Neuland

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Innerhalb von 36 Stunden für einen guten Zweck so weit weg von München wie möglich- das war das Ziel von 79 Teams bei BreakOut 2015. Auch zwei Autorinnen der SZ-Jugendseite waren dieses Jahr dabei- und belegen den ersten Platz mit der höchsten Spendensumme

79 Teams, 71 448 Kilometer, 71 307 Euro Spenden – das war BreakOut 2015. Am 4. Juni trafen sich 158 junge Menschen am Geschwister-Scholl-Platz, um sich innerhalb von 36 Stunden so weit wie möglich von München zu entfernen. Alle Teams haben zuvor Sponsoren gesucht, die einen bestimmten Betrag pro Kilometer zahlen – die Einnahmen gehen als Spende an das DAFI-Programm der UNO-Flüchtlingshilfe, das Flüchtlingen eine akademische Bildung ermöglicht. Auch Friederike Krüger, 24, und Stefanie Witterauf, 23, zwei Autorinnen der Junge-Leute-Seite, waren heuer dabei. „Die Idee von dem Projekt hat uns beiden sehr gut gefallen“, sagt Stefanie. „Eine Spendengenerierung, die wie eine Abenteuerreise für uns ist.“ Sie haben es bis nach Sundsvall geschafft, 1625 Kilometer Luftlinie von München entfernt. Damit werden sie 9940 Euro spenden. „Grandios. Nicht wiederholbar. Einzigartig“, sagt Friederike. Sie belegten den ersten Platz mit den meisten Spenden. Die Siegerehrung ist am Donnerstag, 18. Juni, in der Glockenbachwerkstatt.  

Stephanie Albinger

Foto: privat

Neuland

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“Alternativ unterwegs in München”- so heißt der Stadtführer von Amelie Bauer, 24, Fabian Lieke, 26 und weiteren zehn Redaktionsmitgliedern, der Ende Juni erscheinen wird. 

Nachhaltig zu leben, gehört für viele schon zum guten Ton. Doch leicht ist das nicht immer. Der Stadtführer „Alternativ Unterwegs in München“ soll das nun für die bayerische Landeshauptstadt vereinfachen. Amelie Bauer, 24, und Fabian Lieke, 26, und eine Redaktion von etwa zehn Mitgliedern treffen sich seit zwei Jahren regelmäßig in einer Gartenlaube und entwickeln ehrenamtlich den grünen City-Guide. Von Kleidertauschpartys bishin zu veganen Supermärkten erhalten die Leser Informationen für ein besseres München. Ende Juni soll das Buch erscheinen. „Wir haben mittlerweile 250 Vorbestellungen. Die Münchner haben also Lust, die alternativen, ökologischen und manchmal auch etwas skurrilen Seiten der Stadt kennenzulernen“, sagt Fabian. Ein paar Vorbestellungen fehlen allerdings noch, damit die Finanzierung steht. Für 15 Euro kann der Stadtführer unter www.alternativ-unterwegs.de vorbestellt werden.  

Stefanie Witterauf

Foto: Alina Kroos

Radio Freiheit

Eine Plattform, die über den reinen Lokalhörfunk hinaus geht: Weil ihnen das Musikangebot im Internet nicht genügte, haben Felix Flemmer und Leo Bauer, beide 22, einen eigenen Sender aufgezogen

Ein eigener Radiosender. Eine Plattform, die über den reinen Lokalhörfunk hinaus geht. Andere Musik für München. Schon länger schwirrt diese Idee in den Köpfen von Felix Flemmer, 22, und Leo Bauer, 22, herum. Entstanden ist vor einem Monat das Online-Radio 80000. Jeden Tag senden Felix, Leo und sieben musikaffine Freunde eine Stunde lang ihre Showkonzepte.

Mit den Worten „Hier ist Berlin, Voxhaus“ begann im Oktober 1923 die deutsche Geschichte des Hörfunks – 86 Jahre und 183 Tage später startet Radio 80000 mit einem fetten Hip-Hop-Beat. 80000? Der Name klingt sperrig, doch das ist gewollt. „Auf jedem Münchner Postkasten steht 80000, die Postleitzahl. Es war wichtig, dass der Name zeigt, woher wir kommen. Außerdem ist die Post wie das Radio veraltet, aber besitzt für uns immer noch einen absoluten Reiz“, sagt Leo. Man könne den Namen auch als Abgrenzung zu Bayern 1, Bayern 2, Bayern 3 verstehen. „Mit unserem Namen positionieren wir uns gleich ganz am Sende-Rand, dass sich alle denken können, dass wir unser eigenes Ding machen“, sagt er.

