Band der Woche: Lakedaimon

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Die Band
Lakedaimon ist rein besetzungstechnisch bereits bekannt: zusammengesetzt aus der “famosen Neo-Folk-Band Dobré”  geht es stilistisch nun aber in ein eine andere Richtung.

Die treibende Kraft der Popmusik ist der Stil, während in der Klassik die musikalische Idee als einmaliger Einfall hochgehalten wird. Doch dieser etwas konservative gedachte Gegensatz trifft nicht immer zu. Zum einen ist Stil, also der Klang und die Attitüde, wie etwa ein C-Dur-Akkord klingen kann, eine bisweilen ebenso kreative Leistung wie die Erfindung einer Melodie oder eines Arrangements. Zum anderen finden sich auch in der klassischen Musik höchst stilisierte Formen, die sich aus der erfindungsreichen Neukombination von harmonischem Material herausgelöst haben. Doch zurück zum Pop, denn dort gibt es wahre Meister des Stils. Allen voran Damon Albarn, der erstmals mit Blur den Britpop als Stil erfand, später mit den Gorillaz eine Comic-Band ersann, deren musikalischer Stil sich virtuos in die Comic-Ästhetik einfand, und dazwischen mit diversen anderen Projekten, etwa The Good, the Bad & the Queen oder zwei Opern sein musikalisches Einfallsreichtum wiederum spielerisch in verschiedenste Stile goss.

Die Münchner Szene hat mit Johannes Joe Dobroschke einen ähnlich talentierten Stil- und Kompositionsvirtuosen. Das Songschreiben lernte er an der Seite von Jacob Brass in ihrer ersten gemeinsamen Band Spotfin Soap. Nach der Auflösung entstand die famose Neo-Folk-Band Dobré, deren Kopf Joe bis heute ist. Dazwischen gab es das durchgeknallte Experiment Klaus, in dem Joe auf Deutsch singend eine Frühform von Elektro-Indie erfand, surreal wie ein verrückter Wissenschaftler. Und nun, kurz nachdem mit „Who killed the acrobat“ das dritte Album von Dobré erschienen ist, tritt mit Lakedaimon das nächste Projekt von Joe auf den Plan. Besetzungstechnisch gibt es da keinen großen Unterschied zu Dobré. Live wird Joe von seinen vertrauten Bandkollegen begleitet, die Songs, die auf dem Label von Ex-Anajo-Sänger Oliver Gottwald erscheinen, sind quasi ein Spin-Off des aktuellen Albums: „Zwischen dem zweiten und dritten Dobré-Album habe ich sehr, sehr viele Songs geschrieben, von denen einige aber irgendwie nicht mehr so recht zu Dobré gepasst haben“, sagt Joe. Das führt zurück zum Stil und zu Joes recht untrüglichem Gespür dafür. Denn: Sie hätten diese Lieder zwar auch live als Dobré ausprobiert, jedoch seien sie „düsterer, ernster, elektronischer und gleichzeitig poppiger“, sagt er. Ein anderer Stil also, der eine andere Band braucht, auch wenn die Musiker de facto die selben sind.

Um diesen neuen Stil auszuarbeiten, stand ihm auch Martin Brugger alias Occupanther zur Seite, der einige Spuren zu den drei nun fertig gestellten Songs hinzufügte. Die Grundproduktion aber stammt von Joe selbst. Er hat alle Instrumente eingespielt und bezeichnet Lakedaimon als eine Art „Solo- oder Nebenprojekt“. Getragen von seiner Stimme, die heroisch, aber verhallt zur ersten Single „Inhale / Exhale“, – diese erscheint am Freitag, 24. November – anhebt, dann aber von sanfter Elektronik unterbrochen wird und in ihren beinahe jazzigen Harmonien ein wenig an The Notwist auf dem Album „Shrink“ erinnert. Die Synthesizer-Spuren, die in den folgenden Songs noch stärker hervortreten, sind in Joes bisherigem Schaffen aber neu – viel kühler als die folkigen Orgeln und Klaviere bei Dobré. Gleichzeitig ist Lakedaimon aber auf eine gewisse Art zugänglicher, weil die aktuelle Popmusik immer noch stark von solchen Klängen geprägt ist. Doch das überraschendste ist die Sicherheit von Joe. Er klingt nicht so, als würde er sich in einem neuen Stil ausprobieren. Vielmehr schafft er mit untrüglichem Gespür Musik, die konsequent und reif klingt. Zum Stilbewusstsein gehört bei Joe auch ein Songschreiber-Talent, das ihn beinahe mühelos durch seine sämtlichen Projekte hindurch trägt.

