Heilsame Musik

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Wir porträtieren an dieser Stelle bis zur Vernissage alle 20
mitwirkenden KünstlerInnen unserer Ausstellung
“10 im Quadrat Reloaded”
 im Farbenladen – mal Fotograf, mal
Modell. Heute: Musikerin Henny Gröblehner.

Das musikalische Talent ist Henny Gröblehner, geboren 1992,
wohl in die Wiege gelegt worden: Ihre Eltern sind Berufsmusiker. Daher war
schon früh klar: Henny will auf der Bühne stehen und Musik machen. Das tut sie
nun auch, und das obwohl sie nicht Musik studiert hat. Klassischen oder
Jazz-Gesang zu studieren, war für sie keine Option. Henny ging erst einmal nach
Hamburg, um an einem Pop-Kurs teilzunehmen. Was sie dabei lernte: gemeinsames
Musizieren.

Zurück in München entschied sie sich für
Theaterwissenschaften. Danach ging es mit dem Ersparten in die Welt hinaus. Bis
zu diesem Zeitpunkt war sie mit ihrer Band „pourElise“ aufgetreten, in der auch
ihre Schwester mitspielte. Für die Zeit der Weltreise musste dann jedoch ein
Soloprojekt her. Herausgekommen ist Henny Herz. Benannt nach der
Schriftstellerin Henriette Herz, die als erste Frau Literaten in einem Berliner
Salon zusammenbrachte. Mit neuen Songs im Gepäck reiste Henny durch Australien,
Neuseeland und die USA. Nur ihre klare Stimme und Gitarre. Die Liedtexte mal
auf Deutsch, mal auf Englisch und ab und zu auch mal auf Französisch.

„Ich bin kreativ, wenn mich nichts stört“, sagt Henny. So
ist ihr Album auf einem alten Bauernhof im Salzburger Land entstanden. Sie war
sechs Tage lang alleine in dem Haus und hat ihre Songs geschrieben. „Ich habe
keine technische Herangehensweise, sondern ich schreibe über das, was ich auf
dem Herzen habe und was mir begegnet.“ Dabei nimmt sie kein Blatt vor dem Mund.
Für Henny bedeutet Musik alles: Sie verbindet, dabei entsteht Liebe, weil man
sie teilt, und für sie selbst ist sie wohltuend und heilsam.

Auf der Bühne ist Henny sicherer als vor der Kamera, deshalb
war das Shooting für Zehn im Quadrat durchaus eine Herausforderung: „Je
persönlicher der Ansatz eines Fotografen war, desto mehr Überwindung hat es
gekostet, Dinge preiszugeben. Aber dann hat es letztlich auch mehr Spaß gemacht.“
Bei den Shootings hat sie auch Seiten an sich kennengelernt, die sie sonst
nicht wahrnimmt. Beispielsweise das Shooting mit Nadja habe sie deshalb besonders bewegt. „Ich hab sehr schnell gemerkt, dass ich ihren Ansatz mag, ihn
gut nachvollziehen und mich darin stark wiederfinden kann. Das Kreative kam
dann praktisch wie von selbst und es war sehr angenehm und organisch, mit Nadja
zu shooten.“

Text: Lena Schnelle

Foto: Christin Büttner

Hüpf und weg

Thomas Bruckmaier hat in München Wohnung und Job gekündigt – jetzt reist er mit einer Hüpfburg durch die Welt. Warum? Um Kindern in aller Welt eine Freude zu machen.

Es ist eine verrückte Idee. Sie hat etwas von einem Kindheitstraum – und doch ist es ein Lebensweg geworden. Ende dieses Sommers hat Thomas Bruckmaier, 27, in München Wohnung und Job gekündigt, eine Hüpfburg in seinen kobaltblauen Mercedes-Bus gepackt und ist losgefahren. Hinaus in die Welt zu all den Kindern, die noch nie gesehen haben, wie sich eine zehn auf zehn Meter große Plastikdecke in eine Burg verwandelt, wie sich Türme aufklappen und Mauern aufplustern. Thomas hat keinen festen Reiseplan. Über seinen Blog hupfundweg.de organisiert er seine Route um die Welt. „Es ist meine Mission, mein Schloss zu all den Kindern zu bringen, die noch nie auf einem der besten Spielzeuge dieser Welt waren“, sagt Thomas. „Wenn ihr Kinder kennt, Schulen, Waisenhäuser, schreibt mir. Wenn es in meine Reisepläne passt, komm‚ ich vorbei.“ Thomas hat inzwischen schon in mehreren SOS-Kinderdörfern Halt gemacht. Von München aus hat er den Balkan angesteuert, seine Hüpfburg war bereits in Slowenien, Kroatien und Bosnien. Überall dort sprangen die Kinder Stunden auf ihr herum. Hopsten, torkelten, plumpsten. Jedes Mal hat Thomas die mächtige Plastikrolle ausgewickelt, aufgepumpt, eingeschrumpft, eingepackt. Da macht selbst die robusteste Hüpfburg hin und wieder schlapp. Zwanzig Mal musste Thomas während seiner Reise schon Löcher flicken. Aber das war für ihn Kleinkram.