München hat sich verändert.
Die Szene ist da,
nur manchmal sehr versteckt

Angefangen hat es mit einer SMS, die Felix im Januar an seinen ehemaligen Schulfreund sendet. Felix studiert an der Hochschule Kommunikationsdesign und macht zu dieser Zeit ein Praktikum in Zürich. Leo, Student der Innenarchitektur, absolviert zur gleichen Zeit ein Praktikum in München. Beide verbringen den ganzen Tag vor dem Computer und hören neben ihrer kreativen Arbeit Musik. „Irgendwann hat man seine Musik durch und braucht was Neues und fängt an, Online-Radiosender zu hören. Da gibt es weltweit schon richtig gute“, sagt Felix. Aber das genügt nicht. „Plötzlich habe ich gedacht, warum keinen eigenen machen“, sagt er. Felix schreibt Leo eine Nachricht und steckt ihn sofort mit seinem Plan an.

Beide Münchner haben als DJ-Duo Westermühl Brigade in verschiedenen Clubs in München aufgelegt. Ihr Sound ist sehr Hip-Hop-lastig. Um ein breiteres Musikspektrum zu haben, holen sie sich den angehenden Augenarzt Jakob Siedlecki, 26, als Techno-House-Spezialisten zu ihrem Projekt hinzu.

Und Jakob bleibt nicht der einzige. Bei Radio 80000 arbeiten mittlerweile neun junge Menschen aus verschiedenen Berufsfeldern zusammen, die jede Woche sieben Sendungen von 21 bis 22 Uhr moderieren und kuratieren. „Uns war klar, dass wir es nicht alleine machen wollen. Wir haben Freunde, die wirklich einen guten Musikgeschmack haben“, sagt Leo. Ihre eigene Show haben Jurastudent Raphael Stärk, 24, Architekturstudentin Alissa Hoffmann, 21, Lukas Krompholz, 22, Junior-Editor bei einem Streamingportal, die Politikwissenschaftsstudentin Amanda Stach, 22, die Medizinstudenten Kornelius Winds, 25, aus Wien und Bijan Petrus, 23, aus Oradea in Rumänien. „Es sind alles Menschen, die sich mit München verbunden fühlen, auch wenn sie nicht mehr hier wohnen“, sagt Leo.

Doch warum ein neues Internet-Radio für junge Münchner, wo doch durch das Mitmach-Radio M 94.5 und den Jugendkanal Puls vom BR die Zielgruppe umfassend abgedeckt ist? Keiner der Mitarbeiter von Radio 80000 besitzt bereits Erfahrung im Hörfunk-Bereich. Die Sendungen werden über ein Programm mit dem Laptop aufgenommen und gleich gesendet. „Die Technik macht jeder für sich selbst. So klingt es manchmal auch noch“, sagt Felix. Doch den DIY-Spirit möchten sie beibehalten. „Wir finden die Arbeit der anderen Sender super, aber haben uns nicht mehr richtig repräsentiert gefühlt. Wir wollen eine Plattform für die Leute machen, denen es ähnlich geht“, sagt Leo. Er und Felix vertrauen den anderen Mitgliedern musikalisch vollkommen. Da hat jeder in seiner Show die Freiheit, zu sagen und zu spielen, was er will.

Nichts dem Zufall überlassen sie allerdings bei der Grafik. Das ganze konzeptionelle und visuelle Auftreten haben die beiden unter Kontrolle. „Wir unterstützen uns gegenseitig. So habe ich auch ein schönes Cover für meine Show“, sagt Jakob. Während des Interviews merkt man, dass Felix und Leo ein eingespieltes Team sind. Genau wie mittwochs in der Show „WMB Et Cetera“ von Leo und Felix. „Sie werfen sich einen Ball nach dem anderen zu. Man hat das Gefühl, als Freund dabei zu sein“, sagt Jakob, um danach zu ergänzen: „So einen Partner für meine Sendung hätte ich auch gerne.“
 Der Radiosender soll organisch wachsen – an Shows und an Menschen, die Spaß haben mitzumachen. Es soll kein reiner Musiksender werden. An verschiedenen neuen Konzeptideen wird permanent getüftelt. „Leo war für ein paar Tage in London. Für ihn ist ein Freund von mir eingesprungen, der auch Designer ist. Wir haben in der Show über unsere Arbeit und den Berufseinstieg gesprochen. Themen, die uns berühren. In solchen Gesprächen sehe ich Potenzial“, sagt Felix.

