Band der Woche: Atlataş

image

Der Sänger der Türk-Pop-Band Kafkas Orient Bazaar ist nun auch Solo unterwegs. Im Alleingang nennt sich Attila Atlataş und es klingt wie eine Homage an die Neunziger. 

Vor gar nicht allzu langer Zeit, also schon im zweiten Jahrzehnt des neuen Jahrtausends, passierte auf einer Punkparty etwas, das noch in den sogenannten Nullerjahren undenkbar gewesen wäre. Es war ein Konzert mit dem üblichen Deutsch-Punk-Geschramme, dessen musikalische Melodieverweigerung die politische Aussage und Ernsthaftigkeit der Band unterstützte, vor einem dort üblichen Publikum, das die Aggression der Musik in aggressives, aber nicht unfreundliches Pogo-Getanze übersetzte.

Schlussapplaus, ein paar Zugaben, dann kam der DJ. Und mit ihm „Barbie Girl“, „Boom Boom Boom“ und „Macarena“. Und die Punks, die konnten die Texte. Eigentlich klar, denn als Euro-Dance angesagt war, waren sie Teenager oder Kinder und Radiostationen bestimmten in diesen Prä-Stream-Zeiten noch vehementer, was der Mensch so hörte, auch wenn er es vielleicht gar nicht hören wollte. Aber sie konnten nicht nur „I want you in my room“ auf die Kaugummi-Stimme in „Boom Boom Boom Boom“ reimen, sie machten das auch noch mit Freude, frei nach dem Motto, ein bisschen Vengaboys haben nach so viel Politisierung noch keinem geschadet.

Ein wenig ist das Projekt von Attila von Thermann die Konsequenz dieser Entwicklung. Denn der Sänger der ohnehin etwas eigenwilligen Münchner Indie-Rock-Band Kafkas Orient Bazaar, verhilft dieser alternativen Salonfähigkeit der eigentlich in die Ewigkeit der Ballermann-Geschmacklosigkeit verdammten Euro-Dance-Ästhetik zu neuem Glanz. Atlataş heißt Attilas Elektro-Projekt, das in seiner Ernsthaftigkeit weit von dem entfernt ist, was man mal Elektro-Trash nannte, und in seiner liebevollen Detailarbeit eher an Youtube-Hits wie „Kung Fury“, diese zeitgenössische Adaption der Martial-Art-Ästhetik der Achtzigerjahre, erinnert. Da geht es nur bedingt um Ironie und da geht es auch nicht darum, zu zeigen, dass man etwas ordentlich verballhornen möchte. Es geht um den liebevollen Blick, der die Mainstream-Pop-Ästhetik der eigenen Jugend neu erfahrbar macht.

Attila, der die letzte Veröffentlichung von Kafkas Orient Bazaar noch mit dem Kurzgeschichtenband „Tiefer“ flankiert hatte, entwirft also nun zwei Jahre später eine glatte Oberfläche, die aber wegen dieser spürbaren Liebe berührt (die Susan Sontag vielleicht als „camp“ beschreiben würde). „Ich wollte das Projekt auch bewusst stimmlich anders angehen als Kafkas Orient Bazaar, viel poppiger“, sagt er, der dazu als Duett-Partnerin die Sängerin Leonie gewinnen konnte und mit dem Produzenten Norman Kolodziej zusammenarbeitete, der in der norddeutschen Elektro-Punk-Szene etwa für die Sound Bratze verantwortlich ist. Attila habe mit diesem Projekt den „Neunzigerjahren das Lächerliche“ nehmen wollen. Und das ist ihm gelungen, gerade weil er eben nicht mit erwachsenem und entwachsenem Abstand auf diese Zeit schaut, sondern sich kopfüber in den Strudel aus Plastik-Pop und Nintendo-Sounds wirft. So klingt vieles hoch, etwa die Synthesizer im Song „Like and Sleek“, in dem selbst die Snare-Drum des programmierten Schlagzeugs fast völlig ohne Frequenzen im Bass-Spektrum auskommt. Doch die Inbrunst, mit der Attila singt, die Euphorie der gewählten Akkorde und Harmonien, all das taucht den Klang, der auch aus den Mini-Lautsprechern eines Gameboys kommen könnte, in ein heimeliges Licht. Die Single „Like in July“ setzt dann mit etwas mehr Fülle noch mehr aufs bekannte Euro-Dance-Schema.

Dass Attila trotzdem kein Teenager mehr ist, das zeigt sich in feinem Humor, mit dem er die EP, ein wenig an die Türk-Pop-Experimente von Kafkas Orient Bazaar angelehnt, „Mini Albüm“ getauft hat. 

Stil: Euro-Dance-Revival / Neunzigerjahre-Liebe
Besetzung: Attila von Thermann (Programmierung, Gesang), manchmal Gastmusiker
Seit: 2013
Aus: München
Internet: www.atlatas.com

Von: Rita Argauer

Foto: Konsch In The Boondocks

Band der Woche: Oh Girl!

image

Wenn die Fotografin Verena Vötter Musik macht, nennt sie sich Oh Girl!. Ihre Musik ist genauso süß, wie der Name es vermuten lässt und bleibt dabei doch immer authentisch.

