Wortgewalt und Lagerfeuerstimmung – So war der zweite Samstag im Farbenladen

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Die Sonne strahlt mittenrein in den Farbenladen und lange Schatten werfen sich auf den Boden. Die Augen der Besucher lösen sich von den 100 Porträts an diesem Samstag des zweiten Wochenendes der Ausstellung 10 im Quadrat nur für die musikalischen und literarischen Gäste, die, so muss man anmerken, auch vor einem sehr intimen Publikum überzeugen. 

Das Lieblingsbild ist noch nicht ausgesucht, doch vorerst bleibt dafür auch keine Zeit. Johannes Lenz schweigt als Poetry Slammer und tritt als Rapper ohne Beat auf. Doch ob mit oder ohne, Wortgewalt mit Rhythmus, Reim und Rock’n’Roll ist Sprechgesang. Seine Augen streifen die eines jeden Zuhörers, er  macht München eine kleine Liebeserklärung und gesellt sich draußen zu den Rauchern, um die letzten Sonnenstrahlen abzufangen. 

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Beim Fototalk mit Fotografin Julia Schneider und Schauspieler Leonhard “Lenny” Hohm geht es um die Wur… ähh..Nudel! Julia ist verantwortlich für die Portraits, bei der die Models eine Spaghetti im Gesicht haben. Und wie nicht anders zu vermuten, kam ihr diese Idee beim Kochen. Was das Ganze aber in einer Ausstellung soll, fragt sich nicht nur der ein oder andere Besucher, auch Julia ist hin- und hergerissen. Die Fotos entstanden in besonderer Atmosphäre – quasi in einem Weinkeller mit Kamin, den sie als Studio benutzt. Leonhard Hohm findet die Idee zur Ausstellung wunderbar, “weil Menschen aufeinander treffen, die sich sonst nicht begegnet wären”. Er spricht sich für eine bessere Verbindung zwischen Münchens Kreativen aus – ein Wunsch, der in den letzten Monaten schon von vielen Künstlern ausgesprochen wurde. 

Nikolaus Wolf betritt die Mitte des Farbenladens und obwohl die Auftrittsfläche eingerahmt ist von Lautsprechern und Mikrofon, greift er nur zur Akustik-Gitarre. Seine Stimme verleiht dem Ausstellungsraum eine goldene Färbung, die Akustik ist besser als in so manchem Proberaum. 

Danach wird die Kunst gewechselt: Alisha Garmisch thront nun auf einem Barhocker, liest von Weltuntergang und ausgestochenen Augen, während hinter ihr die Porträtierten eine Nudel im Gesicht haben (Kommentar des Models “Lenny” dazu: “Die stinken!”). Alisha wird abgelöst von Rahmatullah Hayat, der sich experimentell an Lyrik wagt, die durch geräuschvolles Knacken und Zischen auffällt. 

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Zum Abschluss gibt auch Paul Kowol ein akustisches Intimkonzert, der am Tag zuvor nebenan im Feierwerk den Einzug ins Finale des Sprungbrett-Wettbewerbs geschafft hat. Mit seiner Setlist auf einem Kuchenpappteller erzeugt er Lagerfeuerstimmung und bleibt dem Singer-Songwriter-Motto “Ein bisschen Herz, ein bisschen Nuscheln” treu. 

Das Rahmenprogramm drehte sich an diesem zweiten Samstag der Ausstellung um Bild und Stimme, geradezu auf akustische Geräusche und der natürlichen Umgebung reduziert zeigte es, wie Wortgewalt die Zuschauer in jeder erdenklichen Form – von Rap bis Lyrik – einnehmen kann. 

Text und Fotos: Sandra Will

Studentenbude statt Fernsehbühne

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Musik, Chili und Weißbier-Bowle: Xavier Darcy spielt auf Einladung der Junge-Leute-Seite ein WG-Konzert in Milbertshofen. Am Schluss steht er in einem Kreis aus tanzenden Leuten

Auf dem Boden steht ein kleines Pedal, es ist an einem einzelnen Kabel angeschlossen. Es ist ein Stimmgerät und alles, was Xavier Darcy an Equipment dabei hat an diesem Abend in einer WG in Milbertshofen im Münchner Norden. Mehr braucht er auch nicht, denn mit seiner rauchigen Stimme und den Gitarrenklängen spielt er sich schnell ins Herz aller Anwesenden. Schlussakkord, in einem hohen Bund gegriffen und aus dem Publikum kommt Anerkennung. „Der letzte war geil“, lobt einer der Zuhörer.

