Auch Punkrocker können melancholisch werden

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Beim zweiten „Freundschaftsbänd“-Abend der Junge-Leute-Seite covern sich neun Münchner Bands gegenseitig – mit tollen Einfällen und einem Stepptänzer, der den Beat vorgibt.

„Ich bin verliebt“, sagt Andy Keymer, Sänger und Gitarrist der Band Lester, und er sieht aus, als meint er es ernst. Gerade hat Alisha Prettyfield aus seinem Deutsch-Punk-Song „Manöverkritik“ einen melancholischen Song nur mit Akustikgitarre als Begleitung gemacht. Es ist nicht das einzige Mal an diesem Abend, dass sich Gegensätze gegenüberstehen.

Zum zweiten Mal findet der „Freundschaftsbänd“-Abend im Cord statt, veranstaltet von der Münchner Plattenfirma „Flowerstreet Records“ und der Junge-Leute-Seite der Süddeutschen Zeitung, bei dem sich neun Münchner Bands gegenseitig covern. Die Unterschiede zwischen Interpretationen und Originalversionen, die teils bis zur Unkenntlichkeit voneinander abweichen, sind vor allem für die teilnehmenden Bands spannend. „Bei dem Bekanntheitsgrad wird man ja sonst eher nicht gecovert, das ist schon cool“, sagt Karin Lischka, eine der Sängerinnen der Lischkapelle. Ihren Song „Just Like That“, den sie im Februar samt Video veröffentlicht haben, hat gerade Julia Kautz in eine sanfte Ballade verwandelt. Eigentlich wäre dafür Sarah Sophie zuständig gewesen, doch die musste kurzfristig wegen Krankheit absagen. Einen Tag vorher wurde fieberhaft nach einem Ersatz gesucht, und mit Julia eine Musikerin gefunden, die über Nacht dem Song von Lischkapelle ihre eigene Note verliehen hat.

Die Kontraste sind stark, bei vielen Coverversionen sind nur noch grundlegende Harmonien und Strukturen erhalten, während der Rest kaum wiederzuerkennen ist. Genau dieses Spiel mit Gegensätzen macht aber auch für die Bands den Reiz des Konzeptes aus. Das sagt eigentlich jeder der Musiker, die zwischen den Auftritten interviewt werden. Dazu passt die Atmosphäre im Cord perfekt, die sich laut Elisa Teschner, Sängerin der Band Eliza, nach Wohnzimmer anfühlt. „So ist man viel weniger aufgeregt“, sagt sie. Mit ihrer Band hat sie gerade „Snow Covered Fields“ von Singer-Songwriter Nikolaus Wolf gecovert und in eine mit vielen Effekten verdichtete Alternative-Pop-Version verwandelt. Aus dem Ein-Mann-Song wird ein ganzes Bandarrangement.

Der stärkste Gegensatz und auch die größte Überraschung für diejenigen im Publikum, die Swango noch nicht kannten, ist deren Cover von Alisha Prettyfields „Lights Out“. Swango besteht aus einem Gitarristen, einem Rapper und – kein Scherz – einem Stepptänzer. Auf einem extra verstärkten Brett tanzt er den Beat zu dem Text, den Dan aka Manekin Peace mit seinem Flow in etwas komplett Neues verwandelt.

Ein Novum für den Abend ist die Band Die Sauna, die Indie-Rock spielen und direkt mit Swangos „I Don’t Wanna Work Today“ weitermachen. Sänger Matthias Berg singt einfach lieber auf Deutsch, also hat er den Text von Swango „durch den Google-Übersetzer gejagt“ und daraus einen Song gemacht, der ohne Zweifel ins Programm der Band passen könnte.

