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Was wäre dieses Leben ohne Herausforderungen? Unsere Autorin stammt aus Brasilien und versucht gerade, die Kälte mögen zu lernen. Sie versucht sich auch an das Joggen zu gewöhnen. Oder Schlittschuhlaufen zu lernen. Und Weihnachten ausnahmsweise nicht bei 40 Grad zu feiern. Und als 22-Jährige Oma-Abende zu genießen. Wie das geht? Lest selbst.

Wenn es endlich Freitag ist, will ich nach der Arbeit immer eines von zwei Dingen: entspannen oder feiern. Häufiger entspannen als feiern, muss ich ganz ehrlich sagen; für eine 22-Jährige bin ich ein großer Fan von dem, was meine Freunde „Oma-Abend“ nennen. Diese Woche will ich entspannen; gehe aber feiern. Eine gute Freundin von mir hat Geburtstag, und in der WhatsApp-Gruppe hieß es: „Wer nicht bis 5 Uhr morgens mit mir im Goldkätzchen feiert, bekommt Ärger“. Mal sehen, was ich bekomme: Ärger oder einen Kater.

Ich stehe auf, entweder mit Kopfschmerzen oder mit einer wütenden SMS von meiner Freundin. Womit ich auf jeden Fall aufstehe, wie jeden Tag, ist mit Hunger. Zum Glück habe ich mich mit meinen Freunden verabredet, um etwas aus unserer Heimat zu essen. Das Made in Portugal & Brasil in der Münchner Freiheit bietet samstags immer brasilianische Feijoada an, die für mich und andere Brasilianer:innen das Heimweh etwas mildert. Eine gute Caipirinha hilft da natürlich auch. Danach wechselt die Stimmung komplett von brasilianischem Essen und lauten Gesprächen in die ruhige und formelle große Aula im LMU-Gebäude, wo meine Komiliton:innen ihre Abschlussfeier haben. Ich hatte meine schon vergangenes Jahr, aber ich bringe Blumen mit und klatsche begeistert, wenn meine Freunde ihre Bachelor-Urkunden erhalten. Am Abend spüre ich noch die Feijoada im Bauch und entscheide mich für meinen gestern fehlenden Oma-Abend.

Am Sonntag ruht angeblich Gott, aber nicht die Studierenden. Ich treffe mich mit meinen Freunden im Lost Weekend, um an unserem Masterprojekt zu arbeiten, aber nicht ohne vorher Kaffee zu trinken und viel länger zu quatschen, als wir sollten. Es mag ein Klischee sein, im Lost Weekend zu lernen, aber es gibt einen Grund, warum die Studis dort stundenlang vor ihren Laptops sitzen. Aus einem unbekannten Grund erhöht es unseren IQ um ein paar Punkte.

Ich wünschte, ich könnte euch von einem megaspannenden Montag erzählen. Aber Montags sind selten spannend, und der dieser Masterstudentin sogar sehr selten. Ich bin in der Uni, surprise, surprise. Am späten Nachmittag habe ich noch Zeit zum Joggen im Englischen Garten. Dieses Jahr habe ich mir vorgenommen, das Joggen mögen zu lernen, das ich mein Leben lang gehasst habe. Ich habe mir auch vorgenommen, die Kälte mögen zu lernen, was für diese Sommerliebhaberin aus dem tropischen Rio de Janeiro eine größere Herausforderung ist als ein Marathon. Also ist das Joggen in München im späten November einfach perfekt für mich. Dabei lasse ich mich vom „M94.5 To Go“-Podcast begleiten.

Was glaubt ihr, was ich am Dienstag mache? Falsch, ich bin an der Uni. Wer hätte das gedacht? Ich sitze in der Bib und lerne für meine mündliche Masterprüfung im Dezember, vor der ich jetzt schon Panik habe. Irgendwann tut mir der Hintern vom stundenlangen Sitzen weh und ich gehe dann ins (zu meinem Vergnügen aufgeheizte) Fitnessstudio. Auf dem Heimweg mache ich einen Boxenstopp in meinem derzeitigen Lieblingscafé: dem Café Colombo in Laim. Als stolze Laimerin habe ich mich so lange über den Mangel an Cafés in meiner nahen Umgebung beschwert, dass die Stadt München mir die leckeren Sandwiches vom Colombo geschenkt hat, damit ich  den Mund halte. Es hat funktioniert.

Wenn Mittwoch per Definition die Mitte der Woche ist, dann ist es eigentlich auch das Halbe-Wochen-Ende. Also darf man schon trinken, oder? Nach der Arbeit treffe ich mich mit einer Freundin und wir gehen endlich in die Monets Garten Ausstellung im Utopia, die wir uns schon seit Ewigkeiten ansehen wollten. Danach gehen wir zu mir nach Hause, öffnen eine Flasche Wein und gehen, hoffentlich inspiriert von der Ausstellung, einem meiner liebsten Hobbys nach: dem Malen. Wenn uns der Wein dazu bringt, etwas Schönes zu malen, wird es zusammen mit meinen vielen Gemälden an der Wand meines Zimmers aufgehängt.

Habe ich schon erwähnt, dass ich Brasilianerin bin? Irgendwie taucht es immer wieder auf, vielleicht weil ich es ständig erwähne. Jedenfalls feiern wir in Brasilien Weihnachten bei circa 40 Grad und deshalb war die Weihnachtszeit eines der Dinge, auf die ich mich am meisten gefreut habe, als ich nach München gezogen bin. Ab dem 1. November ist natürlich schon Weihnachtszeit und am Donnerstag wird das Tollwood eröffnet. Und da gehe ich hin. Und verbringe dort Stunden. Und esse alles, was ich sehe. Das war’s.

Hatte ich gestern schon genug Weihnachtsstimmung? Nein, ich gehe am Freitag zum Eiszauber am Stachus. Kann ich Schlittschuh laufen? Überhaupt nicht. Mache ich es trotzdem? Absolut. Wird sich mein Freund (und wahrscheinlich jeder Eiszauberbesucher) über mich lustig machen? Definitiv. Aber nichts kann mich von meinem kompletten Weihnachtserlebnis abhalten. Danach gehen wir noch in die Bierstube im Olympiadorf, wo ich mich fast jeden Freitag mit ein paar Freunden treffe. Der Oma-Abend bleibt also für morgen.

Deborah Rebel