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Um 19 Uhr geht es los, alle Gäste haben sich vorbildlich pünktlich in der WG von Anna Achhammer, 20, und Katharina Edlbauer, 20, eingefunden. Schon im Hausflur hängt eine Karikatur, mit der die Nachbarn auf das WG-Konzert, das die Junge-Leute-Seite der SZ vermittelt hat, aufmerksam gemacht werden. Die WG selbst: voller Postkarten mit Sprüchen, im Durchschnitt schlauere, als man sie in anderen Wohnungen oft findet. An den Wänden Zeichnungen, im Zimmer eine Fotoserie von Erwin Wurm. Nudelskulpturen. Daneben eine Gitarre und ein Klavier. Im Flur hängt eine Dartscheibe und es wird fleißig gespielt, allerdings ist die Automatik kaputt und niemand zählt mit. Aber hier nimmt man so etwas nicht so genau, wie beim veganen Chili, das mit einem Klecks Joghurt verfeinert wird.

Auch Xavier Darcy nimmt es mit der Uhrzeit nicht so genau, um 19 Uhr ist von ihm noch nichts zu sehen. Letztendlich taucht er eine halbe Stunde zu spät auf. Macht ja nichts, Hauptsache er ist jetzt da. Gitarrenkoffer auf dem Rücken, kein Equipment – aber es gibt ja nicht mal eine Bühne. Das Konzert findet im Zimmer von Anna statt. Das Bett wurde extra ins Wohnzimmer gestellt und ein Stuhl in der Ecke ist für den Musiker vorgesehen. Ein Stuhl? Für Darcy? Man wird sehen. Darcy legt los mit seinem bekanntesten Song, „Cape Of No Hope“, am Anfang A cappella. Das Publikum sitzt größtenteils auf dem Boden, aber Darcy hat gar nicht daran gedacht, seinen Stuhl für mehr als seine Jacke zu benutzen. Schnell wird klar, warum: Wer die exzentrischen Moves des Sängers kennt, erwartet eine Performance im Stehen. Fast ein bisschen eng ist es für Darcy, der in jüngster Zeit an immer größere Bühnen gewöhnt ist und im Februar sein Debüt-Album veröffentlicht. Bei der TV-Show „Inas Nacht“ war er zu sehen, auch bei „Mein Song – deine Chance“ mit Rea Garvey. Und zu Anfang wissen wohl weder er, noch das Publikum, wie sie in dieser ungewohnten Atmosphäre miteinander umgehen sollen.

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Das Eis bricht irgendwo zwischen dem ersten Glas Wein und dem Moment, in dem alle tanzend durch den Raum hüpfen. Auch eine Nachbarin aus dem Haus ist da, sie hat die Ankündigung im Flur gesehen und einfach mal vorbei geschaut. Der syrische „Bruder“ von Anna, der bei ihren Eltern wohnt, der jüngste unter den Anwesenden, hat sich herausgeputzt mit Hemd. Mitten im Erzählen wechselt Darcy von Deutsch zu Englisch, seiner Muttersprache. „Nach dem ersten Glas Wein schrumpft mein deutscher Wortschatz“, gibt er zu. Und Carmen, die Spanierin, ruft: „Das kenne ich!“ Man versteht sich eben. Nach ein bisschen Alkohol noch viel besser, und Sprachen sind völlig nebensächlich.

Nachdem man ein bisschen warm geworden ist, stehen endlich alle auf zum Tanzen. Da spielt Darcy eigentlich schon den letzten geplanten Song. Aber das kann jetzt keiner akzeptieren, eine kurze Raucherpause wird genehmigt und danach geht es weiter, bitte schön! Das muss man Xavier nicht zweimal sagen, und am Schluss steht er in einem Kreis aus tanzenden Leuten, nur mit einer Gitarre und seiner Stimme. Irgendwann ist das Konzert vorbei, aber der Abend noch lange nicht. Mit Wein und Bier und etwas, das sich Weißbier-Bowle nennt, lässt es sich gut bis spät über die Münchner Musikszene diskutieren. Dart-Pfeile fliegen weiter, Carmen und Anna verabreden sich zum Spieleabend und zum Schluss geht es für viele weiter in die Glockenbachwerkstatt – Darcy ist da natürlich auch dabei.  

Text: Marina Sprenger

Fotos: Anna Achhammer

Band der Woche: Alisha Prettyfields

Unplugged als Format wurde einst von MTV ins Leben gerufen und hat sich inzwischen etabliert. Singer-/ Songwriter wie Alisha Prettyfields zelebrieren die unverstärkte und unverzerrte Musik. 