Stil: Elektronik/Indie
Besetzung: Johannes Dobroschke (Songwriting, Gesang, Produktion)
Aus: München
Seit: 2017
Internet: www.facebook.com/lakedaimonmusic


Text: Rita Argauer

Foto: Dominik Wierl

Band der Woche: Occupanther

Erobern kann etwas großartiges sein, zumindest aus rein musikalischer Perspektive. Das beweisen Martin Brugger und Carlos Cipa, die als Occupanther die Grenzen zwischen Klassik und Clubmusik verschwimmen lassen.

Erobern? Erst einmal wirkt das fast ein wenig aggressiv. Doch in der Musik hat das Wort eine andere Bedeutung. Denn es passiert meistens etwas Neues, wenn Künstler beginnen, sich etwas zu eigen zu machen, was eigentlich nicht in ihren künstlerischen Rahmen passt. Wenn Musiker sich auf ein musikalisches Terrain begeben, das eigentlich nicht das ihre ist. Da fehlt es dann zwar vielleicht an Expertise. Gleichzeitig entstehen aber aus diesem genauen Hinhören und dem Erforschen wie dieser fremd scheinenden Musik ganz herrliche Sachen. 

Jemand, der diesen Eroberungsstil derzeit mit am edelsten vollzieht, ist der Münchner Martin Brugger. Als Musiker nennt er sich Occupanther. Und da steckt es natürlich schon im Namen, dieses Okkupieren, das in seiner elektronischen Musik eben raubkatzenelegant geschieht. Aber während er sich zu Beginn seiner Solo-Arbeiten noch auf das Einverleiben von Popmusik konzentrierte und etwa eine Zusammenarbeit mit Josie-Claire Bürkle, der Sängerin der Münchner Band Claire, veröffentlichte, hat er sich nun noch einen Schritt weiter gewagt. Zusammen mit dem Münchner Neo-Klassik-Komponisten Carlos Cipa hat er am vergangenen Mittwoch eine EP veröffentlicht, die in ihren Grenzerforschungen und Genre-Vermischungen noch einen Schritt weiter geht und weit über beider bisherigen Arbeiten hinausragt.

Unter dem Titel „Trow“ haben die beides es geschafft, ihre Lust an Klangforschung und Abstraktion in ein ausgesprochen zugängliches Gewand zu stecken. Martins Beats, seine Synthie-Melodien, seine Loops und Samples treffen dabei auf Carlos’ verlorene Klavierakkorde, auf im wahrsten Sinne unheimliche, weil unbekannte Tonfolgen und auf dessen Instrumenten-Sammlung: „Während ich vor allem mit Samples und am Rechner arbeite, hat Carlos in seinem Studio einen bunten Mix aus schönen und teilweise sehr seltenen Instrumenten stehen“, erzählt Martin, zusammen könnten sie also praktisch jeden Sound erzeugen, den sie sich vorstellen können. Das ist vollmundig ausgedrückt, trifft aber auf diese an Klängen so reiche EP tatsächlich zu. Die wirkt, als hätte es von der Idee der Musik zu ihrer Umsetzung und dem Erklingen relativ wenige Hürden gegeben. So, als treffe die Neo-Indie-Klassik eines Ólafur Arnalds auf ein wenig mehr Elektronik und Beats, als das bei solcher Musik bisher der Fall ist. Denn auch wenn die Tracks meist sphärisch und ruhig beginnen, fährt oft doch Tanz- und Club-Lust durch Martins vertrackt interessante Beats dazwischen. Songs, die aus Zufallsgeräuschen, aus Improvisationen, aus Klavieren, Tasten oder Samples aus Martins Plattensammlung erzeugt wurden und live im Studio eingespielt worden sind.