München hat sich verändert. Die Szene ist da, nur manchmal sehr versteckt. Und das ist ein wichtiger Punkt für das neue Münchner Internet-Radio. Vor fünf Jahren war es noch nicht denkbar, dass Boiler Room in München stattfinden würde, meint Leo. Es gibt viele Open Airs, Konzerte, Ausstellungen. Neue Projekte aus unterschiedlicher Richtung.

Doch wie erfährt man von solchen Szene-Veranstaltungen? „Ich wollte auf eine Ausstellung in einer Off-Location in der Blumenstraße gehen. Als ich es gegoogelt habe, konnte ich nichts herausfinden“, sagt Jakob. „Oft ist es so, dass die gleichen Leute dort sind. Die selben, die ins Kong gehen, im Charlie feiern oder im Attentat einen griechischen Salat essen. Wenn du Freunden von den Veranstaltungen danach erzählst, wären sie auch gerne hingegangen, wussten aber nicht, dass es so was in München gibt. Die Reichweite ist nicht da. Das könnte ein mögliches Ziel von Radio 80000 sein: die verschiedenen Szenen zu vernetzen“, sagt Leo.

Weitere Informationen im Internet unter www.radio80k.de

Stefanie Witterauf

Foto: Kerstins Kopf

Neuland

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Alicia Schramek hat vor einem Monat die Flow-Art-Manufacture gegründet. Sie stellt handgefertigte Hula-Hoop-Reifen mit individuellem Design her.

Durch jahrelange Erfahrung hat Alicia Schramek, 23, ein Gefühl für die Trends der Akrobatik-Szene entwickelt. Vor einem Monat hat sie die Flow-Art-Manufacture gegründet. Sie stellt Hula-Hoop-Reifen mit Glitzertapes und handgemachte Poi her, alles Unikate. Auch Sonderanfertigungen nimmt Alicia entgegen. Ihre „Spielsachen“ verkauft sie auf kleinen Partys und Veranstaltungen, das nächste Mal bei der OSOM-Music-Night am 5. Juni in der Theaterfabrik. 


Stefanie Witterauf

Foto: 

Isa Isaria

Mein München – Dreimühlenviertel

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Bei den Treffen mit ihrer Mädelsclique in einer Dachgeschosswohnung im Dreimühlenviertel ist die Fotografin Ann-Sophie Wanninger immer wieder von dem stimmungsvollen Ausblick fasziniert. Für ihr aktuelles Projekt arbeitet sie an einer Modestrecke.

Regelmäßig trifft sich die junge Fotografin Ann-Sophie Wanninger mit ihrer Mädelsclique in einer Dachgeschosswohnung im fünften Stock im Dreimühlenviertel zum Singen. „Es ist sehr meditativ, abends nach einem langen Tag ein paar Lieder zu trällern. Ich freue mich immer wieder auf die Lichtstimmung und die Aussicht, die man nach dem hart erkämpften Aufstieg hat“, sagt Ann-Sophie, 27, die häufig diesen Ausblick fotografiert.
Ihren ersten eigenen Fotoapparat hat sie mit siebzehn Jahren von ihrem damaligen Freund geschenkt bekommen. Nach ihrem Abitur machte sie ein Praktikum bei einem Still-Life-Fotografen. „Kreativ war ich schon immer, aber ich wollte davor ausprobieren, ob es auch im Beruf das Richtige für mich ist“, sagt sie. Danach war sich Ann-Sophie sehr sicher, dass Fotografie die richtige Karrierewahl für sie ist. Die junge Künstlerin studierte an der Hochschule Fotodesign in München und assistierte nebenbei verschiedenen Fotografen. Mittlerweile unterrichtet Ann-Sophie als Dozentin für Fotografie an der AMD, einer privaten Schule für Mode und Design.
Für ihr aktuelles Projekt fotografiert sie zusammen mit einer Hair-and-Make-up-Künstlerin eine Modestrecke. Jedes Model wird dabei vor einem bunten Hintergrund aufgenommen. Für jedes einzelne Bild mischt Ann-Sophie die Farbe, mit der sie danach die Wand streicht. „Um selbst meinen Stil zu betiteln, stecke ich meist zu tief drin. Ein Versuch wäre: inszenierte Mode-Porträts“, sagt Ann-Sophie.  

