Von Freitag bis Freitag München: Unterwegs mit Ornella

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Nein, ich will nicht über das Wetter reden. Und ja, natürlich wäre es schöner, immer noch in Italien zu sein. Aber hey, manche Dinge kann man einfach nicht ändern. Und auch wenn es in München gerade so schrecklich grau ist, draußen gibt es gefühlte tausend Möglichkeiten, um dem Wochenende und der kommende Woche Farbe zu geben. Dann ist es doch auch ganz egal, ob die Sonne scheint oder nicht. In Italien wäre ich jetzt trotzdem gerne. Der Kaffee hier ist nämlich (fast) überall ungenießbar.

Wo wir schon beim Kaffee sind: Am Freitag habe ich frei. Wie schön! Mein Tag beginnt bei (gutem!) Kaffee im Dinatale Café an der Universität. Vorher bin ich nicht ansprechbar. Und während ich da so sitze und rumträume, fühle ich mich zumindest wieder ein bisschen wie in Italien. Anschließend mache ich mich auf den Weg ins MUCA (Museum of Urban and Contemporary Art). Dort erwartet mich Streetart der besten Sorte. Aktuell kann man die Ausstellung WAHNSINN des Künstler-Duos Herakut bestaunen. Für das Faust-Festival haben Herakut im MUCA künstlerisch eine Reflexion der Gefühle auf Goethes Werk auf die Wände gezaubert.
Abends geht es dann in die Hochschule für Film und Fernsehen. Dort wird der Netflix-Film „Mudbound“ gezeigt und anschließend gibt es ein Gespräch mit der Autorin Hillary Jordan, die den Roman geschrieben hat auf dem der Film basiert.

Am Samstag gehe ich zum Wannda Kulturfestival im Kreativquartier in der Dachauer Straße, das noch bis zum Montag (21. Mai) geht. Was mich heute erwartet, weiß ich noch nicht. Aber ich mag Überraschungen. Und wenn man nicht weiß, was man machen soll, ist man beim Wannda immer richtig. Hier wird man nicht enttäuscht. Und ja, selbst wenn das Wetter grau ist: Beim Wannda ist es immer bunt genug. Auf dem Heimweg komme ich noch am Container Collective vorbei. Ich treffe dort ein paar Freunde und beschließe noch auf einen Drink mitzugehen in die Bar of Bel Air. Aber nur kurz. Ich habe es ja nicht weit bis nach Hause. Okay, aus einem Drink werden dort öfters vier.

Den Sonntag verbringe ich beim Theatron Pfingstfestival. Dort wird es heute international, denn neben Maria Rui aus München spielen auch Bands aus Montréal, Berlin und New York. Um 20 Uhr will ich allerdings im Milla sein, denn dort findet heute die Releaseparty des neuen Albums der Stray Colors statt.

Neue Woche. Aber ich denke mir: Guten Morgen, liebe Sorgen, leckt mich am Arsch bis Übermorgen, und starte den Tag  gemütlich im Café Fräulein mit einer hausgemachten Zimtschnecke. Scheiß auf Diät. Und jetzt ab in die Arbeit. Am Abend treffe ich ein paar Freundinnen und zusammen gehen wir in den Westpark ins Café „Gans am Wasser“. Dort wird heute Abend der Social-Impact-Film ROBIN-Watch for Wishes gezeigt. In dem Film geht es um einen todkranken Jungen und seinen Vater. Die beiden machen sich auf zu einem Abenteuer.

Am Dienstag geht es nach Feierabend zur ArtNight im „Solo Italia“. Heute kann man dort ein Porträt von Frida Kahlo malen und das Kunstwerk dann direkt mit nach Hause nehmen. Ich bin gespannt, was ich da so anstellen werde, und ob man Frida am Ende erkennt, oder ob mein Kunstwerk doch eher sehr abstrakt wird.

Mittwoch. Endlich. Fast geschafft diese Woche. Man sollte auch die kleinen Dinge im Leben zelebrieren. Also schnappe ich mir ein paar Freunde und wir gehen zur ersten Rooftop Session von „The Rooftop Sessions“. Heute legt über den Dächern Immanuel Zanzibar von Rhode&Brown auf. Das ganze findet im Corvatsch statt, einer Rooftop-Location in Mittersendling.