Kurz vor Weihnachten ereignete sich eine dieser schön absurden Fehlinszenierungen der Popmusik: Der Stuttgarter Kuschel-Rapper Cro trat unplugged in der Münchner Olympiahalle auf. Unplugged wurde als Format einst von MTV erfunden, um die Musik von Bands, die normalerweise alles andere als unverstärkt auftreten, in einem intimen Klang erscheinen zu lassen. Aus den Effektgeräten ausgestöpselt sollte die Musik dabei auf ihre Essenz heruntergebrochen werden und im skelettierten Klang ihre nahbare Schönheit abseits großer Pop-Inszenierung zeigen. Nun, selbst das legendäre Unplugged-Konzert von Nirvana 1994 war zwar alles andere als uneingestöpselt, aber immerhin verzichtete man damals auf Verzerrer, und das Schlagzeug wurde mehr gestrichen als geschlagen. Und das Cello – natürlich zusätzlich in die vormaligen Rocksongs hineinarrangiert – gab dem Ganzen noch einen sinnlichen Anstrich. In der Olympiahalle trat Cro natürlich weder intim noch unplugged auf, schon die große Halle als Ort vereitelt diesen Plan im Kern und höhlte den unplugged-Begriff aus. 

Das Label unplugged gebührt heute vielmehr den vielen Songwritern, die meist mit Akustik-Gitarre und großteils in eher zarteren Tönen versuchen, in der Musikszene anzukommen. Doch auch wenn der Songwriter-Stil in den vergangenen Jahren durch meist bärtige amerikanische Männer wie Devendra Banhart oder allen voran Bon Iver auch ein wenig in den großen Hallen angekommen ist, findet sich der Großteil der Szene immer noch an anderen Plätzen. Denn der große Vorteil des Unplugged-Spiels ist der minimale technische Aufwand, der zum Konzertieren nötig ist. In kleineren Cafés etwa ist manchmal nicht einmal ein Mikrofon vonnöten. Das ist gleichzeitig auch ein Nachteil: Denn damit ist der zeitgenössische Großstadt-Songwriter der meist unbezahlte Nachfolger des Barpianisten, der durch Live-Musik unauffällig für eine wohlige Atmosphäre sorgt, aber definitiv nicht im Mittelpunkt des abendlichen Geschehens steht. Dieses Problem nimmt auch die Münchner Songwriterin Alisha Prettyfields wahr. „Ich persönlich finde es echt schade, dass man als Singer-Songwriter zu wenig honoriert wird“, sagt sie, es sei für einige selbstverständlich, dass die Musiker umsonst auftreten. Die Gitarristin und Sängerin, die bürgerlich Alisha Schönfelder heißt, macht seit 2013 unter diesem Namen Musik, ihr damaliger „Herzschmerz“ hatte sie dazu gebracht, die ersten Songtexte zu verfassen. Seitdem schreibt sie ruhig-melancholische Gitarrensongs, die eher die düstere Seite der Liebe betonen, aber dennoch auf wohlige Art hörbar bleiben. Bisher hat sie ihre eigenen Songs und dazu Cover-Versionen von Naheliegendem wie Bon Iver und Überraschendem wie der Punk-Band Rancid im Internet veröffentlicht. Vor Auftritten habe sie sich bisher eher gedrückt, sagt sie. Doch das soll sich 2017 ändern. Deshalb nimmt sie nun am Samstag, 21. Januar, am „Emergenza Bandcontest“ im Münchner Backstage teil.

Das ist noch so eine Besonderheit der Songwriter. Da ihre Art, Musik zu schreiben, eher unkomplizierter ist, als das bei Bands der Fall ist, vermitteln sie oft etwas Unkapriziöses und Zurückgenommenes. Und der Musikmarkt ist bei so einer Haltung oft harsch – jemand, der nicht auffällt, wird nicht wahrgenommen. Doch Alisha, die Kinder-Bildung und -Erziehung studiert, hat eine Ruhe, die der Musik gut tut. Und dann gibt es ja als leuchtendes Beispiel auch immer noch die Selfmade-Königin der Songwriterinnen: Aimee Mann, deren Platten einst kein Label herausbringen wollte, bis sie es selbst in die Hand nahm und wunderbar gelassene und gleichzeitig tief berührende Lieder veröffentlichte – ziemlich erfolgreich.  

Text: Rita Argauer

Foto: Monaco Sessions

Band der Woche: Jules

60 Konzerte spielt Jules im Jahr. Oft ganz intim in irgendeinem Wohnzimmer in Deutschland. Jetzt sollen mehr Menschen von ihrem außerordentlichen Talent erfahren. Sie arbeitet an ihrer Debüt-Platte – ein Best-of-Album.