Bei manchen Coverversionen aber wird weniger mit Gegensätzen, als vielmehr mit gemeinsamem Nuancen gearbeitet. Zum Beispiel, wenn Lost Name den Song „Castle In The Air“ von Eliza spielt. Eliza erzeugen viel Atmosphäre in ihrer Musik, und auf die gleiche Art und Weise nimmt Andreas Langhammer, Sänger und Gitarrist, den Song auf und verleiht ihm seine eigene Note. Die atmosphärische Dichte entsteht bei ihm durch den Einsatz von Loopern, die seiner Akustik-Gitarre jeden Anklang von Singer-Songwriter nehmen und gemeinsam mit Drums und Drum-Pad Elizas Song nicht in eine andere Sprache, sondern nur einen anderen Dialekt übersetzen. Auf die Frage, wie er den Song von Lost Name interpretieren würde, sagt Wolfgang Stefani von Eliza nur: „Eigentlich genauso. Nur halt mit E-Gitarre.“

Zum diesjährigen Freundschaftsbänd-Fotoalbum geht’s hier.

Und einen Mitschnitt zum Song Snow covered fields

von Nikolaus Wolf, gecovert von ELIZA, gibt’s hier zu sehen.

Text: Marina Sprenger

Foto: Robert Haas

Balladen als Death Metal-Version

„Freundschaftsbänd“: Auf Einladung der Junge-Leute-Seite und des Indie-Labels Flowerstreet Records

covern sich nächsten Samstag neun Münchner Bands gegenseitig.

Die Silhouetten der Musiker spiegeln sich in den großen Fensterscheiben. Scheinwerfer und die volksfestgleiche Beleuchtung des Cord Clubs tauchen Bühne und Zuschauerraum in einen Mix aus rotem und violettem Licht. Über die Lautsprecher erklingt der Song „Finally Alone“ von Claire Jul. Doch statt wie sonst Keyboard und Drumcomputer sind Gitarre und Cajon zu hören, die Komponistin des Songs steht vor der Bühne und filmt den Auftritt mit ihrem Smartphone. Denn gerade interpretiert Flonoton den Song der Electropop-Sängerin auf seine ganz eigene Weise.

Neunmal gibt es diese Szene so oder so ähnlich an dem Abend. „Freundschaftsbänd – ein Abend der Bändfreundschaften“ lautet das Motto des Konzerts, das von der Junge-Leute-Seite der Süddeutschen Zeitung zusammen mit dem Münchner Indie-Label Flowerstreet Records veranstaltet wird.

Das Konzept ist einfach: Jede der neun Bands, bunt gemischt aus allen Genres, spielt zwei Songs. Erst covert sie den Song der vorherigen Band, dann spielt sie einen eigenen, der dann wiederum für die nächste Band zur Neuinterpretation freigegeben wird. So hört man jeden Song zweimal – mit insgesamt 18 Originalen und Coverversionen ist der Abend gut gefüllt.

Einen Song zu covern, ist für die meisten Künstler nichts Neues. Viele Bands starten ihre Karriere als Coverband, und zu Übungszwecken hat nahezu jeder Musiker bereits die Songs anderer Bands nachgespielt. Doch „wenn man ein Lied nicht nur covert, weil man es cool findet, sondern man die Person, die es geschrieben hat und es sonst performt, auch noch kennt, das ist dann noch ein bisschen schöner, ein bisschen persönlicher“, sagt Singer-Songwriter Florian Saur alias Flonoton, der Claire Juls Song für seine Version sogar ins Deutsche übersetzt hat. „Normalerweise covert man ja seine eigenen Heroen oder seine gerne-spezifischen Sachen“, fügt Andreas Keymer hinzu, der mit seiner Band Lester bei der nächsten Ausgabe des Freundschaftsbänd den Song eines anderen Künstlers in eine energiegeladene Punkrock-Nummer verwandeln wird, „doch hier bekommt man einfach einen Song vor den Latz geknallt, den man nicht kennt. Das ist viel lustiger.“