Donnerstag. Nach der Themenkonferenz der SZ Junge Leute will ich noch nicht heimgehen. Auf dem Weg zur S-Bahn komme ich am Unter Deck vorbei. Und bleibe. Heute spielt dort Lilié und stellt ihre neue EP vor. Ich kenne die Musikerin noch nicht. Vielleicht wird sie ja meine neue Musikentdeckung des Monats. Wer weiß.

Den Freitag starte ich am späten Nachmittag beim Kulturstrand München. Jeden Freitag von 17 Uhr bis 23 Uhr legen hier bei der Veranstaltungsreihe „United Colors of Feierabend“ verschiedene DJs unter freiem Himmel auf. Ideal also, um mit Freunden gemütlich am Vater-Rhein-Brunnen, um die Ecke vom Isartor, in den Feierabend zu starten. Im Anschluss schaue ich noch im Lost Weekend vorbei. Dort präsentiert die Singer-Songwriterin Stella Sezon aus München ihre neue EP. Ihre Musik kann man irgendwo zwischen Hip-Hop, RnB, Pop und Soul verorten.

Text: Ornella Cosenza

Foto: Lara Freiburger

Band der Woche: Gruppe 2

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Fabian Bottler und Christian Rehländer, ehemalige Bandmitglieder von Exclusive, bewegen sich mit ihrer neuen Band Gruppe 2 vom Popschema weg, hin zu elektronischer Musik. Auf ihrem ersten Album „Game Over Zeus“ fehlt nun zwar die markante Stimme von Fabian Bottler, die zehn Instrumentalstücke haben es aber in sich. 

Vor circa fünf Jahren in der Roten Sonne in München: In dem Kellerclub läuft elektronische Musik, die Anlage dort ist ziemlich gut, weshalb die Beats in der Magengegend treffen und man das Gefühl hat, sich in einem eigenen Raum aus plastisch spürbarer Musik zu befinden. Doch dann schmettert auf einmal der Klang einer Snare-Drum durch den Raum: metallisch, klirrend, durchdringend. Diese Trommel ist der wichtigste Akzentgeber eines jeden Schlagzeug-Sets und mit einer rasselnden Kettenkonstruktion unter dem Trommelfell ausgestattet, die den Klang verfremdet und verstärkt. Der Klang schneidet durch den Raum. Er setzt sich mühelos gegen die elektronische Beat-Kulisse durch und schafft Akzente, die fesseln. Das britische Duo Mount Kimbie hat bei diesem Konzert in München recht eindrucksvoll bewiesen, was akustische Instrumente in einem elektronischen Kontext so reißen können. Und es ist erstaunlich, wie wenig Club-Musiker immer noch mit diesen doch so berückenden Effekten arbeiten.

Die neue Münchner Band Gruppe 2 versucht sich nun ebenfalls daran. Weniger erstaunlich ist dabei jedoch die radikal geplante und schnittige Ästhetik, mit der Fabian Bottler und Christian Rehländer solche Effekte in ihrem neuen Projekt erschaffen. Denn dass die beiden Musiker, die zuletzt mit der Band Exclusive ernst zu nehmenden Erfolg hatten, ein Gespür für ästhetische Grenzgänge mit enormen Pop-Appeal haben, zeigten sie auf ihrem Album „Nachtmensch“. Völlig in Eigenregie hatten sich Exclusive da von der Schülerband zum spannenden Pop-Projekt entwickelt; mit einer Radikalität und einer Frische, an die sie auf ihrem Major-Debüt anschließend nicht mehr herankamen. Dass sie das aber noch können, zeigen sie nun mit Gruppe 2. Fabian und Christian greifen damit mal wieder zu den Göttern oder sogar darüber hinaus, wenn sie ihr erstes Album, das sie gerade veröffentlicht haben, „Game Over Zeus“ nennen. Dieses überbordende Selbstbewusstsein gab ihnen schon auf „Nachtmensch“ eine schlagende ästhetische Aussagekraft. Bei Gruppe 2 schichten sie die aber auch musikalisch noch einen Schritt weiter. Denn auch kompositorisch sind die beiden, die seit fast zehn Jahren in verschiedenen Formationen gemeinsam Musik machen, nun ein Stück radikaler. 

