Zeichen der Freundschaft: Rote Couch

Möbel und Dekoration werden für gewöhnlich erst interessant, wenn ein Umzug ansteht. Unsere Autorin erzählt, warum sie eine gewisse rote Couch mit Keksen an Neujahr und einer schon lange andauernden Freundschaft verbindet.

„Komm rein!“, begrüßt mich Regina herzlich, aber ein wenig
verschlafen. Meine blonde Freundin steht im Türrahmen. Eine Perle ist in ihr
dickes Haar eingeflochten, sie trägt Goahose und Pyjamaoberteil. „Tee, Wein,
Radler?“ Ich runzle die Stirn. „Hm, ich glaube mir reicht ein Wasser“, antworte
ich. „Gut, du weißt ja wo alles ist! Ach, und nimm mir doch bitte`ne
Apfel-Kirsch-Schorle mit.“ Grinsend laufe ich in die Vorratskammer. Eigentlich
habe ich mich schon lange an diese besondere Art der Gastfreundschaft gewöhnt
und doch machen mich Reginas Aussagen jedes Mal wieder ein wenig stutzig. Einen
Augenblick später kehre ich mit zwei Flaschen in der Hand zurück ins
Wohnzimmer. Oder Fernsehzimmer? Gästezimmer? Oder so wie ich diesen
Allzweckraum gerne nenne: Das Zimmer mit der roten Couch und genau auf dieser
nehme ich nun Platz.

Hätte diese rote Couch Ohren und einen Mund, dann könnte sie
viele Geschichten erzählen. Auf ihren Polstern wurden schon allerlei Themen
besprochen. Unwichtiges und Weltbewegendes. Von den Schwärmereien einer 13-Jährigen,
bis hin zu den Sorgen einer werdenden Studentin. Diskussionen, Streitereien,
tröstendes in die Arme fallen, Lachanfälle von der
Man-Bekommt-Bauchmuskelkater-Sorte und ruhige Abende. Auf dieser Couch haben wir
am Neujahresmorgen glücklich und betrunken Kekse gemampft und „Harry Potter“
geschaut, nachdem wir von einer Party nach Hause kamen. Auf dieser Couch wurde
eine Menge Wein und Tee konsumiert. Auf dieser Couch wurden Geschichten erzählt
– so auch heute.

Ich nehme Platz neben Regina auf den knallroten Polstern und
beginne von meinen Sorgen zu erzählen, die mir mein Umzug bereitet. Regina
berichtet von Schwierigkeiten im Arbeitsalltag. Und für Liebesfragen wird man
auch nie zu alt, auch diese werden diskutiert. Manchmal führen wir uns auf wie
kleine Hobbypsychologinnen und meinen, alles und jeden durchschauen zu können.
Das geht so lange gut,  bis eine von uns bitter
auf die Schnauze fällt. Dann wird klar: Wir hatten doch keine Ahnung. Und ab
und zu sind wir dann nicht gleicher Meinung. Weil wir aber beide gerne Recht
behalten, drehen und schrauben wir hier und da an unseren Argumenten, sodass
wir dennoch auf einen grünen Zweig kommen.  Sei es, wenn sich eine Diskussion um die
Medienlandschaft in Deutschland oder das politische System dreht . Dann klopfen
wir uns gegenseitig auf die Schultern. Naive Möchtegernallwissenheit.

Und so geht das nun seit Jahren schon. Regina und ich sind
beide von Zuhause ausgezogen und die rote Couch steht noch immer im Haus ihrer
Eltern. Aber manchmal, wenn wir beide einen höflichen Familienbesuch am
Wochenende machen und wir wieder zurück in unserem Heimatdorf sind, dann
treffen wir uns gerne wieder auf dieser roten Couch. Reden, diskutieren und
bilden uns ein, die Welt zu verstehen.

Text: Anastasia Trenkler

Foto:
Yunus Hutterer