Am Samstag, 29. April, dreht sich das Cover-Karussell wieder. Von 20 Uhr an stehen im Cord Club erneut neun Bands auf der Bühne, die sich gegenseitig neu interpretieren. Mit dabei ist auch die Bavaro-Indie-Truppe LischKapelle. Gitarrist und Sänger Andreas Torwesten freut sich am meisten auf die Coverversion seines eigenen Songs. „Das ist eigentlich das Herrlichste, weil es sicher ganz speziell wird, im Publikum zu stehen und den eigenen Song in einer komplett anderen Version zu hören.“ 

Selbst gecovert zu werden, ist für die meisten Bands ein Novum. „Das ist sehr spannend. Gerade in unserer Liga ist das was, was eigentlich noch nicht vorkommt“, sagt Florian Saur. Deshalb ist Andreas Torwesten „der Band, die unseren Song erwischt hat, auch dann nicht böse, wenn sie eine Death Metal-Version davon spielen“.

Noch immer hält sich das Gerücht, dass sich aufgrund des Konkurrenz- und Erfolgsdrucks in der Münchner Szene eine Art Ellenbogengesellschaft gebildet habe, dass die Bands eher gegeneinander arbeiten als füreinander. Auch damit möchten die Künstler an dem Abend aufräumen. „Ich hatte noch nie das Gefühl, dass unter den Bands Ungunst herrscht“, sagt Andreas Torwesten, und Florian Saur bemerkt: „Wir schieben uns gegenseitig die Gigs zu und tun uns auch mit dem Fahren zusammen. Das wäre überhaupt nicht der Fall, wenn die Leute so ein Ellenbogendenken hätten.“

Ganz im Gegenteil: So ein Abend dient auch dazu, neue Bandfreundschaften zu schließen. Zwar trifft man sich in der Szene immer wieder auf gemeinsamen Konzertabenden und lernt sich so kennen, „wenn du aber gegenseitig deine Songs coverst, dann kommst du dir schon noch ein bisschen näher“, sagt Schiwani Kakor, die das letzte Freundschaftsbänd-Konzert begeistert als Zuhörerin verfolgt und sich auch die zweite Ausgabe schon fest im Terminkalender eingetragen hat. „Dadurch, dass du von einer anderen Band einen Song coverst, fällt einfach diese Hürde total weg, bis du ins Gespräch kommst. Du bist einfach gleich auf einer Ebene“, sagt auch Michael Rieder, der als Singer-Songwriter Nikolaus Wolf am zweiten Freundschaftsbänd-Abend für sanfte Gitarrentöne sorgen wird. Neben Lester, LischKapelle und Nikolaus Wolf werden auch noch die Singer-Songwriter Sarah Sophie, Lost Name und Alisha Prettyfield sowie die Indie-Rocker von Die Sauna, die Folkband Eliza und die HipHop-Stepptanz-Combo Swango auftreten. Michael Wolf von Monaco Sessions wird zusätzlich für eine Videoaufnahme des Abends sorgen. In welcher Reihenfolge die Künstler jedoch spielen, und wer wen covert, bleibt bis zuletzt geheim. 

Freundschaftsbänd – ein Abend der Bändfreundschaften mit Alisha Prettyfield, Die Sauna, Eliza, Lester, Lischkapelle, Lost Name, Nikolaus Wolf, Sarah Sophie und Swango. Cord Club, Sonnenstraße 18, München. Beginn: 20 Uhr. Eintritt: 7 Euro.

Text: Maximilian Mumme

Foto: Jean-Marc Turmes

Von Freitag bis Freitag München – Unterwegs mit Philipp

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Sommerloch? Philipp lässt sich weder von diesem alljährlich beschworenen Phänomen noch von der weiter andauernden Hitze davon abhalten, das Münchner Nacht- und Kulturleben zu erkunden. Auch wenn selber radeln schon fast zu heiß ist, geht es am Samstag zur Vorstellung des Dokumentarfilmes Pedal the World, am Sonntag in die HypoKunsthalle in die Keith Haring-Ausstellung und am Montag zur AOK Bladenight. Natürlich darf auch die Musik nicht fehlen: Theatron und Kong stehen auf dem Plan. 

