Umstandshosen auf Probe

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Wenn das Erwachsensein sich plötzlich im eigenen kullerrunden Bauch bemerkbar macht – da ist es besser, dieses ganze Familiengründungs-Tamtam erstmal bei Freunden auszuprobieren. Stundenweise. Und ohne sich die Finger beim Wickeln schmutzig zu machen. Eine Kolumne über niedliche Söckchen und Metallica.

Wenn Freunde plötzlich erwachsene Leben führen, weiß man nicht, ob man sich jung oder alt fühlen soll. So geht es mir, als ich Verena in der Wohnung besuche, die sie vor einem halben Jahr mit ihrem Freund bezogen hat. Schon bei der ersten Führung fallen Wörter wie „Schallschutzfenster“, im Wohnzimmer stehen Massivholzmöbel aus dem Familienerbe, die Küche ist voller Utensilien, die ich nur aus Kochsendungen kenne. Die größte Überraschung erwartet mich allerdings, als ich nach zwanzig Minuten den Blick von den hohen Dachfenstern wende und mich hinsetze: Denn plötzlich bin ich auf Höhe von Verenas Bauch, der sehr viel runder ist als in meiner Erinnerung und den Bund einer Umstandshose dehnt.

Bis jetzt gab es in meinem Freundeskreis noch keinen Nachwuchs. Daran haben auch Alis Mühen, ihre Freundinnen zur Fortpflanzung anzustiften, nichts geändert. Schon vor geraumer Zeit hat sie sich in den Kopf gesetzt, dass sie dringend ein Baby will – aber bitte nicht rund um die Uhr! Eigentlich will Ali als Auszeit von ihrem feucht-fröhlichen Studentenleben nur hin und wieder niedliche Söckchen kaufen und dann das Wesen in den niedlichen Söckchen ein paar Minuten auf dem Arm schaukeln. Dann will sie es aber auch gern wieder den Freunden übergeben und in der Stereoanlage Metallica aufdrehen.

Bis jetzt fand ich Alis Vermehrungsbekehrungsversuche eher befremdlich. Jetzt, wo mein Blick auf dem Bund von Verenas Umstandshose ruht, dämmern mir langsam die Vorteile an Alis Plan. Freunde mit Kindern und ausgefallenen Küchengeräten bieten stundenweise die Möglichkeit, die spannenden Seiten des Erwachsenseins auszuprobieren, ohne durch die Einsicht, dass man vielleicht gerade seine Jugend hinter sich lässt, eine Quarterlife-Crisis zu riskieren. Am Ende des Abends habe ich superspaßige Momente mit einem Hightech-Gemüsezerkleinerer verlebt, den ich nachher nicht abwaschen musste. Mit dem Baby von Freunden zu spielen, glaube ich, funktioniert ähnlich.

Alis Wünsche wurden inzwischen übrigens von anderer Seite erhört: Sie ist Tante von Zwillingen, denen Sie zur Geburt statt niedlichen Söckchen Metallica-Shirts gekauft hat.

Von Susanne Krause