Band der Woche: LaPrêle

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Alex Laprell geht für sein Debütalbum “The Mirror” den klassischen Singer-Songwriter-Weg. Der war jedoch nicht ganz absehrbar: eigentlich wollte er Operngesang studieren. Wie gut, dass er sich irgendwann eine Gitarre zugelegt hat.

Graf von Krolock ist ein finsteres Wesen. Klar, immerhin ist der auch so etwas wie der Anführer im „Tanz der Vampire“. Das bringt die Figur dann allerdings auch in einen kleinen Konflikt, denn Krolock ist in seiner ganzen Blutgier und Finsternis auch ein bisschen komisch. In Roman Polanskis Film genauso wie im darauf basierenden Musical. Der„ Tanz der Vampire“ ist ein Extremfall, dort wird das Horror-Genre mit einer Komödie vermischt. Doch darin zeigt sich auch bisschen das allgemein Seltsame an Musicals. Diese Nachfolger der Operetten vermischen einfache Musik mit größtem Drama, was – wenn es gelingt – die höchste Kunst der Popmusik ist. Doch wenn es daneben geht, kippt die Musik schnell in künstliche Theatralität und Kitsch.

Wenn man sich das Debütalbum „The Mirror“ von Alex Laprell, alias LaPrêle, anhört, ist das Komischste daran die Vorstellung, dass diese feine Stimme einst besagten Grafen von Krolock sang. In einer Schulaufführung des Musicals sang er das Vampir-Oberhaupt. Zu dieser Zeit hatte Alex im Gymnasium Musikleistungskurs mit dem Schwerpunkt Gesang, eine Ausbildung im klassischen Fach folgte. Doch dann entschied sich Alex, der ursprünglich auch Operngesang studieren wollte, aber doch für Jura. „Nach dem Abi stand ich kurz davor, Operngesang zu studieren, aber mein Herz hat einfach nicht genug für die Klassik geschlagen. Und mir war auch der Erwartungsdruck in der Branche zu hoch“, sagt er. Erst viel später, während des Studiums, habe er sich dann eine Gitarre zulegt und sich das Spielen selbst beigebracht. Jetzt schreibt er Popsongs, die aber den theatralischen Geist seiner früheren musikalischen Prägung in sich tragen. Dabei ist es jedoch nicht so, dass Alex über seine Musik groß angelegte Geschichten erzählen würde. Er schreibt Musik mit lyrischen Texten, die mehr eine Stimmung hervorrufen, als durch eine konkrete Handlung tragen.

Die Theatralität liegt bei Alex im Detail, genauer in seiner Stimme. Denn dieser hört man an, dass sie einst dafür ausgebildet wurde, über kleine Nuancen und das Timbre zu psychologisieren, ja, mit der Stimme eine Rolle zu erschaffen. Alex kann so etwa seine Stimme zittern lassen, dass sich sofort eine große Unsicherheit in der Musik verbreitet, wie von jemandem, der mit der Welt hadert. Nie jedoch klingt es, als sei Alex in seiner Gesangstechnik unsicher. Diese feine Differenzierung zwischen dem Sänger Alex und der Stimmung, die der Sänger über seinen Gesang transportieren will, gelingt ihm dabei ziemlich gut.

Auf seinem Album, dass er gemeinsam mit seinem Freund Dominik Schmidt produziert hat, dient das besonders dazu, eine recht düstere Stimmung zu erzeugen. „Ich bin ein nachdenklicher Typ, und viel von der Düsterheit der Melodien und Texte spiegelt innere Themen wider, die ich in den vergangenen Jahren bearbeitet und aufgelöst habe“, sagt er. Textlich zeigt sich das dann etwa im Song „Home“, der auf den Satz hinaus läuft, das Gefühl von Heimat oder Zuhause sei ihm unbekannt. Oder „The coin has two sides“, in dem die Zeile „Enjoy the pain“ wieder und wieder gesungen wird. Am Anfang erscheint das etwas seltsam, weil er die Emotionen in seine Stimme presst, die dann bisweilen ein wenig jaulend klingt. Sobald man sich daran jedoch gewöhnt hat, entwickelt die Musik einen ähnlich wohlig-leidenden Sog wie das Conor Oberst bei den Bright Eyes hatte. Wenn die Arrangements, deren Grundgerüst meist aus einer einfach geschlagenen Akustik-Gitarre bestehen, dann mit Saxofon, Horn und E-Gitarre, sowie um zweite Stimmen ergänzt werden, bekommt die Musik eine Dimension, die über einfache Songwriter-Strukturen weit hinausgeht. 