Es wirkt fast ein bisschen despektierlich. Oh Girl! nennt sich die Fotografin Verena Vötter als Musikerin. „Oh, Mädchen, was hast Du Dir noch dabei gedacht?“, hallt es ermahnend im Kopf nach, wenn man diesen Künstlernamen liest. „Oh, Girl, da ist Hopfen und Malz verloren“, klingt das erzieherische Besserwissertum und das didaktische Gefälle, das in dieser Phrase liegt. Mädchen, diese schon im Wort angelegte Verniedlichungsform, die unangemessen für eine junge, aber erwachsene Frau zu sein scheint, wie es Verena ist. Doch das Niedliche prägt das Bild, das Frauen heutzutage gerne von sich verkaufen – egal wie alt sie sind, ein Schuss Kleinmädchenhaftigkeit findet sich fast überall. Doch es gibt einen Weg das umzudrehen: Vorgemacht hat das gerade Beyoncé in ihrem aktuellen Video zu „Formation“. Da wird der booty-shakende Gruppen-Formationstanz von Sexyness zum Erreichen einer tatsächlich bedrohlich wirkenden, starken Frauengruppe transferiert – Verena Vötter wählt als Oh Girl! einen gegenteiligen Weg, der aber einen ähnlich beschützendem Effekt hat.

Denn bei Oh Girl! ist alles süß, bei Oh Girl! geht es um die Liebe, da ist die Stimme zart und das Gitarrenspiel schön – und Verena, die sich gern beim Kosenamen Neni nennt, zieht das mit einer derartigen Konsequenz durch, dass das Mädchenhafte nicht anbiedernd, sondern fast authentisch wirkt. Sofern man innerhalb der Popmusik überhaupt von Authentizität sprechen kann. Denn auch Verena, die man in München bisher hauptsächlich aufgrund ihrer fotografischen Tätigkeit kannte, kennt sich natürlich mit Inszenierung aus; vor allem mit der Inszenierung von Liebe. Denn der Liebe, die gesellschaftliche Konventionen überspringt, widmete sie ihre Bachelor-Arbeit in Fotografie: Unter dem Titel „it’s love, actually!“ porträtierte sie gleichgeschlechtliche Paare. Und das Thema Liebe, deren Unbedingtheit, findet sich auch in ihrer Musik. Am vergangenen Freitag hat sie dazu eine EP veröffentlicht. „Share your Love“ heißt die, darauf erzählt sie in fünf schlichten Akustik-Gitarren-Songs eine Liebesgeschichte: Vom ersten Track „Lovely Day“ über dunkle Zeiten („Lost“) zu Verdrängung („Don’t say her name“), endet diese Liebes-Konzept-Platte mit dem Titeltrack „Share your Love“, unterlegt von aufbruchsfreudigem Ukulelen-Geschrabbe. Und damit vermischt sich Autobiografie und Kunstkonzept: Denn die EP funktioniert sowohl als dramaturgisch-gedachte Konzept-Ep zwischen Soap-Opera und Düsterkeit, als auch als psychologische Hintertür für Verena selbst: „Ich kann mit keinem anderen Werkzeug Liebeskummer so gut verarbeiten wie mit meiner Stimme und meiner Gitarre“, erklärt sie: „Das Songwriting hilft mir sehr, meine Erlebnisse zu erzählen und auch oder vor allem traurige Geschichten zu verarbeiten.“

Doch ihre Musik verbreitet sich gerade ähnlich, wie sie es von der Liebe darin fordert. Im August vergangenen Jahres hatte sie ihre erste EP veröffentlicht. Zahlreiche Konzerte folgten. Da sich Verenas Musik in ihrer Schlichtheit keinem Stil besonders zuordnet, passt sie auch gut zu diversen Bands, was ihr einige Support-Auftritte für namhafte Künstler verschaffte – unter anderem als Vorgruppe zur Bierzelt-Tour von La Brass Banda. Und für die Produktion ihrer aktuellen EP konnte sie Oliver Anders Hendriksson von den Young Chinese Dogs gewinnen. Fünf Songs, die mal von subtilem Drama zerrissen werden und dann wieder schmeichelnd von positiveren Zeiten erzählen.  

Stil: Akustik / Folk
Besetzung: Verena Vötter (Gitarre, Gesang)
Seit: 2014
Aus: München
Internet: www.soundcloud.com/ohgirl_music

Foto: Christoph Gaertl

Von: Rita Argauer

Band der Woche: Freddy Gonzales

image

Wohldosiertes Drama – Freddy Gonzales, klassisch unterwegs mit seiner Akustik-Gitarre, verzichtet in seinen Songs auf die biographische Ich-Form und singt lieber von Figuren, die etwas erlebt haben. Folk vermengt sich mit wohldosiertem Drama und lässt so etwas Besonderes entsehen, etwas, das Freddy herausstechen lässt aus der kaleidoskopartigen Münchner Musikszene.