Martin, der zuvor Bass bei der Münchner Indie-Band This Is The Arrival spielte, nebenher Jazz-Bass an der Musikhochschule in München studierte und vor drei Jahren als Occupanther mit seinem Solo-Projekt begann, lernte Carlos vor gut einem Jahr kennen, weil er einen Remix für den Münchner Komponisten machte. Und die Bezeichnung Komponist ist bei Carlos durchaus angebracht, immerhin kommt der aus der Klassik und studierte unter anderem Komposition. Neben ihrer eigenen Musik haben die beiden noch Musik für eine Fernsehserie geschrieben, die Ende kommenden Jahres ausgestrahlt wird. Doch erst der Grenzgang und das Einnehmen des jeweils anderen Genres in ihrer freien Zusammenarbeit machen die Musik der beiden so spannend. Selten wurde ein Grenzbereich außerhalb der Komfortzone des eigenen Stils lebendiger und zugänglicher vertont. Unter www.yesoccupanther.bandcamp.com/album/trow-ep steht die Musik zum kostenlosen Stream bereit.  

Occupanther

Stil: Neo-Indie-Club-Musik

Besetzung: Martin Brugger alias Occupanther, Carlos Cipa

Aus: München

Seit: 2015

Internet: carloscipa.com   facebook.com/yesoccupanther


Text: Rita Argauer

Foto: Conny Mirbach

Hadern im Sternenhagel – neue EP Feuermelder

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Die drei Münchner Jungs von Hadern im Sternenhagel haben auf ihrer neuen EP “Feuermelder” gefühlvolle Texte mit sphärischem Sound gepaart. Romantisch, manchmal beinahe kitschig, aber vor allem sehr eingängig –  einfach gut eben.

Es gibt Bandnamen, bei denen man sofort erkennt, aus welchem Genre die dazugehörige Band stammt. Und dann gibt es Bands wie Hadern im Sternenhagel, da könnte eigentlich vieles dahinter stecken. Aber ausgefallen klingt der Name schon. Und ausgefallen ist auch der Sound der drei Münchner.

Denn Hadern im Sternenhagel setzen sich mit ihrer neuen EP Feuermelder bequem zwischen alle Stühle. Die Musik ist schwierig zu fassen, sphärisch, die Texte gerne mal gefühlvoll und am Rande zum Kitsch – “nur meine Mutter kennt den Jungen noch, der früher in ihr Bettchen kroch.” Ist der „Scherbensammler“ in Weißes Rauschen denn schon ein Schlager-Protagonist? Ist der Sound von Hadern im Sternhagel nur eine Mischung aus aufgewärmtem Eurodance und NDW? Man täte der Band unrecht, das zu behaupten. Denn die EP ist vor allem eins: verdammt eingängig und auf eine etwas abgedrehte Weise in sich absolut stimmig.

Wenn Sänger Julian Chudoba das erste Mal in seinem leicht überbetonenden Duktus „Lampe, Lampe“ singt und die von der Münchner Elektro-Institution Occupanther produzierte Musik des titelgebenden Song einsetzt, kann man die Augen schließen und sich in der Musik verlieren. Dann klingen Hadern im Sternenhagel eben etwas kitschig oder aus der Zeit gefallen. Aber dem Ganzen liegt eine im Wortsinn so romantische Musikvorstellung zu Grunde, dass das gar nicht weiter ins Gewicht fällt. Es ist einfach gut. 

Von Philipp Kreiter
Foto: Johannes Brugger

Ein Abend mit: Martin Brugger aka. Occupanther

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„Bla, bla, bla, lass mal zappeln gehen!“ – Martin Brugger alias Occupanther, 26, ist studierter Jazz-Bassist. Seine Musik lässt sich kaum in übliche Kategorien einordnen. Seinen Tanzstil beschreibt er uns als “eklektisch, zeitgenössisch, vertretbar”. Mal sehen, heute Abend spielt er im Kong!

Hier beginnt mein Abend: Nomiya in Haidhausen, dort gibt’s köstliches japanisches Essen und Bier von meinem Kumpel Tilman

Danach geht’s ins: Kong

Meine Freunde haben andere Pläne. So überzeuge ich sie vom Gegenteil: „Bla, bla, bla, lass mal zappeln gehen!“

Mit dabei ist immer: Ohrstöpsel

An der Bar bestelle ich am liebsten: Pimms Cup / Rotweinschorle

Der Song darf auf keinen Fall fehlen: Der Pina Colada Song

Mein Tanzstil in drei Worten: eklektisch – zeitgenössisch – vertretbar

Der Spruch zieht immer: Ich könnte nur sagen welche Sprüche eher nicht ziehen

Nachts noch einen Snack. Mein Geheimtipp ist: Pommes von der Wurstbude im Muffatwerk

Meine dümmste Tat im Suff war: –

Das beste Frühstück nach einer durchfeierten Nacht gibt`s im:
Café Fortuna

Diesem Club/dieser Bar trauere ich nach: Bis jetzt git es noch keinen/keine

Stefanie Witterauf
Foto: Johannes Brugger

Webseite: www.occupanther.de

Neuland

Für den MuVi-Preis nominiert: Musiker Occupanther hofft auf Unterstützung durch seine Fans.

