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Von Freitag bis Freitag München: Unterwegs mit Ornella

Die Wiesn ist zwar zu Ende, ich fahre aber noch Karussell. Gedankenkarussell. Ich weiß, dass es besser wäre auszusteigen. Aber es ist halt immer das Gleiche: Ich fahre so lange, bis mir schwindelig wird und am Ende habe ich wieder keine Antworten auf die Fragen, das Grübeln in meinem Kopf. Noch dazu lag ich die vergangenen Tage krank im Bett. Heute geht es mir den ersten Tag besser und ich hoffe, dass ich nächste Woche wieder mehr unter Menschen gehen kann. Denn auch das hilft mir, wenn die Gedanken sich wieder zu schnell drehen: Rausgehen, meine liebsten Freunde und Freundinnen treffen. Falls es euch gerade wie mir geht, kann das hier quasi eure Unternehmungs-Apotheke für die nächsten Tage sein. Ich hoffe, die unangenehmen Gedanken sind dann für eine Weile etwas stiller. Und bleibt gesund!

Im Februar habe ich die Künstlerin „mecmoiselle“ in ihrem Atelier auf dem Gelände des Bahnwärter Thiel getroffen. Wir haben über ihre Kunst gesprochen, sie beschäftigt sich mit feministischen Themen. Immer wieder geht es auch um Diversität und Geschlechteridentitäten. Im Rahmen des „Freischwimmen meets Rodeo“-Festivals organisiert „mecmoiselle“ zusammen mit DJ* BiMän den „Exit Gender Space“ bei der Eröffnungsfeier am Freitagabend. Der „Exit Gender Space“ ist eine interaktive Performance und lädt dazu ein, sich von geschlechtsspezifischen Rollenmustern durch Kleidung, Körperbemalung und Maskierung zu befreien. Ich habe keine Ahnung, was genau mich dort erwarten wird, bin aber sehr gespannt. Und freue mich, die Künstlerin wiederzusehen. Achso: Der Eintritt zur Party ist frei. Darüber freut sich auch mein Geldbeutel.

Am Samstag schlafe ich aus und hoffe auf schönes Herbstwetter. Die vergangenen Tage habe ich ja sehr viel in meiner Wohnung verbracht. Und wo zieht es mich hin? Ich war lange nicht mehr im Nordteil des Englischen Garten. Wenn ihr eine Bank in der Sonne finden wollt, und es ruhiger mögt, ist das der perfekte Ort. Meistens sitze ich dann für ein, zwei Stunden dort und lese. Gerade übrigens lese ich eine Autobiografie der Fotografin Letizia Battaglia, bei der ich in Palermo einen Workshop besuchen wollte. Leider ist sie Anfang des Jahres verstorben. Ich bewundere ihren Blick und ihre Arbeit sehr. Abends werde ich beim Seriencamp der HFF vorbeischauen. Dort gibt es das ganze Wochenende über internationale Serien zu entdecken und gerade im Herbst und Winter, ich muss es zugeben, mag ich gute Serien sehr gerne. Das diesjährige Themenspecial des Festivals lautet „HipHop & Serie“. Für mich klingt das vielversprechend.

Ich möchte mich noch ein wenig schonen, ich war ja erst krank. Deshalb wird der Sonntag gemütlich angegangen und ich starte mit einem Cannolo und einem Kaffee (ja, manchmal bin ich durch und durch Klischee-Sizilianerin) in meinem liebsten Café, direkt bei mir um die Ecke. Das „Dolce Vita“ auf der Lindwurmstraße. Wer diese Bar nicht hip oder fancy genug findet, verpasst einfach sehr viel. Vor allem guten Kaffee und leckeres Gebäck. Den Rest des Tages lasse ich auf mich zukommen, besuche vielleicht meine Eltern, die am Stadtrand wohnen und rufe eine gute Freundin an. Es sind die kleinen Dinge.