Ordnung tut gut. Auch in der Popmusik. Obwohl dort das Chaos und das Anarchische für Neuerungen sorgt, muss Musik gleichzeitig verortbar sein, damit sich Zielgruppe und Musik auch finden können. Das geschieht meist über Labels, die Künstler eines ähnlichen Stils herausbringen. Oder über die Szene und deren Mundpropaganda. Was aber in der Popmusik besonders ist, ist, wie sehr so eine Zuordnung auch über Geografie funktioniert. Berlin steht für einen bestimmten Sound, Hamburg sowieso. Oder Seattle. Die Stadt im Nordwesten der USA, die wie kaum eine andere zum Label für einen Musikstil geworden ist.
München hat da ein Problem, weil es schon länger nicht mehr als Stadt für eine derartige musikalische Eindeutigkeit stehen konnte. Moroder und Munich Disko sind lange vorbei, die Szene ist ein Kaleidoskop. Das ist schön und abwechslungsreich, aber keine Schublade, die als breitenwirksames Genre funktionieren könnte. Doch eines ist hier gerade auffällig: Die große Anzahl an Musikern, die als Solo-Künstler unterwegs sind. Als hätte man sich in der Stadt völlig davon verabschiedet, Bands zu gründen, was vielleicht damit zusammenhängen könnte, dass man für Bands Probenräume braucht und das ist hier kompliziert. Viel weniger kompliziert ist es, im Alleingang mit den Mitteln, die einem unmittelbar zur Verfügung stehen, Musik zu machen. Ob das der Computer ist wie bei der Sängerin Nalan oder die E-Gitarre wie bei Matthew Austin. Der Münchner Freddy Gonzalez ist da noch etwas klassischer: Akustik-Gitarre, aufgelöste Akkorde in Finger-Picking-Technik und einen unüberhörbaren Irish-Folk-Einfluss. Und dennoch hebt sich der Mittzwanziger, der Deutsch studiert und einmal Grundschullehrer werden möchte, von den Teilnehmern der vielen Open-Stage-Sessions, die es in der Stadt gibt, ab. Und das hat einen simplen Grund. Es wirkt, als würde Gonzales die Haltung der Bänkelsänger in aktuelle Popmusik transferieren. Die traten im 19. Jahrhundert in Wirtshäusern und auf Marktplätzen auf und waren so etwas wie eine analoge und gesungene Version eines Boulevard-Blattes. Denn sie berichteten – stets mit einem gewissen Hang zur Dramatisierung – von Geschehnissen, die sie auf ihren Rundreisen erlebt hatten. Auch Freddy Gonzalez spart sich in seinen Songs die autobiografische Ich-Form und singt lieber von Figuren, die etwas erlebt haben. Etwa „Jacky“, ein Song auf seiner ersten EP „Once“, die er im Frühjahr veröffentlicht hat. „Eigentlich gefällt mir der Name Jacky überhaupt nicht“, erklärt er, doch der Klang hätte sich in seinem Kopf mit der Melodie verwoben – also schrieb er diesem Jacky eine Liebesgeschichte, die sich in dem Song in einer Harmonik zwischen Seeräuber-Shanti und Moritat wunderbar abspielen kann. Dass das so funktioniert, verdankt Gonzales auch seinem gewissen Gespür für ein wohldosiertes Drama.
Das Songwriter-Dasein hat für Freddy Vorteile, weil er es genieße, völlig frei über seine Kunst entscheiden zu können. Band-Erfahrung hat er bereits. Denn seine musikalische Laufbahn begann er als jugendlicher E-Gitarrist in einer Pop-Punk-Band. Nachdem er jedoch mit Anfang 20 in England die Band Treetop Flyers gesehen hatte, habe er gewusst, dass er Folk machen will. Und er begann vor drei Jahren, allein zu musizieren. Derzeit spielt er ab und an mit einer Geigerin, außerdem habe er gerade ein Projekt mit anderen Musikern gegründet, in dem er auf Deutsch singen will. Vielleicht generiert er so auch ein neues Label für München: moritatenhafte Texte und Musik, die sich an gerade Populärem orientiert. Ähnlich wie das Bertolt Brecht und Kurt Weill einst für die „Dreigroschenoper“ erfunden hatten.  

Stil: Songwriter / Folk

Besetzung: Freddy Gonzales

Aus: München

Seit: 2012

Internet: www.freddygonzalez.bandcamp.com/

Text: Rita Argauer
Foto:eartrumpet.net

Band der Woche: Ella Josaline

image

Ella Josaline ist vielleicht die größte Pophoffnung,
die München derzeit zu bieten hat. Sie ist gerade einmal 16 Jahre alt und große
Plattenfirmen haben schon ersten Kontakt mit ihr aufgenommen. Ihre erste
Platte zeigt, welch Talent in ihr steckt – und welche Gefahren lauern

Wenn Popmusik funktioniert, veranstaltet sie ziemlich schnell ein Kino im Kopf des Hörers. Da gehen Assoziationen auf, die einen etwa entweder in eine kitschige Jazz-Bar (Norah Jones), auf eine Südstaaten-Veranda (Jolie Holland) oder in einen etwas verdrehten Stadion-Pop-Drogenrausch (Miley Cyrus) versetzen. Das Lebensgefühl, das so an Popmusik gekoppelt wird, ist im gewissen Sinne zwar sehr fiktiv, aber passt gleichzeitig ganz gut zur heutigen Art des Konsums von Populärkultur. Wer sich exzesshaft in die tiefen Fiktionswelten von TV-Serien begibt, baut sich mit Musik auf dem Weg zur Uni oder Arbeit genau diese Fiktion weiter. Je stärker die Musik die eigene Welt in cinemascopegroße Fiktion verwandelt, umso besser. 