Stefanie Witterauf

Foto: Ann Sophie Wanninger

Neuland

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Fotografin Laura Zalenga sammelt Spenden für die Tierschutzorganisation Animal Equality. Wenn bei ihrer Crowdfunding-Kampagne 1000 Dollar gespendet werden sollten, lässt sie sich eine Glatze rasieren.

Haare ab für einen guten Zweck. Fotografin und Internetphänomen Laura Zalenga, 25, nutzt ihre Bekanntheit, um möglichst viele Spenden für die Tierschutzorganisation Animal Equality zu sammeln (Foto: Laura Zalenga). Mehr als 300 000 Follower gefallen die Selbstporträts der Fotografin. Sollte die Summe von 1000 Dollar erreicht werden, verspricht Laura, ihre schulterlangen Haare abzurasieren. „Ich liebe Tiere. Ich fühle mich dazu verpflichtet, etwas zu tun“, sagt sie. Bis zum 9. Juni kann man auf der Seite www.gofundme.com spenden (Stichwort „Going bald against fur“). „Lieber eine Glatze haben als Fell zu tragen“, sagt Laura.

Stefanie Witterauf

Foto: Laura Zalenga

Heißer Reifen

Mit Hula-Hoop-Einlagen an einer Ampel finanziert sich Sophia Kurmann ihre Zirkusausbildung in Berlin

München/Berlin – Ein weißer Plastikreifen rollt über den Rücken, wird in die Luft geworfen, mit Leichtigkeit aufgefangen und kreist um die Beine von Sophia Kurmann, 23. Der Hula-Hoop-Reifen tänzelt um ihren Körper: erst Hüfte, dann Hals – bis sie in einer fließenden Bewegung durch ihn hindurch springt.
 Sophia trägt bunte Blumenleggings mit Kniestrümpfen, einen gehäkelten Pullover und eine ausgeblichene Jeansjacke. Ihr Markenzeichen: wilde, braune Locken. Genauso widerspenstig wie ihre Frisur wirkt das Leben der jungen Frau aus München. Nach ihrem Abitur mit Bestnoten macht Sophia eine Weltreise. „Alle haben von mir erwartet, dass ich Medizin studiere. Aber ich will keine Ärztin werden“, sagt sie. Nach London, Fidschi und Australien zieht Sophia nach Brighton, um dort Mediawissenschaft zu studieren. Doch das Studium füllt sie nicht aus. 

Zum ersten Mal versucht sich Sophia an dem Hula-Hoop-Reifen ihrer Mitbewohnerin im Wohnheim. In ihrer Kindheit und Jugend hat sie Fußball gespielt. Zeit für einen anderen Sport hatte sie nicht. Auch die anderen Mädchen im Studentenwohnheim wurden von Sophias plötzlicher Begeisterung für das Hula-Hoop-Tanzen angesteckt. Nachmittags standen sie nebeneinander auf der Wiese vor dem Gebäude und übten. Nach ein paar Wochen verloren die Kommilitoninnen wieder die Lust an dem Reifensport, Sophia nicht. Mit zwei Freundinnen trainierten sie in jeder freien Minute im Park. Ein paar Auftritte folgten. „Um richtig hoopen zu können, braucht man Geduld. Es dauert, bis sich ein richtiges Körpergefühl entwickelt. Mein Vater fand das gut, denn eigentlich gehört das nicht zu meinen Stärken“, sagt Sophia und lacht. Die junge Frau erkennt, dass sie nach ihrem Uni-Abschluss auf die Zirkusschule gehen möchte, um die Kunst mit dem Reifen richtig zu erlernen. Jedoch sind die Akrobatenschulen in England sehr teuer. Das Studium in Brighton haben ihre Eltern finanziert. Sophia möchte keine Unterstützung mehr – sie möchte auf eigenen Beinen stehen. Deswegen zieht sie nach Berlin, dort ist die Zirkusausbildung günstiger.

