Angry Birds beruhigen

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Wir werden unwiderruflich erwachsen. Richtig alt ist man aber erst, wenn man den Niedergang der nächsten Generation prognostiziert. Etwa so, wie wir damals alle an der Erfindung des Tamagotchis zugrunde gehen sollten. Aber wir leben noch! Oder?

Dinge, die sich wiederholen, haben etwas Beruhigendes: Die Vorspannmusik der Lieblingsserie zum Beispiel. Oder dass Mamas Sonntagsbraten immer gleich schmeckt. Auch Dinge, die man wieder hervorholt, haben etwas Beruhigendes – wenn man nicht gerade wie mein großer Bruder auf Besuch im Elternhaus daran scheitert, seine erste Spielekonsole wieder zum Laufen zu bringen. Ich weiß natürlich, warum alles Pusten nicht hilft: Weil ich ein wichtiges Teil für meine Konsole gemopst habe, um meine Mario-Kart- und Pokémon-Fähigkeiten aufzufrischen. So ein bisschen psychologische Regression ins Kindesalter gehört ja gerade in der Weihnachtszeit dazu.

Leider fühle ich mich plötzlich wieder sehr alt, als da drei richtige Kinder vor mir sitzen und angestrengt auf die Figur starren, die ich gerade für sie gemalt habe. ,,Das ist doch dieses eine Pokémon‘‘, sagt schließlich der Älteste zweifelnd. Kinder, die Pikachu nicht mehr kennen! Wir werden unwiderruflich erwachsen. Richtig alt ist man aber erst, wenn man den Niedergang der nächsten Generation prognostiziert. Etwa so, wie wir damals alle an der Erfindung des Tamagotchis zugrunde gehen sollten. Mein Bruder hat immerhin mal wegen eines Tamagotchis einen Tischtennisschläger gegen den Kopf bekommen. Gravierendere Langzeitfolgen sind mir allerdings noch nicht begegnet.

Schon Sokrates soll sich über den Niedergang der Jugend beschwert haben. Gegen Schrift war er übrigens auch – wahrscheinlich sah er damals als erster, dass sie zu Teenie-Vampirromanen und dämlichen Diskussionen in Internetforen führen würde – und zu Anfangzwanzigern, die sich ganz in Sokrates’ Tradition darüber ereifern, warum die Kinder von heute an Smartphones und Facebook zugrunde gehen; diese Diskussionen führen sie natürlich auf einschlägigen Facebook-Seiten via Smartphone. Es hat etwas Beruhigendes, wie sich alles wiederholt: Falls sich die Achtjährigen von heute nicht alle folgenreiche Kopfverletzungen durch geworfene Smartphones zuziehen, seufzen sie wahrscheinlich in fünfzehn Jahren, wie idyllisch ihre Kindheit mit den Angry Birds damals doch war.

Von Susanne Krause