Best-of-Alben sind nichts für junge Künstler. Und schon gar nicht eignen sich diese retrospektiven Reste-Rampen als Debüt-Album. Doch die Münchner Sängerin und Songwriterin Julia Nagele veröffentlicht nun ein erstes Album, das gleichzeitig auch so etwas ist wie der Katalog ihrer bisherigen gesammelten Werke. Die erprobt sie immerhin schon seit Teenager-Zeiten und präsentiert sie in mehr als 60 Konzerten pro Jahr. Auch dafür hat sie sich ein besonderes Format ausgedacht: die professionalisierte WG-Jamsession. Zum dritten Mal ist sie nun schon auf eine Wohnzimmer-Konzert-Tournee durch unzählige Privat-Behausungen der Republik gefahren. 

Julia Nagele, die sich als Musikerin Jules (Foto: Christopher Klaus) nennt, vermischt dabei auf funktionierende Weise Do-it-Yourself-Kultur mit dem Konzept eines professionellen Musikerlebens. Das beginnt bei ihrer Ausbildung. Denn anders als so viele schön singende Teenager entschließt sich Julia nach dem Abitur tatsächlich zum Gesangstudium. Erst an der Munich Jazz School, mittlerweile studiert sie Jazz-Gesang an der Musikhochschule Mannheim. Doch mit dem akademisierten Jazz-Betrieb hat die Musik, die sie selbst macht, nichts zu tun. Die klingt zunächst einmal handgemacht. Sparsam instrumentiert mit ein wenig Percussion, Klavier und Akustik-Gitarre schreibt sie seit Jahren kontinuierlich Songs, die gut und leicht hörbar sind und sich in jedem Kaffeehaus gut machen würden. Doch die Qualität dieser Musik zeigt sich dann in der detailreichen Harmonik, die Julia mit ihrer Jazz-geschulten Stimme und in intelligenten Arrangements unauffällig aber tiefenwirksam in ihre Musik zu packen vermag. Das ist etwas, das man nicht in den Open-Stage-Sessions der Stadt lernt, sondern nur durch eine stete Konfrontation mit den eigenen musikalischen Grenzen. Um das zu erkennen, dafür ist die Do-it-Yourself-Musikerin Julia jedoch akademisch genug, wenn sie etwa über ihr Musikhochschulstudium sagt: „Ich stoße dabei täglich an meine Grenzen, deshalb ist es manchmal auch erschöpfend. Meistens ist es aber einfach interessant, was es alles zu entdecken gibt, was Musik alles bedeuten kann und wie unterschiedlich der Umgang mit ihr ist.“ Besonders spannend sei für sie jedoch, wie sich die Charaktere der einzelnen Musiker in ihrem Spiel widerspiegeln. Und damit reißt Julia die Musik zurück in den subjektiven Ausdruck, der ihr ebenso vertraut ist.

Und nun soll es also – nach langem Musizieren in verschiedensten Formationen – endlich ein Album mit ihrer Musik geben: „Das Album ist ein Sammelwerk der vergangenen sechs Jahre und beinhaltet Lieder über das Leben, die Liebe, die Reise aus dem Nest sozusagen.“ Der etwas verschwimmende und allgemeine Posten, den sie mit dieser Aussage bezieht, ist bei Julia aber ebenso in ihre Ästhetik eingeschrieben wie ihre Art, diese glatte Oberfläche immer wieder ganz subtil zu verziehen. Das zeigt sich schon darin, mit wie vielen verschiedenen Musikern sie für dieses Album zusammen gearbeitet hat. Den Kern bilden Jan Dittmann am Kontrabass und Julian Losigkeit am Schlagzeug, hinzu kommen Bläser und sogar ein Streichquartett. Um die Produktion, die Veröffentlichung und die Konzerte kümmert sich Julia aber – ganz dem Underground entsprechend – wieder alleine. Um ihr Debüt-Best-of-Album zu finanzieren, hat sie dafür ein Crowdfunding-Projekt initiiert, das unter www.startnext.com/jules noch bis Sonntag, 22. Mai, läuft. Dass sie als Gegenleistung für die Finanzierung unter anderem Wohnzimmerkonzerte anbietet, verwundert dabei überhaupt nicht. 