Sein ehemaliger Arbeitgeber wollte die Hüpfburg zunächst komplett entsorgen. „Sie war kaputt. Sie hatte 479 Löcher. Da habe ich gesagt, die repariere ich. Die Aussichten waren nicht so gut, niemand hat geglaubt, dass es funktioniert. Aber ich habe es einfach gemacht.“

Was bewegt einen jungen Mann, einen Monat lang 479 Löcher einer maroden Hüpfburg zu stopfen? Er muss besessen sein. Oder tiefenentspannt. Für Thomas war die Sache von Anfang an klar: „Ich hatte ein bisschen Geld angespart. Und dann habe ich mir gedacht, es ist möglich, die Weltreise mit Hüpfburg umzusetzen, also mache ich das jetzt. In zehn Jahren will ich nicht zurückschauen und mir eingestehen müssen, dass ich die geile Idee nicht umgesetzt habe.“

Thomas ist ein Mann mit viel Geduld. Eineinhalb Jahre suchte er nach dem passenden Auto für sich und sein Plastikschloss, bis er im Internet einen betagten Mercedes-Bus gefunden hat. 3900 Euro hat er gezahlt für die alte Karosse, die er hin und wieder reparieren muss. Er hofft, dass ihn der Wagen noch bis nach Indien bringt, denn dahin wollte er „schon immer“. Aber groß in die Zukunft planen will Thomas nicht. „Man muss spontan sein“, sagt er. Denn da ist ja immer noch die Hüpfburg, die richtig platziert sein will. In Istanbul war es äußerst schwer, einen geeigneten Stellplatz zu finden. Aber Thomas ließ nicht locker: „Wenn du den ganzen Tag über nichts anderes als über deine dumme Hüpfburg sprichst, vernetzt dich das Schicksal eines schönen Tages mit den richtigen Leuten.“ Und die richtigen Leute, das waren Jakub und Önver vom schwedischen Kulturinstitut. Die beiden Männer sorgen für syrische Flüchtlinge in einer assyrischen Kirchengemeinde, indem sie Aktivitäten organisieren, um die Asylsuchenden hin und wieder aus dem bedrückenden Zustand des Wartens zu holen.

Da kam die Hüpfburg gerade recht. Zuerst aber musste der Münchner mit dem Bischof von Istanbul sprechen, der die Idee zu Thomas’ Erleichterung absegnete. Dann allerdings standen Bürokratie und Eigentumsrechte im Weg, darüber hinaus war der Hof der assyrischen Kirche den Dimensionen seines Spielmobils nicht gewachsen. Schließlich jedoch stieß Thomas bei einem Streifzug durch Istanbul auf den Parkplatz einer armenischen Kirchengemeinde, die ihnen die Fläche zusagte. Die Flüchtlingskinder staunten, als sich die Hüpfburg vor ihnen aufbaute und immer höher wuchs, immer breiter schnaufte. Erst wichen die Kinder zurück. Doch dann wagte ein Junge den ersten Schritt. „Ganz zaghaft schlich er drauf“, erzählt Thomas, „er wusste überhaupt nicht, was da los ist und hat sich verwirrt umgeschaut.“ Langsam folgten die anderen Kinder hinterher, die Burg beugte und bog sich und schließlich entspannten sich die Gesichtszüge. Die Kinder hatten ihren Spaß, Thomas seine Freude. Inzwischen hat er auf seiner Hüpfburg 689 Kinder gezählt. Und keiner soll für den Hüpfburg-Service zahlen müssen. Thomas lebt von seinen Ersparnissen – und wenn ihm eines Tages doch das Geld ausgehen sollte, kann er auch unterwegs als Webprogrammierer arbeiten.

Er wird bald weiterziehen, Richtung Indien. Auch wenn Thomas die Krisen- und Kriegsgebiete umfahren will, wird es nicht einfach. Er weiß noch nicht, wie die Grenzbeamten reagieren werden – auf seinen alten, kobaltblauen Bus mit der Hüpfburg im Kofferraum.  Susanne Brandl