In ihrem WG-Zimmer in Berlin stehen mittlerweile zehn Hula-Hoop-Reifen an die Wand gelehnt. Angefangen hat sie mit einem großen, schweren Reifen, es folgten kleinere, leichtere. Auch einer mit LED-Lichtern und ein Feuerreifen. Der Effekt ist groß, doch besonders viel, außer ihn um die Hüften kreisen zu lassen, kann man nicht machen, da man den brennenden Reifen nicht mit der Hand anfassen kann. Verbrannt hat sich Sophia dabei noch nie, aber ihre Mähne muss sie hier zusammenbinden. So auch bei der „Party like Gatsby“ Anfang Juni im Lenbach Palais in München. Dort ist Sophia mit ihrem Hula-Hoop-Künsten zu sehen. „Es ist immer noch komisch, vor anderen aufzutreten.“ Lieber übe sie für sich allein. „ Im Sommer hoope ich wie in Trance und denke mir dann, wo die letzte Stunde hin ist“, sagt sie.

Mit kleinen Shows als Straßenkünstlerin verdient Sophia die Gebühren für die Artistenschule und ihren Lebensunterhalt. Sie wählt eine Straße im Prenzlauer Berg aus, bei der die Ampel ungefähr eine Minute eine Rotphase hat. Während die Autos halten, gibt sie vierzig Sekunden auf dem Fußgängerübergang eine kleine Show. Danach geht sie mit ausgestreckter Hand von Auto zu Auto und steckt die Münzen in ihren Brustbeutel. „Die meisten Autofahrer finden es lustig und geben gerne etwas. Aber es gibt auch die Autofahrer, die extra in eine andere Richtung schauen. Aber das ist okay. Keiner hat darum gebeten, dass ich vor ihnen performe“, erzählt Sophia.

Doch das Geld, das sie mit den Auftritten an der Ampel verdient, reicht nicht. „Die Artistenausbildung dauert drei Jahre, doch ich weiß nicht, wie lange ich es mir noch leisten kann“, sagt Sophia. Hauptberuflich Zirkusdarstellerin werden möchte sie nicht. Sie befürchtet, sonst den Spaß daran zu verlieren. „Ich habe mir gedacht, wenn nicht jetzt, wann dann. Nach der Uni ist man so ungebunden und frei, also warum nicht mal eine Zirkusausbildung machen“, sagt sie. 

Stefanie Witterauf

Foto: Alexander Jesipow

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Keine professionellen Models, keine gestellten Fotografien: Fotodesign-Student Andreas Schreiner möchte mit seinem neuen Projekt weg von der Modefotografie

Weg von der Modefotografie: Für sein neues Projekt sucht der Fotodesign-Student Andreas Schreiner, 23, Menschen, die sich von ihm fotografieren lassen. Dabei ist egal, ob „Maurer, Möbelpacker oder Muezzin. Ob groß, klein, dick, dünn, schwer oder leicht“, sagt Andreas. Auf seinen Post auf Facebook meldeten sich viele Freiwillige, die sich von Andreas ablichten lassen wollen. Die Porträts sollen die Protagonisten in einer natürlichen Weise abbilden – am Arbeitsplatz, am Küchentisch, beim Eisessen oder in einem Nachtclub. Wichtig ist, dass die Bilder möglichst nicht gestellt wirken. Da Andreas’ Schwerpunkt Modefotografie ist, arbeitet er oft mit professionellen Models zusammen. „Jetzt möchte ich ein bisschen weg von rein gestellter Fotografie“, sagt Andreas. Seit dem Start vergangene Woche macht er täglich zwei Fotos. Die besten Fotos möchte Andreas im Sommer ausstellen.  