Freitag, 14. August:
Es ist mitten im August. Sommerloch. Dementsprechend langweile ich mich zu
Tode. Ok, die Bundesliga-Saison würde anfangen, aber welcher Student kann sich
schon SKY leisten? Also zur Abwechslung selber draußen Fußball spielen? Besser
als der HSV kann ich das allemal – aber zu heiß, zu anstrengend. Also vertrödle
ich den Tag mit engagiertem Nichts-Tun. Abends erwachen aber dann doch die
Lebensgeister in mir und ich fahre ins Kong, wo unter dem Motto „Lost in Paradise“ die DJs Rafael Da Cruz, Nino Langguth und Pauls Artists auflegen.  Schlussendlich ist es sowieso interessanter
abends auszugehen als das Auftaktspiel anzuschauen. Schließlich konnte man
schon letztes Wochenende beobachten, dass sich die Bayern nicht übermäßig
anstrengen, wenn sie gegen Amateur-Mannschaften spielen.

Am Samstag
schlafe ich erstmal in aller Ruhe aus, vorausgesetzt es ist soweit abgekühlt,
dass sich die Studentenstadt nicht schon vormittags um neun zum Backofen
entwickelt hat. Nach einem eher ereignisarmen Tag, fahre ich abends an den
Olympiasee. Dort stellt
der erst 23 Jahre alte Felix Starck
seinen Dokumentarfilm „Pedal the
World
“ vor, der zeigt, wie er mit seinem Fahrrad eine mehr als 18000
Kilometer lange Tour durch 22 Länder gemacht hat. Ich bin ob der
atemberaubenden Bilder beeindruckt und radle danach immer noch unter dem
Einfluss des Filmes demonstrativ energisch zurück nach Hause. Leider filmt
keiner mit.

Nachdem ich die letzten Tage eindeutig zu intensiv über
Fußball nachgedacht habe, möchte ich den Sonntag
wieder für kulturelle Unternehmungen nutzen. Ich entschließe mich die
Ausstellung über Keith
Haring in der HypoKunsthalle
zu besuchen. Haring war ein politisch sehr
engagierter Künstler, der für Gleichberechtigung und besonders im Kampf gegen
AIDS sehr präsent war. Leider wird er heutzutage primär auf lustige, bunte
Männchen reduziert. Die Ausstellung hat sich zum Ziel gesetzt, diesem Eindruck
entgegen zuwirken und wieder den politischen Künstler in den Fokus zu rücken.
Und Haring provozierte besonders durch – man kann es nicht anders sagen – einer
wahnsinnigen Dichte an Gewalt – und Penissen. Diese Konstellation findet sich
auch in der Ausstellung wieder. Wenn man die Galerie durchquert hat, tritt man
dann in den Fanshop und dort kann man wirklich jeglichen vorstellbaren Krempel, bedruckt mit lustigen, bunten
Männchen kaufen. Von politisch-motivierten Penissen nichts mehr zu sehen. Die
Welt ist schlecht.

Nach der bitteren Erkenntnis am Ende des gestrigen Tages,
beschließe ich, mich am Montag nicht
mit politischen Themen zu belasten. Bundesliga ist aber nicht mehr und obwohl
ich mich als gebürtiger Freiburger dieses Jahr brennend für die zweite Liga
interessiere, will ich mir das Elend am Abend zwischen Nürnberg und 1860
„In-5-Jahren-besser-als-Barcelona“ München nicht antun. Deshalb mache ich mal
etwas, das ich seit Jahren nicht mehr gemacht habe: Inlineskaten! Bei der AOK Bladenight
fährt man mit zahlreichen gleichgesinnten über abgesperrte Münchner Straßen.
Und wer keine Blades hat, kann sich vor Ort sogar kostengünstig welche
ausleihen.