Unterstützung sucht derzeit Musiker Martin Brugger alias Occupanther,  25 (Foto: Johannes Brugger): Das Musikvideo zu seinem Song „Down“ wurde für den MuVi-Preis nominiert, der bei den internationalen Kurzfilmtagen Oberhausen besonders gelungene Musikvideos auszeichnet. Bis Freitag, 1. Mai, kann das Publikum online einem der elf Clips seine Stimme geben. Occupanthers Wettbewerbsbeitrag „Down“ ist ein echtes Familienprojekt – seine Freundin Laura Fries und seine Mitbewohnerin Caro Scheck haben die Kostüme für das Video gemacht, Martins Zwillingsbruder Johannes Brugger hat Regie geführt. Gevotet werden kann unter: www.muvipreis.de. 

Carolina Heberling

Neuland

Kurimelo startet durch: Mit Occupanther ist er schon aufgetreten, im Frühjahr wird sein Debütalbum erscheinen.

Es läuft bei ihm. Im Sommer spielte Kurimelo beim Stadt-Land–Rock-Festival, im September veröffentlichte er seinen ersten Track „Dandelion“ auf Soundcloud, ein Auftritt mit dem Kammerorchester vergangen Monat in Augsburg folgte, ein weiterer mit der Münchner Techno-Neuentdeckung Occupanther auf dem Puls-Festival. Julian Klaas (Foto: Oliver Mohr) alias Kurimelo schafft den Spagat zwischen Klassik und Elektro. Julian ist Mitglied in mehreren Orchestern, spielt, seitdem er vier Jahre alt ist, Geige und hat Klassische Musik in Spanien studiert. Nun bastelt er seine Musik am Computer – bisher ohne Streichinstrumente. Auch sein Debütalbum steht schon, nur noch Feinheiten sollen ausgearbeitet werden. Die Veröffentlichung ist für das Frühjahr geplant. „Aber zu viel verraten will ich noch nicht“, sagt Julian. Stefanie Witterauf

Gesucht wird: Unsere Band des Jahres 2014

Die Band der Woche gibt Orientierung – welche Bands in München auffallen, von welchen Bands man in Zukunft garantiert hören wird. Wir gehen jetzt noch einen Schritt weiter. Wir haben 10 Bands der Woche ausgewählt und ins Rennen geschickt zur Wahl der Band des Jahres. Die Abstimmung läuft bis zum 15. Januar.

Wenn man kein Schlagwort finden kann, dann wird halt auf die Vielfalt gesetzt. Münchens Musikszene ist ein Kaleidoskop, ein Potpourri, das nicht festgelegt werden kann und will. Woche für Woche suchen wir aus dieser musikalischen Wundertüte Bands aus, die in der Rubrik „Band der Woche“ auf der Junge-Leute-Seite der Süddeutschen Zeitung vorgestellt werden. Dass sich das alles keiner einheitlichen Bewegung zuordnen lässt, nimmt der Szene wohl auf den ersten Blick die Zugkraft; das hat aber auch etwas Gutes. Immerhin hat der Melting Pot der Münchner Popszene 2014 einige Künstler hervorgebracht, die aus den verschiedenen Einflüssen, die dort herumgeistern, zum Teil ganz eigene und ganz neue Musik zusammengekleistert haben.

Etwa Martin Brugger alias Occupanther: der Jazz-Bassist und früherer Musiker bei This is the Arrival hat aus Elektro, Indie und Post-Dubstep eine Variante elektronischer Musik geschaffen, die weit entfernt ist vom stumpfen Minimal manch Technoclubs und die die Beats vielfältig und ideenreich klingen lässt. Neben Occupanther stehen nun 13 weitere Künstler zur Wahl der Band des Jahres: Etwa die beiden Trip-Hop, Hip-Hop und Dub-Step-Verquirler Akere und Luko. Oder die grundverschiedenen Annäherungen an Sprechgesang von Taiga Trece (klassischer Hip-Hop-Flow mit deutsch-spanischen Texten) und Katrin Sofie F. und der Däne (eine Spoken-Word Variante zwischen Poesie und minimalem Groove). Und während das Duo Baal Techno mit dem Pathos der Klassik versetzt, rumpeln diverse Gitarrenbands durch die Stadt: Jugendlicher Garage-Punk im Sinne der Black Lips gibt es von den Night ShirtsMarathonmann hingegen verabreichen mit verzerrten Gitarren dem Hardcore Popappeal, was ihnen 2014 einen Einstieg in die deutschen Charts verschaffte; etwas das der Band Cosby mit ihrem kommenden Album vermutlich auch gelingen könnte. Immerhin schrauben die in fröhlicher DIY-Manier astreinen Mainstream-Pop zusammen. Imapala Ray hingegen vermischt klassischen Indie-Sound mit Einflüssen der Weltmusik aus der bayerischen Heimat.