Text: Rita Argauer

Von Freitag bis Freitag München – Unterwegs mit Matthias

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Grau ist auch dann keine Farbe, wenn man sie mit Astra-Bier und dem guten 3-Euro-Wein von Tengelmann vermischt – findet zumindest Matthias. Weil an Urlaub wegen diverser Unifristen gerade gar nicht zu denken ist, schaut er sich stattdessen im Café Kosmos Urlaubsfotos von Russen auf der Krim an oder wartet darauf, dass ein selbsternannter Magier beim Munich Magic Slam einen weißen Hasen oder seine Brieftasche verschwinden lässt. Ob der auch den Unistress verschwinden lassen kann?

Ende Februar. Das Münchner Wetter macht seinem Namen mal wieder überhaupt keine Ehre. Gab es da nicht vor ein paar Wochen erst eine Statistik, nach der München die sonnigste Stadt Deutschlands ist? I call it Bullshit. Ich mein, das graue Wolkengedöns am Himmel sieht ja schon sehr flauschig aus, nur wirkt das von unten nicht so wirklich einladend. Und: Grau ist keine Farbe. Wer das behauptet, hat keine Ahnung. Zumindest will ich heute etwas über Farbe lernen – deshalb ich geh zur Semesterausstellung von der IFOG Akademie. Titel ist passenderweise: Farbe. Heute ist  die Vernissage, und als Zuckerl gehen die Erlöse an einen guten Zweck. Ich kann mir zwar eh nichts leisten – aber dafür ist der Eintritt umsonst.

Urlaub soll ja bekanntlich helfen gegen die Alltagsbetrübtheit. Urlaub in besetzten Gebieten, zum Beispiel. Wobei, besetzt stimmt ja nicht – ging ja alles mit rechten Dingen zu auf der Krim! Das erinnert mich daran – ich muss noch meine Arbeit als Putintroll in Rechnung stellen…anyway. Die Russen wussten nämlich lange vor der Ukrainekrise, dass man an der Krim superb entspannen kann. Blöd, dass der Begriff Ballermann mittlerweile einen anderen Unterton bekommen hat. Fotograf Jonas Nefzger war auf jeden Fall in Yalta und hat Urlaubsfotos gemacht – die Austellung beginnt heute im Café Kosmos. Da geh ich auf jeden Fall hin. Astra-Bier an den Stränden von Yalta – wie damals Winny Churchill und Kollegen. Pervers.

Heute lass ich das Wetter Wetter und die Hausarbeit Hausarbeit sein und mache nichts. Rein gar nichts.

Farben, Fotos und Flaschenwein haben mich immer noch nicht aus dem grauen Blau meines Ende-Winter-Blues reißen können. Vor allem schaltet sich die Uni mal wieder dazwischen – so einige Hausarbeiten stehen halt schon noch an. Aber die bringen mich nicht wirklich zum Lachen, und darauf hab ich heute Bock. Also auf zur Freiheit, wo Peter Fischer mit einer neuen Mixed Show an der Start geht. Kabarett ist zwar alte Schule, aber großer Spaß – die SZ beschreibt Fischers Texte als komödiantisch-sarkastisch und gesellschaftskritisch. Solange er über HIV und einvernehmlichen Sex singt, kann ich damit leben – soll ja keiner sagen, die Kombination gäbe es nicht! Ich lache auf jeden Fall gut – schöne monatliche Sache.

Gewissensbisse. Die Deadlines an der Uni kommen näher. Ich brauche einen Plan. Am besten einen perfiden Plan, wie ich die Deadlines umgehen kann. Wieder ein fehlerhaftes Word-Dokument abschicken? Nein, der Trick zieht nicht mehr. Ehrlich sein? Ha! Ich raff mich auf und geh mal in die Bibliothek. Warum kann nicht heute die Lange Nacht der aufgeschobenen Hausarbeiten sein? Es macht einfach viel mehr Spaß, mit anderen Verzweifelten gemeinsam nichts zu tun – und sich dabei einzureden, man wäre ja ach so elitär. Ich mein, wer besucht denn freiwillige Uni-Veranstaltungen spätabends? Zurück zur Hausarbeit – kann ich meine graue Umgebung irgendwie in die Fragestellung einbauen? Mal schauen: Black Consciousness, White Consciousness = Gray Consciousness? Macht Sinn. Check mate.