Am Dienstag habe
ich einen Muskelkater, schließlich war ich wahrscheinlich das letzte Mal
Inlineskaten, als die Löwen noch hübschen und erfolgreichen Fußball gespielt
haben. Inspiriert von einem Artikel
auf der SZ Junge Leute Seite der letzten Woche, besuche ich den Münchner Item Shop. Dort wird
allerlei Nerd-Zubehör verkauft und es ist wahrlich mal an der Zeit, dass ich
mir ein neues Lichtschwert kaufe. Oder so einen handlichen Hammer von Thor.
Oder ein Batmobil. Ich brauche nämlich dringend ein neues Batmobil!

Vollkommen pleite aber bereit für den Kampf gegen das Böse,
beginne ich dann auch den Mittwoch.
Nach einem ausgiebigen Frühstück, bei dem ich den Bacon mit meinem Lichtschwert
brate (Nimm
das, Ted Cruz!)
, verbringe ich einen ruhigen Tag im Englischen Garten. Und
abends geht es auf’s Theatron, das heute mit einem besonderen Highlight
aufwartet: Neben Weltuntergänge
und Beatstalker, ist die
Münchner Rapperin Taiga
Trece
ist zu sehen – und gegen multilingualen Hip Hop habe ich nun wirklich
nichts einzuwenden! Zumal es gratis ist, mein Geldbeutel ist schließlich immer
noch sehr strapaziert…

Am Donnerstag
passiert … nichts. Nach der vollgepackten Woche brauche ich tatsächlich mal
wieder einen Tag Freizeit, um mich physisch, psychisch und finanziell etwas zu
konsolidieren. Je nach Wetter mache ich das im Englischen Garten oder im Kino.
Oder daheim im Bett.

Das Theatron hat es mir angetan, coole Acts in angenehmer
Atmosphäre und eine spektakuläre Location im Herzen des Olympiaparks. Logisch,
dass ich am Freitag noch einmal
hingehe, besonders bei diesem Programm! Nachdem am Mittwoch alles sehr Hip Hop-lastig,
wird der Abend heute eher ruhig – Folk steht auf dem Programm. Und zwar nicht
so weichgespült, wie das letzte Mumford&Sons-Album – die Könige aller
Hippster – sondern authentischer. Außer auf Oda&Sebastian
und Sarah Sophie freue
ich mich auf die Young
Chinese Dogs
, über die wir auch schon mehr als
einmal berichtet haben
und die unsere Band des Jahres waren!  Hingehen lohnt sich hier also.

Philipp Kreiter

Foto:

Moritz Ossenberg-Engels

Sarah Sophie

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Mit ihrer Musik beweist Sarah Sophie Mut zum Anderssein. Das zeigt schon der Albumname „Different“: Ihre Songs sind zeitlos, hetzen keinen Trends hinterher. 

Sarah Jakubsche lässt sich Zeit. Im schnelllebigen Pop-Geschäft ist das ungewöhnlich. Nicht nur, dass man sich das Aufspringen auf aktuelle Trends verspielt, wenn man derart lange an einem Album arbeitet. Auch mit der medialen Aufmerksamkeit hat man sich es irgendwann verscherzt, ganz abgesehen von einem – hoffentlich wachsenden – Konzertpublikum, das regelmäßig gefüttert werden will. Doch Trends sind in Sarahs Musik sowieso recht nebensächlich, die Zeitlosigkeit mit der sie unter dem schlichten Namen Sarah Sophie (Foto: Stefan Klitzsch) ihre Songs schreibt, ist eine der Stärken ihres ersten Albums, das sie Anfang Februar veröffentlicht hat.

