Die Woche unserer Autorin Thalia beginnt in ihrem Zimmer und endet bei der Rocky Horror Picture Show. Dazwischen: Kunst, Theater und Spurensuche
Ich bin jemand, der sich mitnehmen lässt. Meine ganze Jugend über, habe ich mich an starken, älteren Armen durch München navigieren lassen. Armen von Menschen, die bei Kulturveranstaltungen angesprochen werden, sich wegdrehen, aber nicht loslassen. Mich nicht vorstellen, aber nicht loslassen.
Allein bin ich in dieser Stadt nichts.
Mit diesem Gefühl beginne ich am Freitag in meinem kleinen Zimmer, in das jeder eingeladen ist, das ist hier schließlich eine Veranstaltungskolumne, und lese „Allein“ (Schreiber). Ich tröste mich halb erfolgreich über meine vergangene Beziehung und vergangene Jugend hinweg – alles in Pastel-Ansätzen, kein Gegengift, nur die zarte Öffnung hin zu einer anderen Erzählung – und mache mich bereit dafür, tatsächlich rauszugehen, sobald die Sonne untergegangen ist, indem ich mich konsequent isoliere, bis ich es nicht mehr aushalte, allein zu sein. Das ist meine Partystimmung, mit der ich in der Milla David Bowie, the Cure, Anne Clark und Talking Heads höre und mich von 23:00-5:00 Uhr zwischen den Tagen in einen Bret Easton Ellis Roman träume.
Am Samstag lasse ich mich belehren und bilden. Das geht in dieser Stadt sehr gut. Sie verweist mich stumm auf meinen Platz, in dem sie nicht-studierende junge Menschen von Stadtgestaltung ausschließt, und bleibt sauber und einschüchternd. Hier ist es nicht unsere Zeit, aber das merken nur diejenigen, denen die Ludwigstraße Angst macht.
Die Furcht in Ehrfurcht spürend, fahre ich durch Luxusläden zum Habibi-Kiosk, um Teil der Reading Group / Anarchism + Class I zu werden, und hoffe, dass ich nicht wütend werde über den ganzen Rahmen. Ich weiß nicht, wohin mit meiner Wut, wenn niemand Lust auf sie hat und die Stadt nur stumm und überheblich lächelt, im ewigen Subtext: „Es geht um mitkommen, nicht um mitmachen.“
Also setze ich am Sonntag wieder darauf, mitgenommen zu werden. Da laufen Reaktionsmuster ab, die es gibt, seit ich 14 war, und ich muss mir keine Gedanken darüber machen, dass ich eigentlich eine Person bin. Vorher schaue ich mir an, was die Burschenschaft Molestia am Gärtnerplatz macht. Dann groß und lang „HEILIGE SCHRIFT I“, Inszenierung und Buchpräsentation. Die Nacht verbringe ich in der Kantine der Kammerspiele, zwischen Leuten, die ignorieren, dass ich nicht wirklich dazugehöre. Auch ein Privileg.
Am Montag schlafe ich aus, verkatert von Hoffnung. Schlaf hilft als einziges. Dann begebe ich mich ins Schreiben. Nachmittags verschwinde ich wieder und verpasse alles, was passiert. Stattdessen schaue ich mir „das starke Geschlecht“ im Monopol an, trotz des Titels. In dieser Woche, in der der Monat mit dem bedeutungsvollsten Deadlines endlich zu Ende geht und alle Chancen verstreichen, bin ich übermäßig viel im Kino, bezaubert von Aufzeichnung.
Ich schlafe in der Nacht nicht, beschließe irgendwann Conan O’Brien „Can’t Stop“ zu gucken und sehe unfreiwillig den Sonnenaufgang. Es ist Dienstag und ich arbeite viel, bis die Erschöpfung mich mitnimmt und ich so doch zu einer Form von Ruhe und einer Form von Traum finde, auch wenn er stehend mit zitternden Augen stattfinden muss. Abends gehe ich zum München Sport (das ist unter 21 kostenlos).
Mit dem Mittwoch ist der Mai dann endlich vorbei. Ich nehme den Podcast „zu jung für’s Theater“ für das PATHOS auf und spreche mit Mirrianne Mahn über Diversität, weg von der Schlagwortebene. Dann feiere ich das Ende dieses Höllenmonats an der Isar und abschließend in der Diversity Bar. Größer als Silvester.
Am Donnerstag kann man ab 18 Uhr kostenlos ins Haus der Kunst. Ich bin um 20 Uhr fertig mit allem was ich machen musste, habe noch nicht gegessen und setze ich mich in den Nebel, wo schon jeder vor mir war.
Am zweiten Freitag dieser Woche bin ich wieder morgens lesend in meinem Bett. Diesmal mit der Lyrix Anthologie X, die man sich übrigens einfach zuschicken lassen kann. Wenn ich morgens lese, werde ich davon nicht inspiriert und das ist so ein Geschenk. Ich schreibe den Menschen, von denen ich geträumt habe, und fange dann reibungslos an am gleichen Gerät, das ich für Traumübermittlung und Entspannung nutze, zu arbeiten. Manchmal lässt sich das alles gar nicht mehr unterscheiden.
Abends gehe ich vielleicht ins Freitagskafe, wahrscheinlich denke ich aber nur darüber nach und verschwende ein paar Stunden on the edge. Und wenn mich der Anspruch, jeden Tag zu nutzen, gerade aber Freitage, in der Doppelbesetzung Arbeit und Feiern, schon ein paar Stunden in innerer Aufregung und Frustration lähmt, begebe ich mich in ein Ritual, das ich mir vor Jahren gebaut habe, um mich genau an diesem Punkt aufzufangen. Es ist 22:40 Uhr und ich kann niemanden mehr sehen. Ich dissoziiere auf dem Fahrrad, so dass ich einfach plötzlich die Leuchtreklame sehe und da bin. Ich lüge meinen Sitznachbarn an, was ich beruflich mache und erzähle von irgendeinem Leben. Dann beginnt nach 23 Uhr die Rocky Horror Picture Show.
Wenn ich rauskomme, ist meine Gefühlswelt und damit alles anders. Und ich weiß, es gibt diese eine Sache in dieser Stadt, die mich auffängt. Immer und immer und immer wieder
Von Thalia Schoeller