Eigentlich wäre der Plan noch bösartiger, wenn ich die Hausarbeitsthemen einfach verschwinden ließe? Oder den Professor? Hm. Das könnte auffallen, dann doch lieber gleich den ganzen Lehrstuhl. Aber wie macht man das? Mir fällt spontan David Copperfield ein, aber ich glaube der war kein wirklicher Magier – der hatte nur sehr wenige Freunde früher und musste Kartentricks lernen! Quatsch, eigentlich sind „Magier“ sehr cool – und das bringt mich auch auf eine Idee. Heute ist nämlich Munich Magic Slam, definitiv eine Veranstaltung, von der ich nicht dachte, dass sie existiert. Fünf Magier buhlen um die Kunst des Publikums – wie gesagt, wer etwas verschwindet lässt, hat meine Stimme. Meine Mutter hat immer gesagt, Magier sind Hochstapler – das Einzige, was da verschwindet, sei meine Brieftasche – ach, sind doch alles Klischees!

Siegfried und Roy und Kollegen haben mich beeindruckt – ich hab mir grad bei Amazon das Kleine Buch für kleine Zauberer bestellt, Alterempfehlung 5 bis 9. Ich hab trotzdem Schwierigkeiten, das sieht halt schon einfacher aus als es ist. Ich krieg Hunger. Gut, dass in der WG noch Überreste vom Superbowl rumliegen – wir haben uns halt mal wieder total verschätzt. Während die Hotdogs vor sich hinkochen, sehe ich mich einem meiner größten Angstgegner gegenüber – dem Wurstwasser. Definitiv in meiner Top Drei der abartigsten Dinge überhaupt. Ich will überhaupt nicht auf die Top Zwei eingehen – jetzt brauch ich Ablenkung. Heute Abend steigt die Zweite Auflage von 4×4 Singer/Songwriter unplugged in den BavariaMusikstudios. Essen gibt’s, Trinken gibt’s – und weder das eine noch das andere ist Wurstwasser. Puh – Erleichterung.

Nach schwerer Nacht bringe ich mein Trauma kurzfristig hinter mich – so schnell wird es wohl keine Hotdogs mehr geben. Ich mach heute erstmal nichts – aber Stefi hat heute Abend Geburtstag und da geh ich hin. Zurück ins Café Kosmos, zurück an alte Strände mit bekanntem Bier. Bei zweiter Betrachtung kriegt mein kleiner Kosmos wieder etwas mehr Farbe. Liegt vielleicht an der Sonne auf den Bildern. Oder an der Roten Sonne, zu der wir nach dem Geburtstag weiterziehen? Eigentlich ein neuer Horizont, weil ich den Laden nicht mag. Aber, wenn ein Club den Künstler – Mala – nicht beschreiben kann, „weil Worte aufgrund der Unbeschreiblichkeit wie Speaker in den Clubs unter der Wucht ihrer Bass-Granaten zerbröckeln“, dann muss das gut sein. Oder triple-gut, wie die Kollegen von jetzt.de sagen würden. Na, dazu sag ich jetzt mal nichts. Obwohl, doch: Wer Sprache so misshandelt, kotzt mich an. Nein, halt, neuer Begriff. Das kirscht mich an. Over and out.

Sophie und Chris

Sie produzieren Elektro-Songs, die eigentlich Singer-Songwriter-Stücke sind: Das Duo Sophie und Chris kommt  aus musikalisch unterschiedlichen Richtungen,die die beiden miteinander kombinieren.

