Podcasts zu produzieren, ist heute einfacher als je zuvor. Wer erfolgreich sein will, muss ein ungewöhnliches Konzept liefern. So wie die jungen Comedians Johannes Steisslinger und Sebastian Ulrich mit „Ist das ein Bit?“
Von Aylin Dogan
Ein Gedanke, eine Notiz auf einem Zettel. So fängt alles an. Dann will Johannes Steisslinger etwa von Sebastian Ulrich, beide 26, wissen, wie die Welt aussehen würde, wenn der Körper ein Geräusch machen würde, sobald der Mensch Durst hat. „Wie laut müsste es dann im Sommer sein, da hat doch jeder Durst“, wirft Johannes in den Raum. Sebastian mag den Gedanken und versorgt ihn mit weiterem Input: „Was fehlt beim Marathon im Vergleich zur Formel 1? Die Motorgeräusche. Aber wenn jeder Durst ein Geräusch macht, dann klingt das auch so.“ Sebastian simuliert Motorgeräusch mit dem Mund; am Ende stellen sich die beiden jungen Comedians vor, wie der Langstreckenläufer Haile Gebrselassie einen neuen Weltrekord aufstellt und alle Zuschauer dabei Kopfhörer tragen, weil der Körper des Sportlers zu laute Durst-Geräusche von sich gibt. Der Gedanke ist absurd, der Witz irgendwie zugespitzt und nicht schlecht. Das Ganze ist entstanden durch den improvisierten Diskurs in ihrem Podcast.
„Ist das ein Bit“ nennt sich das neue Projekt der beiden Stand-up-Comedians, die bereits Erfahrung auf den offenen Bühnen der Stadt sammeln konnten. Sebastian hat vor zwei Jahren die „Ja und Weiter“-Bühne in der Holzkranich Bar mitbegründet, die sich mittlerweile zu einem wichtigen Treffpunkt für angehende Comedians und Comedy-Konsumenten etabliert hat. Mit ihrem neuen, wöchentlich auf allen gängigen Streaming-Plattformen erscheinenden Podcast soll der nächste Schritt folgen. Im Mittelpunkt steht die Weiterentwicklung der beiden. „Wir nehmen uns Prämissen, von denen wir uns nicht sicher sind, ob sie gut genug für die Bühne sind und besprechen sie in dem Podcast. Wir schauen, ob wir es gemeinsam schaffen können, aus diesen Gedanken richtige Comedy-Bits zu machen“, erklärt es Ulrich.
Ein Bit ist ein Teil eines Stand-up-Programmes zu einem bestimmten Thema und besteht aus mehreren, zusammenhängenden oder aufeinander aufbauenden Witzen. Für ein Bit braucht es erst einmal eine lustige Ausgangsidee, also eine Prämisse, wie bei Johannes das Beispiel mit dem Körpergeräusch für Durst. Da er und Sebastian sich einig waren, dass die Idee eine gute Basis für darauf bezogene Witze hergibt, haben sie versucht, diese im Gespräch zu erarbeiten und somit ein mögliches Bit für die Bühne zu kreieren. Ein Bit muss dabei keine bestimmte Länge haben. Je nach Prämisse kann es 20 Minuten dauern, genauso gut aber auch nach zwei Witzen schon vorbei sein.
Durch den Podcast können die Hörer direkt an der Entstehung und dem Prozess eines Bits teilnehmen, auch wenn das bedeutet, dass eine halbe Stunde lang an einem Witz gefeilt werden muss, weil das Potenzial für Lacher da ist, es aber noch nicht reif für die Bühne ist. „Manche Leute gehen zu Comedyshows und denken, dass der Comedian das in vier Minuten runtergeschrieben hat, als ihn die Muse geküsst hat. Aber so ist das nicht“, sagt Johannes. Für ihn ist Comedy Handwerk, das genauso erarbeitet werden muss, wie jedes andere auch. „Teilweise steckt viel Verzweiflung und Frustration dahinter, wenn man den Gedanken hat, dass etwas eigentlich funktionieren müsste und es dann aber nicht tut. Im Gespräch mit anderen Comedians kann man leichter herausfinden, woran es scheitert“, sagt Sebastian.
Vor jeder Aufnahme machen sich die beiden Notizen zu aktuellen Ideen, die sie zusammen besprechen möchten. Vor oder nach einer Idee fällt im Podcast immer wieder der Satz „Ist das ein Bit?“ Durch diesen roten Faden heben sie sich von vielen der bisher bestehenden Comedy-Podcasts ab, die konzeptlos schnell in einen sogenannten Laberpodcast driften. In diesen sprechen die Podcaster über ihren Alltag und aktuelle Themen und hoffen dabei auf lustige Gespräche. So macht es zum Beispiel der beliebte deutsche Podcast „Gemischtes Hack“.
Aber besonders jetzt, wo der Zugang zu Podcasts und das Produzieren so einfach ist, kommt es immer mehr auf das Alleinstellungsmerkmal an. „Für einen konzeptlosen Podcast ist die Podcastlandschaft fast schon zu weit. Das ist ja, wie wenn ich ein Auto erfinden würde. Dann würden alle sagen: „Was sollen wir mit einem neuen Auto? Wir haben alles.“ Aber wenn man es jetzt schafft, ein fliegendes Auto zu erfinden, dann hätten die Leute Interesse daran. Unser Podcast ist jetzt nicht äquivalent mit einem fliegenden Auto, aber es ist zumindest der Versuch, etwas anderes zu machen“, erklärt Sebastian. „Unser Podcast muss sich abheben“, ergänzt Johannes noch schnell, um den Witz aus der Vorlage zu ziehen. Dann folgt ein kurzer Blickkontakt zwischen den beiden und eines ist klar: Dieser Gag war zu flach für ein Bit.
Foto: Catherina Hess