Die neue Woche wird vermutlich stressig – ich versuche mich davon nicht herunterziehen zu lassen und freue mich auf den Abend. Denn, sollte ich wieder gesund genug sein, habe ich heute, also Montag, endlich wieder Ballett-Training. Und danach geht es mir immer sehr gut. Falls ich doch noch nicht wieder so fit bin, schaue ich in der Glockenbachwerkstatt bei „Bless the Mic“ vorbei. Jeden Montag trifft in der Glockenbachwerkstatt Hip-Hop auf Poesie. Die junge Münchner Slam- und Rap-Szene zeigt sich hier von ihrer spannendsten Seite. Ich kann weder slammen noch rappen, deshalb schaue ich hier gern und mit Bewunderung zu. Gekürt werden der oder die beste Slammer/in oder (goldenes Mikrophon) oder der/die beste Rapper/in (goldene Winkekatze). Mich interessiert am meisten, wer die goldene Winkekatze gewinnt.

Jedes Jahr im Herbst, kurz nach der Wiesn, gestalten verschiedene Münchner Künstler und Künstlerinnen die Hotelzimmer des Hotel Mariandl (Café am Beethovenplatz). Das Kunstprojekt nennt sich „Zimmer frei“ und es ist eine meiner Lieblingsveranstaltungen seit ein paar Jahren. Ich freue mich immer wieder darauf. Umso mehr, weil ich in diesem Jahr bei der Gestaltung eines Zimmers ein kleinwenig mitwirken durfte. Am Dienstagabend findet die Eröffnung von „Zimmer frei“ statt. Vorher gehe ich noch unter dem Hotel, im Café am Beethovenplatz, mit Freunden etwas essen. Das Café ist, finde ich, eines der schönsten in der Stadt. Besonders mag ich, dass man hier Menschen  jeder Altersklasse trifft. Abends gibt es manchmal Live-Musik. Wenn ich nicht weiß, wohin ich gehen soll, komme ich hierher.

Kunst bestimmt auch am Mittwoch nach Feierabend meine Freizeitgestaltung. Ich bin zwar in den Neunzigern geboren, aber die Achtziger haben mich schon immer fasziniert. In der Lothringer 13 Halle in Haidhausen gibt es gerade eine Ausstellung mit dem Titel „Exzentrische 80er: Tabea Blumenschein, Hilka Nordhausen, Rabe perplexum und Kompliz*innen aus dem Jetzt“. Das Spannende an dieser Ausstellung ist, dass sie die Themen Subkultur, Queerness und performative Arbeitsweisen in den Fokus stellt. Erzählt wird hier eine andere Geschichte der Kunst der Achtzigerjahre in Deutschland. Und zwar jenseits großer, vorwiegend männlicher Meisterzählungen, wie es sie zu dieser Zeit zuhauf gab.

Vor Kurzem schrieb mir Pola Jane O‘Mara eine Whatsapp-Nachricht, ich solle doch zum „Hidalgo Song&Slam“ im Bahnwärter Thiel kommen, dort trete sie auf. Sie spiele die Moderation und Pick-up-Artistin. Pola und ich kennen uns noch aus Schulzeiten. Heute ist sie Schauspielerin am Volkstheater. An diesem Donnerstagabend steht sie aber mal nebenan auf der Bühne. Bei „Song&Slam“ ist es so, dass Poetry Slam und gesellschaftliche Fragen auf Klassik treffen. Klingt ungewohnt? Ist es vielleicht auch. Für mich klingt es nach Spaß und es macht mich neugierig. Eine Schauspielerin, an diesem Abend Pola, führt mit chauvinistischen Texten, inspiriert aus der Pick-up-Szene, durch den Abend. Das Konzept stammt übrigens von Fee Brembeck. Sie ist so etwas wie ein Münchner-Poetry-Slam-Urgestein. Das kann also eigentlich nur sehr gut werden.

Am Freitag gehe ich auf das Digitalanalog Festival. Auch so etwas wie ein Urgestein in München. Es ist ein audiovisuelles Kunst- und Kulturfestival. Hier gibt es also Gutes für die Ohren und für die Augen. Ich freue mich besonders auf die beiden Musikerinnen Melli Zech und SEDA, über beide habe ich schon geschrieben. Im Anschluss, ich weiß noch nicht, wie lange ich bleiben werde, bin ich im Valentin Stüberl mit Freundinnen verabredet. Eine Verabredung, die eigentlich schon seit zwei Wochen steht. Doch jedes Mal war eine von uns krank. Ich hoffe, dass ich gesund in das anstehende Wochenende starten kann. Und mit weniger Gedankenkarussell. Die Chancen stehen gut.