Ihr eigentliches Debüt, die EP „Looking for Perception“, erschien bereits 2012 auf „In Bloom Records“. Und in der Zeit, in der ihre damaligen Labelkollegen Exclusive zwei Alben veröffentlicht und einen Major-Deal an Land gezogen haben, tüftelte Sarah Sophie an gerade mal einem Album. „Different“ hat sie es genannt, und ja, anders ist diese Musik. Anders etwa als es die experimentelle Besetzung vermuten ließe: Klavier und Frauenstimme, dazu ein E-Gitarre und ein Beatboxer. Doch mit Hip-Hop hat die Musik ebenso wenig zu tun wie mit Rock. Sarahs Lieder reihen sich eher zu den Songwriterinnen, die in den Neunzigerjahren mit einer hingebungsvollen Ernsthaftigkeit viel erfolgreicher waren, als solche Musik jetzt ist: Fiona Apple etwa, die sich irgendwann sehr gelungen ins sehr Experimentelle verabschiedet hat. Oder Aimee Mann, die schmeichelnd fiese Texte sang, während Tori Amos über die Jahre immer mehr seltsame Popkünstlichkeit angesammelt hat. Die Musik von Sarah Sophie ist ebenfalls glatt produzierter Pop. Das Beatboxing von Timo Eckmüller alias Trash Beatbox fügt sich als sanfter Elektrobeat in den Sound aus Klavier und Gitarre, der ihre Stimme schmeichelnd in den Vordergrund stellt.

Sarah textet autobiografisch. Wie echt das wirklich ist, ist bei Kunst im Generellen schwer einschätzbar, doch Sarah Sophie fordert in den Texten auf „Different“ immer wieder dazu auf, mit dem Spiel der Falschheit und der Verstellung aufzuhören. In einer Zeit, in der selbst große Popproduktionen im Grad der Überinszenierung Opern um nichts mehr nachstehen, ist das gewagt, weil es im Kontext von so viel Spiel und Theater zwangsläufig etwas naiv wirkt. Doch andererseits federt sie das durch die Zeit- und Trendlosigkeit ihrer Musik wunderbar ab. 

Rita Argauer 

Stil: Pop / Songwriter 

Besetzung: Sarah Jakubsche (Klavier, Gitarre, Gesang), Amadeus Böhm (Gitarre, Background-Gesang), Timo Eckmüller (Beatbox) 

Aus: München 

Seit: 2011 

Internet: www.sarah-sophie.de

Sarah Sophie (Singer-Songwriter)

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Von der Theaterbühne in die Musikwelt

Ihr Weg ging über das Theater. Und das mag einleuchten, so illustrativ ist die Musik der Songwriterin Sarah Sophie. Ihre Musik ist für sie eine Abbildung, sie beschreibt das, was sie beschäftigt – und stellt es als ihr Innerstes dar. Das scheint gefährlich zu sein in einer Popwelt, die sich so sehr auf postmodernes Augenzwinkern verlässt; in der Doppelcodierungen so überpräsent sind.

Im Theater ist das Darstellen direkter als in der Musik. Durch das Theater kam die Münchnerin überhaupt erst zur Musik: sie wollte auf die Bühne, landete in einem Musiktheaterprojekt, nahm plötzlich mehr Gesangsunterricht als Schauspielunterricht. Und dieses Können verbaut sie nun in ihren Songs: „Confessions“, die erste Single, beschreibt schonungslos das Scheitern einer Beziehung. Ohne Firlefanz, ohne Ironie, ohne Reflexion: Sie wirft sich mit Haut und Haaren in ihre Musik, wie die Schauspielerin in eine Rolle. Doch manchmal taucht ein musikalischer Kontrapunkt auf, bildet doch eine dünne Fläche der Doppeldeutigkeit: Wenn das Klavier ein wenig an Kurt Weill erinnert, wenn man Sarah Sophies Stimme ihre Schauspielerfahrung anhört, wenn sie den Text, den sie singt – ähnlich einem Theatertext – auch spielt.

Gerade wird ihre erste EP von 2010 wiederveröffentlicht; ihr Label hat nun einen größeren Vertrieb gefunden. Und sonst plant sie – die ihre Songs derzeit live zusammen mit einem Beat-Boxer umsetzt – sobald wie möglich neue Songs im Studio aufzunehmen.

Von Rita Argauer