Die Münchner Musikerin Ella Josaline Kern verkleidet sich gern. Nicht, dass sie mal als Prinzessin oder als Meerjungfrau auftritt, die erst 16-jährige Musikerin verkleidet ihre Songs und ihre musikalische Persönlichkeit. Und sie hat ein ausgesprochen gutes Gespür dafür, welche Details die Verkleidungen zu der Rolle machen, die sie darstellen will. Und da sie zu diesem Talent noch ziemlich musikalisch ist, eine besondere Stimme hat, die sie vor allem besonders einzusetzen weiß, hat nun eine Musiker-Karriere für sie angefangen – auch, weil sie mit diesen Verkleidungen in der Lage ist, Lebensgefühle bei ihren Zuhörern auszulösen.

Sie ist überschwänglich, wenn sie über ihre Musik redet. Das erklärt, warum es ihr so leicht fällt, den Songs ein überzeugendes und ja, eben erzählendes Gewand zu geben. „Ich habe immer schon Musik gemacht, immer gesungen, als Kind schon Songs geschrieben, Musik ist mein Leben“, sagt sie. Da klingt etwas Absolutes mit, das auch ihre Musik hat. Gerade besucht sie eine Waldorfschule, die sie im kommenden Jahr mit der Mittleren Reife abzuschließen plant. Danach soll dann die Musik zum wirklichen Lebensmittelpunkt werden. Wie das viele junge Musiker derzeit machen, hatte auch Ella Josaline vor einem Jahr damit angefangen, Videos von sich auf Youtube zu stellen; etwa wie sie Damien Rices „Cannonball“ covert. Gerald Huber vom Münchner Label Redwinetunes erkannte ihr Talent und begann, sich der Musikerin anzunehmen. Er stellte sie den wichtigen Menschen in der Szene vor, besorgte ihr Konzerte und organisierte die Aufnahme ihrer ersten Platte. „Ihm habe ich alles zu verdanken“, sagt Ella Josaline, in der für sie eben typischen Hingabe.

Denn von diesem Moment an lief es ziemlich gut für sie. Sie spielte eine Menge Support-Gigs und begann mit den Produzenten Bonifaz Prexl und Nicolas Sierig zu arbeiten. Nun hat sie ihre erste Aufnahme fertig gestellt, die EP „FreEp“, die sie am Samstag, 21. November, im Münchner Ampere bei „Munich Rocks“ vorstellen wird. Und darauf zeigt sie sich in all ihren Verkleidungen fast kaleidoskopartig. Im Opener „Change the World“ präsentiert sie sich als durchaus authentischer moderner Hippie, dessen Stimme über Blues-Harmonien zwischen Entrüstung und Änderungswillen schwankt. Darauf folgt „Free“, immer noch im Hippie-Gewand klingt sie darauf wie eine etwas naive Joni Mitchell, bevor sie in der reduzierten Instrumentierung des deutschsprachigen „Ich will nur“ immer wieder knapp an der Silbermond-Deutschpop-Falle vorbeirauscht. Richtig stark ist sie dann als weiblicher Conor Oberst in „On the Road“ und im folkigen Country-Song „Wondrous Soul“ zur Kontrabassbegleitung. Wenn sie nun im kommenden Jahr beginnt, an ihrem ersten Album zu arbeiten, wird es spannend, welches Kostüm sie darauf für ihre Musik wählt. Denn wenn sie dieses noch ein wenig eindeutiger wird, hat sie vermutlich wirklich gute Chancen, mit der Musik ihr Leben zu bestreiten.  

Stil: Songwriter-Pop

Besetzung: Ella Josaline Kern

Aus: München

Seit: 2014

Internet: www.ellajosaline.com

Rita Argauer
Foto: Fabian Winkler

Band der Woche: Sara Lugo

image

Sara Lugo begann als Backround-Sängerin bei Jamaram, der Band ihres großen Bruders. Mit einer sympathischen Leichtigkeit startet sie nun ihre professionelle Solokarriere. Sie erfindet den Reggae-Pop zwar nicht neu, aber trotzdem ist leicht glimmende Sommer-Musik und Saras unbefangene Art hebt sie von der Masse der Popsternchen ab.

Es gibt sympathische Wege zum Erfolg. Und es gibt Karrieren, bei denen der Künstler am laufenden Band damit beschäftigt ist, seinen Ehrgeiz und seinen Erfolgswillen zu rechtfertigen oder zu vertuschen. Die Münchner Band Cosby erfährt das etwa gerade. Da haben sie nun endlich ein Album, die Musik läuft in der Werbung, Mainstream-Pop vom Feinsten, aber alles in Eigenregie produziert – aber in der Szene werden Stimmen immer lauter werden, denen die Karriere der Münchner allzu gemacht erscheint. Anders die Münchner Reggae-Sängerin Sara Lugo (Foto: Max Alberti). Ganz unerwartet erhöhten sich die Klick-Zahlen auf ihren Youtube-Kanal, mittlerweile haben einzelne Videos die Millionen-Grenze überschritten. Und die Künstlerin hat damit ein Niveau wie die österreichische Band Wanda erreicht, dem Überraschungserfolg des vergangenen Jahres. Umso ungeplanter wirkt die Karriere von Sara, die ihre ersten Band-Erfahrungen als Background-Sängerin bei Jamaram, der Band ihres großen Bruders sammelte. Sie ließ sich anschließend Zeit für ihr erstes Album und hat nun mit „Hit me with Music“, ihrem zweiten Album, den großen Bruder auf der Erfolgsskala überholte und ist ganz ohne großes Aufsehen zur Berufsmusikerin geworden ist.