Dass also nicht auf die eine Szene gehört wird, der alle angehören wollen, sorgt für diese Vermischungen. In diesem Jahr ist das besonders gut geglückt, weil sich eben nicht nur Bands verschiedener Stilistik in München finden, sondern viele Künstler aus den verschiedenen, um sie herum kreisenden Stilen und Genres eben tatsächlich fast Ungehörtes schaffen. Im gewissen Sinne hat sich in München also eine Gegenbewegung zum Retro-Trend gebildet. Rita Argauer

Hier geht es zu unserer Wahl zur Band des Jahres – bitte dem Link folgen:

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Klassentreffen

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Das Festival „Sound of Munich now“ feiert München so groß wie noch nie: In drei Hallen beweisen Singer-Songwriter, Hip-Hopper DJs und Indie-Rocker, wie lebendig ihre Szenen sind. Der Andrang ist groß – ein Kompliment für eine lebendige Szene, der es in München nicht immer leicht gemacht wird (Fotos: Johannes Simon).

Manchmal erinnert das Festival „Sound of Munich now“ an ein Klassentreffen: Es sind bekannte Gesichter, die hier zusammen kommen. Einige der Musiker sind zu Freunden geworden, andere beobachten sich lieber aus der Ferne. Was sie sich wohl zu erzählen haben werden? Wer wird überraschen, mehr aus sich gemacht haben als gedacht? Wer ist der ruhige Typ mit traurigen Geschichten? Und wer die hippe Göre mit lässigen Sprüchen? Ebendiese Ungewissheit prägt das Gefühl vom „Sound of Munich now“. Es ist das Festival, bei dem sich die Leute treffen, die eines vereint: Sie alle wollen gute Musik machen und diese Stadt zum Klingen bringen. Und sie alle wissen nicht genau, was sie erwartet. Denn: Die mittlerweile zwei Abende im Feierwerk bringen zusammen, was in München selten zusammentrifft. DJs, die im Harry Klein auflegen, Singer-Songwriter, die vom Liebesleid erzählen, Hip-Hopper, die sich in Jazz verliebt haben, und Freunde schmutziger Rock-Klänge, die handgemachte Musik schätzen und alles Elektronische ablehnen.

Das Schöne: Dieses Musiker-Klassentreffen wird ausschließlich von Menschen organisiert, die es gut meinen – mit der Stadt und mit der Musik. Und die München einen Abend schenken wollen, an dem die Bandbreite der urbanen Musikszene deutlich wird. Denn was nach Vereinheitlichung klingt, ist eigentlich die Suche nach dem, was sich in München entwickelt – auf ganz unterschiedlichen Wegen und in ebenso verschiedene Richtungen. Das verspricht Moderator und Organisator Michael Bremmer von der Süddeutschen Zeitung schon vor dem ersten Auftritt: „Wir suchen hier keine Münchner Schule, keinen einheitlichen Sound, sondern das Bunte in dieser Stadt.“

 Ein Abend reicht den Veranstaltern, dem Feierwerk und der Süddeutschen Zeitung, für diese Bestandsaufnahme nicht mehr aus. Hinzugefügt wurde schon im vergangenen Jahr der „Sound of Munich now Electronica“, ein Abend für die elektronischen Klänge also, die sonst eher die Münchner Sonnenstraße erfüllen. Längst überfällig, meint Peter Fleming, Booker vom Harry Klein: „Ich habe mich ganz oft bei Kultur-Veranstaltern beschwert, weil die elektronische Musik vergessen wird.“ Fleming hat das Gefühl, „die anderen Szenen denken, unsere Leute hätten genug Aufmerksamkeit, weil wir viele Clubs haben und dort präsent sind“. Vielleicht bräuchten da Bands mehr Hilfe, sagt er. „Aber es ist für DJs auch toll, der Mutter sagen zu können: Schau, ich mache etwas Anständiges. Da geht es nicht nur ums Feiern und Trinken, die Musik hat einen Wert.“