Stefanie Witterauf

Foto: Christoph Leibiger

Der Wut-Nomade

Georg Raab beschloss, aus Protest gegen die hohen Mieten wohnungslos zu sein – er musste das Projekt aber bald beenden

München – Laut Statistik ist München die teuerste Stadt Deutschlands. Wegen der hohen Mietpreise ist es nicht einfach, bezahlbare Wohnungen und WG-Zimmer zu finden. Besonders für Studenten. Das machte den Akademie-Studenten Georg Raab, 27, wütend und trieb ihn zu einem ungewöhnlichen Protest an: Er entschied sich, wohnungslos zu sein. Mehrmals in der Woche wechselte er seinen Schlafplatz und kam im Gästezimmer von Bekannten und Freunden unter. Zehn Wochen lang, dann hielt es Georg nicht mehr aus. Nun hat er sich ein WG-Zimmer an der Münchner Freiheit genommen.

SZ: Bis vor ein paar Tagen warst du freiwillig wohnungslos. Warum?
Georg Raab: Von Ende März bis jetzt hatte ich keine eigene Wohnung mehr. Ich hatte zur Zwischenmiete in einer Zweier-WG in Obergiesing gewohnt und musste raus, weil der eigentliche Mieter von seinem Erasmus-Semester wiedergekommen ist. Für Anfang April wurde mir ein WG-Zimmer am Rotkreuzplatz zugesichert. Drei Tage bevor ich umgezogen wäre, kam dann die Absage.

Kurz: Du hattest einfach keine Wohnung mehr. Wo ist der Protest?
Meine Wohnsituation in München war noch nie einfach, seit ich vor vier Jahren zum Studieren hergezogen bin. Aber jetzt bin ich einfach wütend geworden und habe aus Protest beschlossen, ohne Wohnung, dafür frei in einer besetzten Stadt zu leben.

Du hast nur zweieinhalb Monate durchgehalten. Ein sehr kurzer Protest.
Ich wollte meinen Protest bis Juni durchziehen. Doch dann habe ich gemerkt, dass ich einfach einen Rückzugsort brauche. Die ganze Zeit war ich damit beschäftigt zu überlegen, wo ich die nächste Nacht schlafen kann. Ich konnte mich nicht mehr auf die Sachen konzentrieren, die ich machen wollte. Selbst die nomadischen Völker haben ein eigenes Zelt. Einen Ort für sich.

Aber wie viel Protest kann das sein, wenn du auf Kosten anderer gelebt hast – für die sind die Mietpreise bestimmt auch kein Klacks?
Es war eine Kurzschlussreaktion. Mein Konzept war nicht super durchdacht, deswegen musste ich auch abbrechen. Aber manchmal muss man einfach Sachen machen und nicht zu viel überlegen. Wenn man alles verkopft, dann ist man oft verkrampft.

Hast du dich nicht wie ein Schmarotzer gefühlt?
Die Leute, die mich bei sich wohnen haben lassen, machten das ja freiwillig. Klar habe ich mal sauber gemacht, bin einkaufen gegangen oder habe den Müll rausgebracht.

Mit dem Wegfallen von der Miete hast du auch eine Menge Geld gespart …
Ich hatte nicht wirklich mehr Geld. Ich arbeite drei- bis viermal die Woche als Kellner, ohne Miete musste ich weniger arbeiten und konnte das Geld in meine Kunstprojekte stecken. Ein besseres oder dekadenteres Leben hatte ich nicht.

Aber was bringt Protest, der nicht auffällt? Dokumentierst du die Aktion?
Ich finde es affig, nur Fotos von den Wohnungen zu zeigen, in denen ich Unterschlupf gefunden habe. Es wird eine Arbeit zu dieser Zeit geben, aber wohl erst Ende des Jahres. Wie genau, weiß ich noch nicht.

Welche Reaktionen gab es?
Es haben viele Freunde und Bekannte mitbekommen, die haben mich in ihr Gästezimmer eingeladen. Am Anfang gab es auch negative Kommentare, ich würde Leute ausnutzen und auf deren Kosten leben. Aber darum ging es die ganze Zeit ja nicht.

Worum dann?
Es kann doch nicht sein, dass man mehr als die Hälfte seines Einkommens für die Miete ausgeben muss. Wenn die Preise weiter steigen, dann wird München ein unbewohntes Reichen-Ghetto. Mit Wohnungen, die als Kapitalanlagen gekauft werden – nicht, um darin zu leben. Ich will nicht mit dem Finger auf andere Leute deuten, sondern weiterdenken. Sobald man etwas hinnimmt, ist es gegeben. Dagegen wehre ich mich gerade. Auch wenn ich jetzt wieder ein WG-Zimmer habe.