Welche Pläne sie neben der Musik habe? „Keine“, sagt sie, ihren Job in einem Kindergarten in München-Laim hat sie für die Musik aufgegeben. Denn sie möchte touren, neue Lieder schreiben. Sara hat eine seltsame Art der Unbefangenheit, die sie von den Popsternchen abhebt: „Ich möchte alle Länder dieser Welt bereisen und meine Musik mit so vielen Menschen wie möglich teilen.“ Es ginge ihr nicht darum, berühmt zu sein, sie will die Leute berühren, ihre „Herzen öffnen, ihnen Liebe und Kraft geben“. Ein bisschen klingt das nach christlichen Jugendgruppen und wirkt im überdrehten Pop-Biz über alle Maßen fremd. Und dennoch funktioniert die Musik von Sara Lugo auf einem internationalen Niveau, von dem manch anderer Münchner Künstler nur träumen kann. Sie spielt demnächst eine Frankreich-Tour, die schon fast ausverkauft ist, in Hallen, die jeweils um die 1000 Menschen fassen. Im Oktober tritt sie als Headliner in Costa Rica auf, das Video zur Single „Really Like You“ hat sie in Kingston auf Jamaika gedreht. Und dennoch wirkt sie so gar nicht wie ein ehrgeiziger Pop-Star, sie nimmt den Erfolg ehrlich erfreut, aber auch stoisch genügsam an.

Diese Unbefangenheit findet sich auch in ihrer Musik. Sie will nicht viel damit: Ihr Reggae-Pop ist weder wirklich innovativ, noch versucht sie gerade angesagte musikalische Stile mit einzubauen. Das Album „Hit Me With Music“ ist zwar ein wenig poppiger geraten als der Vorgänger. Es bleibt trotzdem leicht glimmende Sommer-Musik mit Off-Beat-Gitarren, sanftem Rhythmus und ihrer weichen Stimme, die ebenfalls nicht spektakulär ist, mit der Sara aber gelernt hat umzugehen.

Man hört ihr den Gesangsunterricht an. Und man hört ihr an, dass die Leichtigkeit ihrer Musik ziemlich genau geplant ist. Denn sie ist gut eingebettet in ihrer Szene. So arbeitet sie schon seit Jahren dem Produzenten Umberto Echo zusammen: „Was ich an Umberto Echo besonders schätze ist, dass er mir meine künstlerische Freiheit lässt. Ich darf machen, was ich möchte, was ich fühle.“ Für die Live-Umsetzung des Albums hat sie zwei verschiedene Aufstellungen: eine gut besetzte Band, die sie Next Generation Family nennt, und die französische Musikerin Supa Mana als DJ. Je nachdem, in welchem Kontext sie spielt, gibt es Live-Sounds oder eine Turntable-Version. Und dazwischen steht Sara Lugo als ein bisschen von sich selbst überraschter Friedensengel, der der Pop-Welt gerade ein lang nicht mehr gesehenes Gutmenschentum zurückgibt.  

Stil: Reggae-Pop

Besetzung: Sara Lugo (Gesang, Songwriting), live entweder mit Band oder DJ

Aus: München

Seit: 2011

Internet: www.sara-lugo.com

Rita Argauer

Foto: Max Alberti

Band der Woche

image

Seit drei Jahren ist Musiker Kris Karsai jetzt mit seiner Band The Black Bars in den Münchner Clubs unterwegs. Und am Samstag, den 16.5., sind sie auf dem Streetlife-Festival zu sehen. 

Kris Karsai hat keine Angst vor den vermeintlichen Tabus der Pop-Welt: Da dürfen Schwäne durch sein Musikvideo um ein verliebtes Paar herumschwirren, da dürfen Gesten beim Singen benutzt werden, die man zuletzt Ende der Neunzigerjahre gesehen hat. Und da darf ganz offen erklärt werden, dass man die Musik liebt und genau und nur deshalb Musik macht. Viel zu verletzlich, viel zu uncool für Elektro-Clubs und Urban-Outfitters ist diese Haltung. Und gleichzeitig inszeniert sich der Münchner Sänger zu wenig spektakulär, um auf die gleiche Stufe zu kommen wie etwa Wanda, diese abgründige österreichische Neuauflage der Spider Murphy Gang oder der Hipster-Schlagersänger Dagobert. Doch zusammen mit seiner Backing-Band The Black Bars (Foto: Moritz Korsch) macht Kris Karsai Musik, die sich auch wunderbar auf der „Bravo-Hits 1998“ gemacht hätte, und die dennoch funktioniert.
Kris hat einen natürlichen Flow, in dem er Worte auf Melodien legt. Das ist eine schöne Grundvoraussetzung. Dazu hat er ein Timbre, das zwar aus dem Soul kommt, er aber seine Stimme nicht in die Fülle presst, sondern ihr eine gelassene Haltung verpasst: Eine hauchige Kopfstimme, eine kratzige Bruststimme, die nicht viel will und ganz im Reinen mit sich wirkt. Und so spielte er sich mit deutschsprachigen Liedern durch sämtliche Clubs Münchens, seit drei Jahren wird er nun von seiner Band dabei unterstützt. Derzeit hält er sich mit seiner EP „Start Stop Repeat“ immer noch im musikalischen Underground Münchens auf, trat etwa im Import-Export oder in der Glockenbachwerkstatt auf. Doch die kommerziellen Radio-Sender strecken mittlerweile ihre Finger nach dieser Musik aus. So erklärte Energy die Musik im vergangenen Jahr zur urbanen Neuauflage von Selig, nun treten sie am Samstag, 16. Mai, auf der Charivari-Bühne auf dem Münchner Streetlife-Festival auf. Und das ist die Welt, in der Karsai funktionieren dürfte – eben gerade, weil er sich weder einer Hipster-Inszenierung unterwirft, noch besonders komplizierte Musik machen will. Doch er will Musik machen, eher noch, als berühmt zu werden. Deshalb gelingt ihm auch dieser zugängliche Mainstream-Pop, der aber weder in die Beliebigkeit, noch in die Eitelkeit kippt.  