Acht Formationen hat Peter Fleming für diesen Abend ausgewählt – und auch er will dabei nicht einen Sound herausfiltern, sondern Vielfalt innerhalb des Genres zulassen: Von Jim Fletch, die mittlerweile fast wieder mehr Band als DJs sind, über Casimir mit klassischen House-Klängen bis zu Drum ’n’ Bass von Tigra & Micromassive. Im Hintergrund: die Projektionen der Visual-Künstler, mal Kreisel mit wechselnden Farben, dann wieder brechende Wellen.

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Jim Fletch

Die bunte Mischung ist an beiden Abenden Gesprächsthema an der Bar: Gefällt sie, gefällt sie nicht? Darf man das überhaupt? House und Drum ’n’ Bass an einem Abend? Sozialkritischer Hip-Hop und Wohlfühl-Pop? Es gibt kritische Stimmen, die den Versuch, ein bisschen von allem zu zeigen, nur schwer zu genießen finden. Und es gibt Besucher wie Milot Mirdita, den genau das reizt: „Ich habe schon darüber nachgedacht, dass ich wahrscheinlich einen komischen Musikgeschmack habe. Manche Freunde von mir mögen Elektro, andere Hip-Hop oder Indie. Und von daher gefällt mir dieser Mischmasch total gut.“ Neben ihm steht Eike Hoffmann und nickt: „Wir sind Festival-Gänger und von daher eigentlich ganz offen.“

Diese Offenheit braucht man am zweiten Abend wohl noch mehr als am ersten: Wo die Musiker am Freitag immerhin 30 Minuten oder gleich eine Stunde Zeit hatten, um sich zu präsentieren, da müssen am Samstag 15 Minuten genügen. Danach wird gewechselt: No Snakes In Heaven beginnen diesen Wettlauf der Bands in der Hansa 39 – und setzen damit Folksongs vor poppige Arrangements von The Living. Wiederum abgelöst von der Rock-Formation Lilit And The Men In Grey – fünf Musikerinnen in enger, schwarzer Kleidung, mit aufwendigem Make-up und glitzernden Gürteln: „Das war der totale Adrenalin-Kick, natürlich hätten wir da lieber gleich weitergespielt“, sagt Sängerin Sandra Le nach ihrem Auftritt.

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Young Chinese Dogs

Doch das gezwungene Ende genießen viele Zuschauer: „Man erlebt hier immer wieder Überraschungen. Es geht da nicht nur um die Musik, sondern auch um das Auftreten. Man merkt einigen Bands einfach eine unheimliche Spielfreude an und bemerkt durch die Wechsel riesige Unterschiede im Auftreten“, sagt Tanja Oldehus, die das Festival schon häufiger besucht hat. Diese Unterschiede spürt man tatsächlich – gerade weil die Wechsel schnell und hart erfolgen. Lilit And The Men In Grey, die offensiv mit ihrer Weiblichkeit spielen, sind kaum von der Bühne, da betritt sie Rapperin Taiga Trece mit roter Mütze und weitem Karo-Hemd. Die drei Hip-Hopper von Arm und Hässlich distanzieren sich schon im Namen von den Reichen und Schönen, während sich bei der Pop-Band Redweik sympathisch gestylte Musiker hinter den Instrumenten wiederfinden.

Ein wichtiges Zusammentreffen, glaubt Taiga Trece: „Ich finde es großartig, dass sich das Publikum mischt. In München bleibt sonst jeder bei seiner Musik, und man kann kaum neue Leute erreichen. Aber 15 Minuten bleiben Zuhörer, auch wenn sie es zuerst nicht mögen.“

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Luko

Genau das schätzt Amadeus Böhm von der Plattenfirma Flowerstreet Records. Er hat in diesem Jahr die Bands im Orangehouse ausgewählt und ist froh, dass so auch verschiedene Organisatoren zusammenfinden. Denn: Zusätzlich zur Show in der Hansa 39 und der Flowerstreet-Bühne hat Musikmanager Rainer Tarara Bands für die Kranhalle eingeladen. „So kommen ganz unterschiedliche Stile zusammen. Aber es funktioniert hervorragend, weil wir uns vertrauen können, dass jeder von uns super Bands für den Abend auswählt“, sagt Amadeus Böhm.