Was ist passiert, wenn du niemanden gefunden hast, bei dem du auf der Couch oder im Gästezimmer schlafen konntest? Ab unter die Brücke?
Das wäre für meinen Protest wohl konsequenter gewesen, aber dazu fühle ich mich noch nicht bereit. Ich wusste immer, wen ich anrufen kann, wenn alle Stricke reißen.

Protest im Wattebausch? Bist du gescheitert?

Nein. Ich wollte nicht zeigen, dass München scheiße ist, sondern dass der Wohnungsmarkt schwierig ist. Ich war in den zehn Wochen viel unterwegs und habe viel erlebt. Gerade beobachte ich, dass sich viele Menschen heutzutage von der Außenwelt abgrenzen, sich im eigenen Nest verschanzen und stundenlang vor dem Fernseher sitzen. Das will ich nicht. Und doch habe ich gemerkt, dass jeder eine Rückzugsort braucht.

Stefanie Witterauf

Foto: Lorraine Hellwig


Zur Wohnsituation in München

Wohnen trotz München: Es gibt einige Aktionen gegen die Lage auf dem Mietmarkt

Um den vielen verzweifelten Studenten, die in München eine WG suchen, eine zusätzliche Pinnwand zu bieten, hat das Magazin Mucbook die Facebook-Gruppe „Wohnen trotz München“ gegründet. Aktuell verfolgen mehr als 14 500 Menschen die Gesuche. Den Namen der Gruppe hat auch den Münchner Musiker Philipp Röder zu einem Song animiert. Aus Protest hat er das Lied „Wohnen trotz München“ auf Youtube gestellt und medienwirksam über den „Tango auf dem Wohnungsmarkt“ gewettert – bei weitem nicht die einzige Aktion in München.
Studenten der LMU campierten 2013 im Lichthof der Uni. „Wenn wir nirgends unterkommen, müssen wir uns eben hier nach einem Schlafplatz umsehen“, erklärte damals Judith Städele vom Bündnis „Studis gegen Wohnungsnot in München“. Kunststudentin Johanna Müller versuchte es hingegen mit Humor. Sie schickte handgeschriebene Briefe an Makler und Vermieter, versehen mit dem Hinweis, viel in Kauf zu nehmen für eine Wohnung: Sei der Vermieter etwa ein Tierliebhaber, so lege sie sich auch gerne einen Dackel zu und benenne ihn nach dem Wohnungsbesitzer. Ein unmoralisches Angebot konnte man 2013 in den Kleinanzeigen entdecken: Dort boten angeblich zwei junge Männer ein billiges WG-Zimmer in Schwabing an. Die Bedingung: Sex. In Wahrheit war das Ganze ein Fake, eine Protestaktion einer jungen Frau, die täglich 100 Kilometer pendeln muss, weil sie in München keine Wohnung fand.  

MBR

Mein München – Großmarkthalle

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Was für Lorraine Hellwig Sehnsucht bedeutet? Mal aus München rauszukommen, sich vom Fernweh packen zu lassen. Ihre Fotos zum Thema “München-eine Sehnsucht” sind noch bis Ende des Monats in unserer Ausstellung im Farbenladen zu sehen.

Lorraine Hellwig, 22, ist in München geboren und aufgewachsen. Als typisches Münchner Kindl sieht sie sich jedoch nicht, ihre Eltern kommen aus dem Saarland und Niedersachsen. Immer wieder holt sie das Fernweh ein. Die Erinnerungen an einen Road-Trip durch die nördlichen Länder Dänemark, Schweden, Finnland, Estland, Lettland und Litauen vergangenen Sommer haben ihre Sehnsucht, aus München mal rauszukommen, noch mehr verstärkt. „In der Hochschule stand mit Edding an eine Wand gekritzelt: Sehnsucht ist die einzige Antriebskraft. Sie gibt dir immer Energie weiterzumachen“, sagt Lorraine. Ihre Fotos sind noch bis Ende Mai an den Wochenenden im Farbenladen des Feierwerks (Hansastraße 31) bei der SZ-Ausstellung „München – Eine Sehnsucht“ zu sehen.  

Stefanie Witterauf

Foto: Lorraine Hellwig