Rita Argauer

Foto: Moritz Korsch

Stil: Soul-Pop
Besetzung: Kris Karsai (Gesang), Clemens Becker (Bass), Sebastian Böhme (Gitarre), Philipp Cording (Keyboards), Nick Hermann (Schlagzeug)
Aus: München
Seit: 2012
Internet: www.kriskarsai.de

A Life Divided

Aus der Zeit gefallen: A Life Divided machen Gothic-Pop, der keine aktuellen Trends der Musikszene bedient. Die Münchner Band ist damit dennoch erfolgreich.

Der neuesten Mode entspricht das nicht. Und Trends scheint die Geretsrieder Band A Life Divided auch nicht zu suchen (Foto: Severin Schweiger). Dass sie trotzdem zu den erfolgreicheren Musikgruppen im Raum München gehört, ist dementsprechend erstaunlich. Doch das mag auch daran liegen, dass das Quintett um Sänger Jürgen Plangger eine Subkultur bedient, die trotz der Vermainstreamung von Indie-Musik und alternativem Lebensstil über die Jahre recht autonom geblieben ist. 

Gothic, dunkler Rock mit Metal-Einflüssen, Pathos-schwer und eindeutige Texte – das mag so gar nicht zu dieser mit Ironie getränkten Zeit passen. Doch es gibt ein Publikum für diese Musik, die auch A Life Divided seit mittlerweile seit 12 Jahren spielen. Das merkt man nicht zuletzt am Erfolg von Bands wie Eisbrecher, Deine Lakaien oder eben Unheilig. Letztere werden A Life Divided nun auf großer Hallen-Tournee begleiten und Mitte Mai im Münchner Zenith auftreten. Und dass dieser Herzschmerz-Pop im Gothic-Look eben Hallen wie das Zenith füllt, Chart-Erfolge vorweist und auf den Mainstream-Radiosendern läuft, zeigt erneut, dass es da ein Interesse gibt, das zwar den Trends fern ist, aber dennoch funktioniert. A Life Divided sind dabei die Underdogs des Gothic-Pops. Vier Alben haben sie seit 2003 veröffentlicht und sich mit Radio-Airplays, Festival-Auftritten und Support-Gigs, unter anderem für die Cello-Metallica-Arrangierer Apocalyptica, einen Namen gemacht – der ganz große Erfolg blieb aus, dennoch machten die Musiker, die auch als Gastmusiker bei Szenegrößen wie Lacrimas Profundere spielen, konstant weiter.

Am Freitag, 10. April, erscheint ihr neues Album „Human“ – darauf testen sie den Zusammenklang von Metal-Gitarren, Pop-Melodien, elektronischen Beats und synthetischen Orgel-Ergänzungen. Eine Mischung, die man aus dem Industrial der Neunzigerjahre kennt; die bei A Life Divided allerdings ein bisschen zahmer ausfällt als bei Marilyn Manson oder den Nine Inch Nails.
Und das ist vielleicht auch ein Grund, warum dieser Stil erfolgreich ist – obwohl er weder dem Hipster-Trend entspricht, noch Mainstream-Easy-Listening ist: Eigentlich liegt unter dem etwas düsteren Anstrich ganz klassischer und auch etwas altbackener Radio-Pop. Nur wird dieser eben durch den Gothic- und Metal-Einschlag sanft verkleidet – und befriedigt all diejenigen, denen das Bonbonfarbene des üblichen Bayern-3-Programms zu schönfärberisch ist. Rita Argauer

Stil: Gothic / Pop / Rock
Besetzung: Erik Damköhler (Gitarre/Programming), Jürgen Plangger (Gesang), Korl Fuhrmann (Schlagzeug), Tobi Egger (Bass), Tony Berger (Gitarre)
Aus: Geretsried
Seit: 2003
Internet: www.a-life-divided.de

Konsequence (Pop / Soul)

image

Jahr: 2014, Woche: 49

Pop-Band ohne Bandfotos. Heutzutage unmöglich? Nein, denn bei Konsequence, dem neuen Projekt der Hello-Gravity-Truppe, soll nur die Musik im Vordergrund stehen. Und die funktioniert wie ein Soundtrack.