Das Festival immer größer zu machen, ist für Michael Bremmer logische Konsequenz aus den vergangenen sechs Jahren: „Wir wissen, dass immer mehr Menschen kommen, als wir in die Hansa 39 hineinlassen dürfen. Deshalb ist es toll, ein spannendes Programm auf anderen Bühnen anzubieten, zwischen denen sich die Zuschauer entscheiden können.“

Auch in diesem Jahr sind die Schlangen lang, schon nach einer Stunde ist der Andrang so groß, dass die Türen erst einmal geschlossen bleiben. Insgesamt sind es knapp 2000 Menschen, die an beiden Tagen das Festival besuchen.

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Occupanther

Dieser Andrang ist ein Kompliment für eine lebendige Szene, der es in München nicht immer leicht gemacht wird. Deshalb behält die Musik an diesem Abend auch das letzte Wort. Während die Musiker von
Django S. in der Kranhalle mittlerweile ihre Shirts ausgezogen haben und eine kleine bayerische Party feiern, bei der Besucher ohne Dialektkenntnisse nur mitsummen können, wird im Orangehouse die Band Frank In Fahrt mit ihren leicht mitsingbaren Songs gefeiert. Zur gleichen Zeit beenden in der Hansa 39 sphärische Klänge von Occupanther den Band-Marathon. Und am Ende – auch das erinnert an Klassentreffen – ist das Gefühl der Ungewissheit vom Anfang dem der Vertrautheit gewichen. Ein famoser Abend. Marie Schoeß

Weitere Fotos gibt es auf unseren Facebookseiten https://www.facebook.com/SZjugendseite und https://www.facebook.com/Soundofmunichnow. Der Sampler zum diesjährigen Festival ist von sofort an im SZ-Shop erhältlich. „Sound of Munich now 2014“ (18 Songs, 5 Euro) kann man im Internet unter https://szshop.sueddeutsche.de bestellen.

Occupanther (Indie / Techno)

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Für Martin Brugger alias Occupanther existiert, wie für so viele andere seiner Generation, der Unterschied zwischen DJ-Pult und Live-Auftritt nicht mehr. Der Musik auf seiner EP muss man Zeit geben, sich zu entwickeln: Spürbar werden sowohl seine Indie-Erfahrung, als auch sein akademisches Wissen.

Eine richtige Band ist das nicht. Doch Martin Brugger – der ehemalige Bassist von This is the Arrival – gehört einer Generation von Musikern an, bei denen sich DJ-Kanzel und Live-Bühne vollends vermischt haben. Der Unterschied existiert nicht mehr, auch nicht mehr bei seinem neuen Solo-Projekt Occupanther (Foto: Christian Brecheis), das gerade einen kleinen Internet-Hype auslöst.

This is the Arrival gehörten lange zu den großen Pophoffnungen Münchens, nach zwei Alben entschieden sich die Musiker jedoch dazu, eigene Wege zu gehen. Für Martin, der an der Münchner Musikhochschule Jazz-Bass studiert, war das der Auslöser, sich dem elektronischen Produzieren zu widmen, so entstanden schon bald Werbe-Scores am Computer. Für Werbung würde sich die erste Occupanther-EP trotzdem nicht eignen. Die Musik auf „Talea“ ist weit entfernt vom schnellen Effekt, man muss sich Zeit nehmen, den Songs in ihrer Entwicklung zu folgen. Dennoch sind das euphorische Tracks, mit stolpernden, aber treibenden Beats, in denen sowohl die Indie-Band-Erfahrung des Musikers, als auch das akademische Wissen um Harmonien spürbar ist.

Und so findet in Martins Musik auch eine Umdeutung von Techno statt: Anstelle der Reduktion von Minimal und House sind Martins Tracks überreich an harmonischen Synthie-Klängen, Akkordwänden und Melodien. Derzeit arbeitet Martin an einem ersten Album und an der Live-Umsetzung. Bis dahin kann man seine EP als kostenlosen Stream unter soundcloud.com/yesoccupanther anhören.

Stil: Elektro.
Besetzung: Martin Brugger.
Aus: München.
Seit: 2014.
Internet: soundcloud.com/yesoccupanther, www.facebook.com/yesoccupanther.

Von Rita Argauer