José Gonzáles’ herzzerreißende Akustik-Gitarren-Version von „Heartbeats“ hat mittlerweile den gleichen Kultcharakter wie das Original. Der Elektro-Pop-Hit des schwedischen Duos The Knive, der auf dem schmalen Grat der Club-orientierten Ballade tanzt, offenbart seine Songqualität zur Gänze in dieser akustischen Coverversion: Sein Skelett ist ein klassisch schöner Pop-Song, der mittels elektronischem Gewand modernisiert wurde. Eine ganz ähnliche Bewegung macht das Münchner Duo Sophie und Chris (Foto: Luisa von Witten/ LVW). Unter ihren schlichten Vornamen produzieren die beiden Elektro-Songs, die eigentlich Singer-Songwriter-Stücke sind.
 Ihre musikalische Beziehung begann ganz pragmatisch: Der DJ Chris Siebler entdeckte Sophie Kronfellners Musik im Internet – und fragte die Sängerin, ob sie ihm ihre Stimme für einen Remix, an dem er gerade arbeitete, leihen würde. Doch zum Glück blieben sie nicht in dieser tradierten Rollenverteilung, vielmehr begannen sie, ihre verschiedenen musikalischen Qualitäten in Jam-Sessions zusammen zu werfen. Beide haben schon länger Musik gemacht: Sophie spielt Klavier und Gitarre und bewegte sich damit im Singer-Songwriter-Milieu, Chris spielt diverse Blasinstrumente, produzierte seine Musik aber elektronisch. Doch innerhalb des vergangenen Jahres schrieben die beiden eine EP zusammen: Sophies klare Stimme wird dabei um harte und zum Teil ganz schön wilde Beats ergänzt. Es rumpelt, bleibt im Rhythmus stecken, kreischt mit wilden Synthies, bevor sich ein fließender Sound durchsetzt und Sophies Stimme den Raum bekommt, sich entfalten zu können. Doch das sind Gegensätze, die durchaus gewünscht seien, wie Sophie erklärt. Denn: Dadurch würden sich die sonst etwas beschränkten Möglichkeiten der Songwriter-Musik erweitert. Eine Ergänzung, die nicht nur in eine Richtung funktioniert: elektronischer Musik fehlt oft die Dramaturgie von Pop-Songs – etwas, das Sophie in Chris’ Musik recht unkompliziert einfließen lässt.
 Neuentdeckungen, Unvoreingenommenheit und den Umgang mit den verschiedenen Einflüssen verarbeiten die beiden gerade zu einer „Serie“ von Songs. Als Teil der Soundcloud-Generation orientieren sie sich nicht mehr so stark an traditionellen Formen wie einem Album, sondern an der Set-orientierten Zusammenstellung, die man auch von DJs kennt. Doch als sie im vergangenen Jahr auf dem Utopia Island Festival das erste Mal live auftraten, war das eine traditionelle Band-Erfahrung, die sie unbedingt bald wiederholen möchten.  Rita Argauer

Stil: Elektro-Pop/Singer-Songwriter
Besetzung: Sophie Kronfellner (Gesang, Songwriting), Chris Siebler (Produktion)
Aus: München
Seit: 2014
Internet: soundcloud.com/sophie-chris

Maria Rui (Weltmusik, Singer-Songwriter)

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Jahr: 2013, Woche: 52

Die Naturwissenschaften brachten Maria Rui von Porto nach München – hier studiert sie Luft- und Raumfahrtechnik an der Technischen Universität. Und begeistert nun als portugiesische Songwriterin die Musikszene der Stadt.

Weltmusik ist ein furchtbarer Begriff. Aus einer westlich geprägten Sicht wird dabei alles über einen Kamm geschoren, was sich nicht in den bekannten musikalischen Kontext drücken lässt. Doch selten passte der Weltmusik-Begriff besser als auf die portugiesische Songwriterin Maria Rui (Foto: Max Alberti). Sie vermischt Stil und Ausdruck aus verschiedensten Teilen der Erde, ohne die Folklore unangenehm nach vorne zu drücken und zu einem Image zu verbraten. In Porto aufgewachsen, begann sie mit acht Jahren ein Jungstudium am dortigen Konservatorium, das sie allerdings abbrach, um sich der Mathematik und der Physik zu widmen. Die Naturwissenschaften brachten sie dann nach München – hier studiert sie Luft- und Raumfahrtechnik an der Technischen Universität.
Doch in München gibt es Uni-Chöre, und Maria begann wieder zu musizieren. Seit diesem Jahr taucht sie nun regelmäßig in der Münchner Szene auf. Sie begleitet sich mit der Akustik-Gitarre und singt auf Portugiesisch. Schon die Sprache klingt etwas fremd, und auch musikalisch arbeitet sie mit Harmonien, die das westliche Ohr weniger gewohnt ist. Dazu mischt sie jazzige Latin-Rhythmen, doch letztlich bleibt die Musik auf ihre dunkle Stimme fokussiert, mit der sie es schafft, Bedeutungsebenen zu öffnen, die abseits des Sprachverständnisses liegen. Ein Lebensgefühl zwischen südländischer Leichtigkeit und einer gewissen Melancholie ist das.
In Münchens Szene bekommt sie mittlerweile Unterstützung: Phil Vetter engagierte sie als Support, nachdem sie ihre erste EP Sangue Aventureiro veröffentlicht hatte. Und manchmal spielt sie mit Max „Murxen“ Alberti, dem Schlagzeuger von Jamaram zusammen. Für die kommenden Konzerte im Januar (eines im Münchner Milla und eines in Berlin) hat sie noch weitere Mitmusiker engagiert und tritt im Quartett auf. Rita Argauer

Stil: Welt-Musik-Songwriter.
Besetzung: Maria Rui: Gesang, Gitarre + Gäste.
Aus: München.
Seit: 2013.
Internet: www.facebook.com/mariaruimusica.