Die Welt sei nicht genug, sang Shirley Holme von Garbage zum gleichnamigen James-Bond-Film in den Neunzigern. Und Nancy Sinatras „My Baby Shot Me Down“ erweckte Tarantinos blutige Braut-Bilder in „Kill Bill“ zu besonderem Leben. Soundtracks haben seit jeher eine spezielle Atmosphäre, weil sie die Fiktionslust ihrer Hörer befriedigen. Der Interpret rückt dabei in den Hintergrund, die Stimmung aus der Kombination mit den Bildern ist ausschlaggebend. Die gerade gegründete Münchner Musikertruppe Konsequence (Foto: Panther Music) versucht nun von Beginn an, Musik zu machen, die eher wie ein Soundtrack denn als Pop-Album funktioniert. Und so die Hochphase der Popmusik mit Referenzen von Michael Jackson bis Beyoncé auferstehen lässt.

Den Pop-Appeal, der so unweigerlich an die ausführenden Personen gekoppelt ist, haben die drei Musiker hinter sich gelassen. Als Mitglieder der Band Hello Gravity, die sich vergangene Woche aufgelöst hat, hatten sie sich in diesem personenbezogenen Pop-Faktor auch weitestgehend ausprobiert. Das neue Projekt Konsequence ist da gegensätzlich angelegt: Die Brüder Mike und Tom Zitzelsberger sowie Simon Popp treten als Musiker zurück. Es wird keine Bandfotos geben, keine Gesichter und keinen Frontmann, die der Musik das in der Popwelt so nötige Identifikationspotenzial geben würden. Dafür aber arbeitet das Trio mit der Kraft von Atmosphäre und Fiktion. Sie schreiben den Kino-Film schon in die Produktion hinein, indem sie als Musikbeschreibung eine Szene wie aus einem alten James-Bond-Film aufreißen und Songs schreiben, die zwischen Funk, Elektro-Beat und Soul ihre Kraft eher in längeren Sequenzen entwickeln als durch eine typische Pop-Struktur. Und so gibt es statt Band-Fotos oder Tanz-Videos also sogenannte Mood-Fotos, die so tun, als seien sie in den frühen Siebzigerjahren in den Vereinigten Staaten entstanden und die sich mit dem längst vergangenen Glanz der frühen Disco-Ära zu dem gerade immer noch angesagten Retro-Schick verbinden. Dazu tönt die Musik, die eben auch ein wenig rückwärtsgewandt klingt, aber so modern produziert ist, dass die Beats auch für heutige Ohren durchaus grooven.

Am vergangenen Freitag haben sie ihre ersten beiden Tracks veröffentlicht, nun planen sie eine EP, die sie auf ihrem eigens dafür gegründeten Label veröffentlichen wollen. Dafür arbeiten sie mit diversen Musikern zusammen, unter anderem auch mit Tahnee Matthiessen, Sängerin der Münchner Band Luko. Rita Argauer

Stil: Pop / Soul
Besetzung: Mike Zitzelsberger, Tom Zitzelsberger, Simon Popp (Produktion), diverse Gastmusiker
Aus: München
Seit: 2014
Internet: soundcloud.com/konsequencemusic

image

Rita Argauer ist die Musik-Expertin der Junge-Leute-Seite. Sie ist nicht nur ständig auf der Suche nach neuen Münchner Bands und deswegen in den Clubs dieser Stadt unterwegs. Sie kennt die Szene auch von der anderen Seite: Sie singt und spielt Keyboard in der Band Candelilla.

Miriam Green (Jazz / Pop / Klassik)

image

Jahr: 2014, Woche: 44

Sie studiert Oboe und präsentiert nun ihre ganz eigene Popmusik. Zusammen mit Katja Khodos am Klavier schafft Miriam Green Lieder, die teilweise nach einer zeitgenössischen Variante des Kunstlieds klingen.

Um ein klassisches Instrument auf Orchester-Niveau spielen zu können, verlangt es Musikalität und Interesse. Aber vor allem muss die Liebe zu dem Instrument so stark sein, dass der Großteil der Freizeit mit dem Üben verbracht werden kann. So auch bei Miriam Ströher, die sich als Musikerin Miriam Green (Foto: Dominik Engelmann) nennt. Ihr Weg von der Klassik zum Pop verwundert nicht. Sie habe angefangen, Popsongs zu schreiben, erzählt sie, als sie mitten in der Nacht in der Münchner Musikhochschule war und zu müde gewesen sei, um noch weiter Oboe zu üben. Dieses seltsam quakende Instrument, das auch heutzutage in kaum einem anderen Genre als in den klassischen Orchesterwerken vorkommt, studiert die Musikerin.

Eigentlich hat sie schon immer Songs geschrieben. Nur habe die Klassik immer im Vordergrund gestanden – erst während des Studiums traute sich die Musikerin mit ihrer eigenen Musik heraus. Doch richtige Popsongs sind das eigentlich auch nicht. Zusammen mit ihrer Kommilitonin Katja Khodos am Klavier schafft Miriam Lieder, die teilweise nach einer zeitgenössischen Variante des Kunstlieds klingen oder jazzig-groovend an die frühe Fiona Apple erinnern. Musiker-Profis, die ihr ab und an ein Schlagzeug oder einen Bass dazu einspielen, die finden sich an der Uni genug – live tritt sie derzeit zusammen mit Katja am Klavier auf. Am Anfang hat Miriam ihre Songs selbst produziert; hat mit dem E-Piano aufgenommen und Schlagzeug- und Bass-Samples dazu gebaut. „Dafür habe ich mich total geschämt“, sagt sie, da spricht die Klassikerin aus ihr, denn sie mag synthetische Instrumente überhaupt nicht. Mittlerweile hat sie mit ihren Hochschulkollegen eine EP aufgenommen, die im Dezember erscheinen soll.

