehmen, dass Hannah schon immer so war. Vermutlich hat sie schon als Kind im Sandkasten gesessen und die Sandkuchenproduktion überwacht. Der eine ist zu klein, der andere zu eckig, beim dritten stimmt der Geschmack nicht. Also alles noch einmal auf Anfang. Aus Klein-Hannah ist inzwischen eine junge Frau geworden, die sich nur noch mäßig für die ordnungsgemäße Zubereitung von Sandteigwaren interessiert. Männer sind der neue Sandkuchen. Ihre Gewohnheit, alles und jeden einer überaus kritischen Qualitätskontrolle zu unterziehen, hat sie sich aber beibehalten. Ist ein Kerl zu dick, ist der nächste bestimmt zu klein. Dem Dritten fehlt vermutlich nach wie vor der gute Geschmack.

Dabei ist Hannah gar nicht so anspruchsvoll, wie sie mir eindringlich versichert. Und überhaupt ist alles nur die Schuld von Lars. Lars, das Maß aller Dinge. Knappe zwei Jahre war Hannah mit ihm zusammen. Im Rückblick für sie die perfekte Beziehung. Dass sie auch diesen Sandkuchen seinerzeit für nicht gut befunden und deshalb verlassen hat, scheint sie völlig vergessen zu haben. „Es war ein Fehler, ihn gehen zu lassen“, seufzt sie und blickt sehnsüchtig an die Zimmerdecke – so lange, bis ich auch hinschaue, um zu sehen, ob dort vielleicht ein Bild von ihrem wunderbaren Lars hängt, der noch kurz vor der Trennung laut Hannah selbst der größte Fehler war.

Genau daran kann sie sich aber nicht mehr erinnern, was ihre Freude an allen anderen Männerbekanntschaften leider zuverlässig zunichte macht. Hat man einmal den idealen Sandkuchen gefunden, ist es schwer, sich mit einem weniger hochwertigen zufriedenzugeben – auch wenn der Qualitätsunterschied objektiv betrachtet vielleicht gar nicht so enorm ist.

Hannah hat sich längst ein neues, eigenes Bild von Lars gemacht. Ein Sandkuchen par excellence. Köstlich, wohlgeformt, ein Traum. Vielleicht würde es ihr gut tun, den echten Lars noch einmal zu treffen, schlage ich ihr vor. Aber Hannah lehnt vehement ab. Sie weiß genau, dass ihr Idealbild einer kritischen Prüfung genauso wenig standhalten würde wie alle anderen Sandkuchen ihres Lebens. Es ist zu groß, zu viel. Vielleicht liegt das ja auch an Hannahs Geschmack.

Von Lisi Wasmer