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Rita Argauer ist die Musik-Expertin der Junge-Leute-Seite. Sie ist nicht nur ständig auf der Suche nach neuen Münchner Bands und deswegen in den Clubs dieser Stadt unterwegs. Sie kennt die Szene auch von der anderen Seite: Sie singt und spielt Keyboard in der Band Candelilla.

Band der Woche: Julia Nagele

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Die außergewöhnliche Stimme von Julia Nagele verliert sich nicht
im Akustik-Genre, sondern wird immer wieder unter anderen Aspekten
hörbar. Die 21-jährige Münchnerin kennt man aus der spannenden
Singer-Songwriter-Szene der Stadt.

Musik machen, schön singen und Klavierunterricht haben – das
gehört zum bildungsbürgerlich-guten Ton. Musik zum Lebensinhalt machen,
den Beruf wählen und sich auf den unsicheren Künstlerpfad begeben
erfordert Mut. Julia Nagele, die sich als
Musikerin Jules nennt, hat sich für die Musik als Beruf entschieden. Die
21-jährige Münchnerin kennt man eigentlich aus der
Singer-Songwriter-Szene oder mit ihrer Band Jules & Dices. Oft tritt
sie bei den regelmäßigen Sessions im Import-Export auf, die sie
mitorganisiert. Ihre weiche und trotzdem soulige und volle Stimme
besticht. Diese Stimme stellt sie in den Mittelpunkt ihrer Musik. Sie
wird zum Fixpunkt und gibt Julia die Freiheit, zwischen Genre und Stil
zu wechseln. Für ein Jazz-Studium pendelt sie derzeit zwischen München
und Mannheim – aber die Songwriter-Szene möchte sie trotzdem nicht ganz
hinter sich lassen. Und so ergeben sich spannende Konstellationen:
Gerade ist sie auf Tour – und spielt in fast jeder Stadt in einer
anderen Besetzung: In München kann man sie ganz klassisch mit Gitarre,
Bass und Schlagzeug erleben, in Würzburg dagegen tritt sie nur mit
Saxophonisten und Keyboarder auf.

Die Flexibilität die sie – auch durch ihr Studium – bekommt, tut der
Musik gut. Ihre außergewöhnliche Stimme verliert sich nicht im
Akustik-Genre, sondern wird immer wieder unter anderen Aspekten hörbar.
Gerade arbeitet sie an einem Album – es bleibt nur zu hoffen, dass sie
diese Vielseitigkeit darauf festhalten kann. Am Sonntag, 24. März spielt
sie im Stemmerhof in München.

Stil: Singer-Songwriter / Pop / Jazz / Soul
Besetzung: Julia Nagele.
Aus: München.
Internet: http://soundcloud.com/julianagele

Foto: Christopher Klaus

Von: Rita Argauer

Sarah Sophie (Singer-Songwriter)

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Von der Theaterbühne in die Musikwelt

Ihr Weg ging über das Theater. Und das mag einleuchten, so illustrativ ist die Musik der Songwriterin Sarah Sophie. Ihre Musik ist für sie eine Abbildung, sie beschreibt das, was sie beschäftigt – und stellt es als ihr Innerstes dar. Das scheint gefährlich zu sein in einer Popwelt, die sich so sehr auf postmodernes Augenzwinkern verlässt; in der Doppelcodierungen so überpräsent sind.

Im Theater ist das Darstellen direkter als in der Musik. Durch das Theater kam die Münchnerin überhaupt erst zur Musik: sie wollte auf die Bühne, landete in einem Musiktheaterprojekt, nahm plötzlich mehr Gesangsunterricht als Schauspielunterricht. Und dieses Können verbaut sie nun in ihren Songs: „Confessions“, die erste Single, beschreibt schonungslos das Scheitern einer Beziehung. Ohne Firlefanz, ohne Ironie, ohne Reflexion: Sie wirft sich mit Haut und Haaren in ihre Musik, wie die Schauspielerin in eine Rolle. Doch manchmal taucht ein musikalischer Kontrapunkt auf, bildet doch eine dünne Fläche der Doppeldeutigkeit: Wenn das Klavier ein wenig an Kurt Weill erinnert, wenn man Sarah Sophies Stimme ihre Schauspielerfahrung anhört, wenn sie den Text, den sie singt – ähnlich einem Theatertext – auch spielt.

Gerade wird ihre erste EP von 2010 wiederveröffentlicht; ihr Label hat nun einen größeren Vertrieb gefunden. Und sonst plant sie – die ihre Songs derzeit live zusammen mit einem Beat-Boxer umsetzt – sobald wie möglich neue Songs im Studio aufzunehmen.

Von Rita Argauer