Zeichen der Freundschaft: Diktate und Diddl-Blätter

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Die frühere Konkurrentin in der Schule entpuppt sich im Laufe der Jahre als sehr gute Freundin. Unsere Autorin beschreibt eine Reise

über Umwege

hin zu einer Freundschaft, die auch trotz Entfernung immer noch standgehalten hat.

Erste
Klasse, Deutschunterricht. Die Lehrerin teilt die verbesserten Diktate aus und
du bekommst ein großes Lob. Nur ein Fehler, Klassenbeste. Dein Blick geht in
meine Richtung und du schaust mich triumphierend an. Ich schaue mit bösem Blick
zurück. Auch ich bekomme ein Lob, bei mir sind es aber zwei Fehler. Dieses
Erlebnis war der Auftakt eines vierjährigen Kampfes in der Grundschulzeit: Wer schreibt
die besseren Diktate? Mal hast du gewonnen, mal ich. Einmal waren wir beide die
Besten: „Helene und Serafina, ihr könnt stolz auf euch sein, ihr habt keinen
einzigen Fehler gemacht.“ Anstatt vor Freude zu strahlen, haben wir uns aber wieder
gegenseitig böse angeschaut, weil dieses Mal keine über die andere triumphieren
konnte.

Irgendwann
haben wir dann gemerkt, dass wir beide Diddl-Blätter lieben. Wir trafen uns
mehrere Nachmittage in der Woche, tauschten bunte Blätter aus und diskutierten
fachmännisch, welche davon mehr Wert hätten und welche man nicht gebrauchen
könnte. Natürlich kam der ein oder andere neidvolle Blick, wenn ich den neusten
Diddl-Radiergummi hatte oder du deinen neuesten Diddl-Kalender gezeigt hast.
Aber wir fingen an uns zu mögen und haben dann auch eine andere gemeinsame Leidenschaft
entdeckt: Das Tanzen. Jeden Dienstagnachmittag sind wir zur Tanzschule gefahren
und waren immer bei Auftritten oder während des Trainings Tanzpartnerinnen.
Noch heute hab ich die Anweisungen der Tanzlehrerin im Kopf: „Vor, rück, cha
cha cha, rück, Platz, cha cha cha, Drehung kommt, cha cha cha…“.

Auf dem
Gymnasium haben wir beide jeweils einen eigenen Freundeskreis gefunden. Wir
haben dadurch zwar wenig miteinander unternommen, uns aber nie aus den Augen
verloren. Sei es wegen eines gemeinsamen Referats, um unsere Geschichtsnote mit
Napoleon aufzubessern, oder weil wir auf Geburtstagspartys Klingelstreiche
gemacht haben. Mal haben wir uns fürchterlich gestritten und dann waren wir die
besten Freundinnen. Diese Freundschaft wurde auch nach der zehnten Klasse
weitergeführt, als wir beide die Schule wechselten. Wir haben uns nicht mehr
täglich gesehen, doch wir konnten uns immer auf die Andere verlassen.

Nach dem
Abitur ging jede ihren eigenen Weg. Du bist zum Studieren nach Hessen gezogen
und ich in die bayerische Landeshauptstadt. Wir haben uns deutlich seltener
gesehen. Doch trotz der größeren Distanz wurde die Freundschaft enger als je
zuvor, was daran lag, dass wir uns über mehrere Jahre seitenlange Briefe
geschrieben haben – der Rekord liegt bei 70 Seiten. Gerne denke ich an meinen
Weg zum Briefkasten zurück: Mit der Hoffnung, dass der Postbote den sehnlichst
erwarteten Umschlag dabei hat. Die Freude, wenn die „Lach-
und Sachgeschichten“ dann endlich angekommen waren und ich dazu kleine
Geschenke in Form von Fotos, Karten oder Süßigkeiten bekommen hatte. Jedes Mal
habe ich mich auf deine Geschichten gefreut: Seltsame Begegnungen,
Missgeschicke oder Flüche, weil der Lieblingskugelschreiber beim Schreiben seinen
Geist aufgegeben hatte. Dank dieser Briefe hat es sich nie danach angefühlt,
dass 300 Kilometer zwischen uns lagen.

Nun hat es
dich auch nach Bayern verschlagen (auch wenn ich dank dir gelernt habe, dass die
Franken keine Bayern sind): Wir sehen uns endlich wieder häufiger und stoßen
mit Weinschorle auf unsere Freundschaft an. Wir ernten entgeisterte Blicke vom
Türsteher, wenn wir bei der Taschenkontrolle vor einer Bar unsere vollen Tüten
mit den Schuhen von unserer Shoppingtour zeigen. Nachts um drei gönnen wir uns
dann Pommes. In solchen Momenten bin ich dankbar für diese wertvolle
Freundschaft und die vielen gemeinsamen Erinnerungen. Ich kann es kaum glauben,
dass wir uns vor 17 Jahren mal böse angeschaut haben.

Wir haben
uns beide weiterentwickelt, aber eine Sache ist gleich geblieben und wird
hoffentlich immer gleich bleiben: unsere Begrüßung. Wir schauen uns damals wie
heute beim verabredeten Treffpunkt verwirrt um, laufen ein paar Mal aneinander
vorbei. Nach einigen Minuten sehen wir uns dann endlich, brüllen zeitgleich
„Sirraaaa“, „Heliiii“ und rennen aufeinander zu. Wer hätte gedacht, dass aus zwei
Konkurrentinnen mal so gute Freundinnen werden können?

Text: Serafina Ferizaj

Foto: Yunus Hutterer