Miriam hat eine weiche Stimme, textet mal auf Englisch, mal auf Deutsch. Und mal klingen die Songs mehr nach Songwriter-Pop, mal mehr nach Vocal-Jazz. Doch am Auffälligsten ist Miriams Umgang mit musikalischen Strukturen. Die sind nämlich weit entfernt von dem, was der Pop so bereit hält. Ihre Art, aus Text ein Musikstück zu schaffen, erinnert mehr an das klassische Kunstlied, etwa in dem Stück „Ganz vielleicht“. Der Text wird weich von Katjas Klavier umhüllt, scheint kein Ziel zu verfolgen und verliert sich dennoch nicht – später kommt darin auch noch die Oboe zum Einsatz. Noch eine Seltenheit, die sich Miriam in nächster Zeit aber öfter trauen will, um Ausdrucksformen für ihr im Pop völlig untypisches Hauptinstrument zu finden. Rita Argauer

Stil: Jazz / Pop / Klassik
Besetzung: Miriam Ströher (Gesang, Komposition, Oboe), Katja Khodos (Klavier), wechselnde Gastmusiker
Aus: München
Seit: 2014
Internet: www.miriamgreen.de

image

Rita Argauer ist die Musik-Expertin der Junge-Leute-Seite. Sie ist nicht nur ständig auf der Suche nach neuen Münchner Bands und deswegen in den Clubs dieser Stadt unterwegs. Sie kennt die Szene auch von der anderen Seite: Sie singt und spielt Keyboard in der Band Candelilla.

Bitte noch einmal „Atemlos“

Über 40 Leute sind zur ersten Probe des Chors „Anchora“ aus Freising gekommen. Im Programm hat der Jazz- und Pop-Chor unter anderem Lieder von den Backstreet Boys und den Monday Tramps. Ein Interview mit dem Chorleiter Lukas Maier.

Freising – Lukas Maier, 23, hat gemeinsam mit Mimi Neumair, 24, vor einem Jahr in Freising das junge Chor-Projekt „Anchora“ ins Leben gerufen. Er arrangiert die Stücke und sitzt am Klavier, sie dirigiert. Das Konzept ist einfach, der Andrang jedoch so groß, dass die beiden Musik-Lehramtsstudenten sich inzwischen zu einem Aufnahmestopp gezwungen sehen.

SZ: Ihr leitet einen kostenlosen Chor für junge Menschen – eigentlich nichts Ungewöhnliches. Wie erklärt ihr euch den riesigen Ansturm?
Lukas Maier: Ganz ehrlich: Wir können uns das selbst nicht erklären. Die erste Probe haben wir nur über Facebook angekündigt, und es kamen schon 40 Leute. Und von Woche zu Woche wurden es mehr. Bei 100 Mitgliedern mussten wir irgendwann sagen: Okay, piano, mehr geht nicht.

Was bringt all diese Menschen zu euch?
Die meisten unserer Mitglieder haben das musische Gymnasium in Freising besucht, an dem wir beide unseren Abschluss gemacht haben. Das sind Menschen, die neun Jahre lang Musik als Hauptfach hatten.

… und dann nach dem Abschluss plötzlich nicht mehr musizieren?
Genau. Mimi und ich haben nach dem Abitur an der Schule als Assistenz für die Chorwochen gearbeitet und kennen deshalb Ehemalige aus ganz verschiedenen Jahrgängen. Bei einigen habe ich mir gedacht, dass sie später Musik zum Beruf machen würden. Aber viele studieren jetzt etwas ganz anderes, kommen nicht mehr zum Singen oder finden einfach nicht den Chor, der sie anspricht.

Und ihr wollt diese Lücke schließen.
Als Chor-Assistenz konnten wir beide viel Erfahrung sammeln. Das hat uns das Selbstbewusstsein gegeben zu sagen: Okay, jetzt probieren wir es.

Was ist bei euch so anders als an anderen Chören?
Viele Mitglieder sagen, es sei viel ansprechender, wenn Menschen im eigenen Alter den Chor leiten – professionell, aber auch locker – und sich jeder direkt mit einbringen kann. Ich kann die allgemeine Stimmung bei den Proben aufgreifen und Arrangements nach Geschmack des Chores umsetzen. So kam es auch dazu, dass ich mich irgendwann der Mehrheit gebeugt habe und „Atemlos“ von Helene Fischer arrangiert habe.

Wirklich? Die wollen allen Ernstes Helene Fischer singen?
Ja, das liebt der Chor. Ich werde nicht zulassen, dass wir das in unser nächstes Konzert einbauen, das ist für mich als Musiker zu demütigend. Aber das ist immer das Zuckerl am Ende der Proben: „Dürfen wir noch einmal Helene Fischer rocken?“ – „Ja, okay …“

Wie sieht euer Repertoire abseits von Helene Fischer aus?
Wir sind ein Jazz- und Popchor. Bei unserem ersten Konzert haben wir zum Beispiel Backstreet Boys, den Pokémon-Titelsong und das Volkslied „Die Gedanken sind frei“ in komplett neuer Fassung gesungen – aber auch ein Arrangement der Münchner Band Monday Tramps.

Interview: Susanne Krause