Stil: Düster-Folk
Besetzung: Alexander Laprell (Songwriting, Gesang, Gitarre, Synthesizer), Dominik Schmidt (Produktion, Mixing, E-Gitarre, E-Bass, Drums, Synthesizer), und Gastmusiker
Aus: München
Seit: 2013
Internet: www.laprele.de

Text: Rita Argauer

Foto: Denise Stock

Ginger Redcliff (Pop / Musical / Indie-Klassik)

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Jahr: 2012, Woche: 33

Reif, so lässt sich die Musik von Ginger Redcliff beschreiben. Reif nämlich, wenn Hanna Plaß auf ihrem Longplayer Breitbandpophymnen an düstere Walzer reiht. Doch wenn die junge, charismatische Schauspielerin und Pianistin auf der Bühne steht, reißt sie das Publikum mit – ganz egal wie “reif” es ist.

„Miezekatze, Miezekatze“, die coolen Indie-Kids und die ausflüglerischen Familien – alle im gut besuchten Theatron – die ausflüglerischen Familien und die coolen Indie-Kids, alle  murmeln mit: dieses Wort, im Takt. Und die Musikerin auf der Bühne nutzt es als Beat, singt darüber, muss irgendwann darüber lachen, dass sie so viele Menschen dazu gebracht hat, über Minuten hinweg „Miezekatze“ zu murmeln. Die Pianistin und Sängerin Hanna Plaß (Foto: Janina Kaphahn) ist so charismatisch und mitreißend, dass sich ihrem Sog, den sie live entwickelt, nur wenige entziehen können. Trotzdem hätte man ihr den Frankenstein fast nicht zugetraut. Den Walzer schon eher – groß orchestriert und mit Wucht, wird da der Dreivierteltakt betont: “Das ist ein Lied zum Tanzen”, erklärt die 22-Jährige in dem Video über besagten Walzer-Song. Dass sie im Text dazu Frankenstein beschwört, ist einer der Brüche, die sie als “Ginger Redcliff” immer wieder provoziert.

Gerade hat die Münchnerin ihren ersten Longplayer veröffentlicht. Unbekannt ist sie aber trotzdem schon lange nicht mehr. Als Theaterschauspielerin hat sie an der Falckenberg-Schule der Münchner Kammerspiele studiert. Als Musikerin hat sie schon so gut wie alle relevanten Münchner Bühnen bespielt. Sehr mädchenhaft wirkt sie, wenn sie etwa im weißen Rüschenkleid durchs nächtliche München radelt und in elf kurzen Videos jeden Song ihres Albums einzeln vorstellt; oder wenn das Artwork komplett in weiß und pastelligem Rosa gehalten ist. Doch die Musik, die sie am Klavier zusammen mit einem Kontrabassisten und einem Computer umsetzt, ist reif. Auf „Note“ finden sich Breitbandpophymnen wie „Out of Me“ neben einem düsteren Walzer, der sowohl Klassik als auch die Musical-Filme der 50er Jahre zitiert. Dazu hat sie zwei Coverversionen eingestreut: Sie machte sich sowohl einen Song ihrer Labelkollegen von I heart sharks zu eigen wie auch ein Roy Orbison-Stück. „Reworks“ nennt sie diese Stücke. Eigensinnig wie sie ist, covert sie natürlich nicht, sondern präsentiert hochwertige Neubearbeitungen.

Stil: Pop, Musical, Indie-Klassik
Besetzung: Hanna Plaß: Gesang, Klavier; Tom Bola: Kontrabass.
Aus: München
Seit: 2009
Internet: www.ginger-redcliff.com

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Rita Argauer ist die Musik-Expertin der Junge-Leute-Seite. Sie ist nicht nur ständig auf der Suche nach neuen Münchner Bands und deswegen in den Clubs dieser Stadt unterwegs. Sie kennt die Szene auch von der anderen Seite: Sie singt und spielt Keyboard in der Band Candelilla.