Zum Beispiel verzichten sie völlig auf Fabians Stimme, was sich erst einmal wie ein Verlust anfühlt, denn Fabian verfügt über ein schon sehr besonderes, aufgerautes Timbre. Doch die rein instrumentale Musik, die sie nun als Gruppe 2 in zehn Tracks veröffentlicht haben, gibt ihnen andere Freiheiten. Etwa bezüglich der Strukturen, in denen sie sich nun weit vom üblichen Popschema entfernen und stark an der elektronischen Musik orientieren: Sie setzen also auf lange Spannungsbögen anstatt kurzfristiger Hooklines. 

Trotzdem ist das kein Druffi-Techno. Vielmehr hat diese Musik in ihrer Dramaturgie etwas Orchestrales, das ohne Abstriche auf Mächtigkeit setzt: „Unser Ziel war es immer, energiegeladene Musik zu machen, die einen kickt und antreibt“, erklären sie und vergleichen das mit einem Moment im Sport, „wo du auf der Zielgerade bist und die letzten 500 Meter deinen Lieblingssong anmachst und du dadurch noch mal einen Energieschub bekommst! So in etwa ist unsere Vorstellung zu unserer Musik. Power“. Produziert wird diese Musik, mit der sie sich an Justice oder Daft Punk orientieren, am Computer und mit Synthesizern. Live soll das aber zum Teil mit echten Instrumenten umgesetzt werden – Christian wie gewohnt am Schlagzeug, Fabian an Bass oder Gitarre. Den Druck wird die ohnehin schon mächtige Musik dadurch wohl ziemlich erhöhen können.

Text: Rita Argauer

Foto: Kai Lehner

250 Zeichen Wut: U-Bahn fahren

Einsteigen und Handy aus der Tasche holen, bloß keinen Augenkontakt. Unser Autor stört sich an diesem täglichen Ritual und wünscht sich etwas mehr Zwischenmenschlichkeit…

Die U-Bahn ist ein fahrendes Wartezimmer. Keiner spricht. Wir haben 900 Freunde auf Facebook, 700 Follower auf Instagram. Ausgerüstet mit Smartphones, Kopfhörern und Büchern bestreiten wir unseren Weg mehrmals täglich von A nach B. Wir flüchten uns in Musik, Nachrichten und drei-minütigen Videos. Dann befinden wir uns in unseren eigenen geschaffenen Welten. Und diese durchdringt nicht viel.

Vergisst du deine Ausrüstung, so bleibt dir der Blick ins Leere als Abwehr vor Zwischenmenschlichkeit. Eine beklemmende Stille macht sich breit. Vielleicht sind wir gar nicht mehr in der Lage aus der eigenen Blase auszubrechen. Wenn du Glück hast, wird der Zustand der Isolation durch lautes Kindergelächter unterbrochen. Dann atme ich auf. Wir sind noch lebendig.

Text: Eser Aktay

Bitte recht freundlich

Die Münchnerinnen Laura Ofenreiter, Ruby Weidemann und Miriam Zenger haben das Magazin „quite something“ gegründet – zu lesen gibt es nur positive Geschichten.

Zwei Esel stehen mit geschlossenen Augen aneinandergeschmiegt zusammen. Der eine hell, der andere dunkel. Dieses Bild ziert das Cover der ersten Ausgabe von quite something, einem neuen Print-Magazin, mit dem die Gründerinnen Laura Ofenreiter, 26, Ruby Weidemann, 25, und Miriam Zenger, 32, für mehr Optimismus kämpfen. Das Heft soll Standhaftigkeit demonstrieren und die positiven Dinge im Leben vorantreiben. 

Die drei jungen Frauen wollen auch ihr Magazin vorwärtsbringen. Sie sitzen am azurblauen Esstisch in Lauras Wohnung vor Muffins, veganer Erdbeertorte, Brezeln und einem Notizbuch mit der Aufschrift „Happy“, denn so beginnen sie immer mit der Arbeit. „Durch meine Diplomarbeit hatte ich die Idee für ein Magazin, das ausschließlich positive Dinge transportieren sollte“, sagt Laura. Danach hat sie immer wieder überlegt, wie und mit wem sich dieses Projekt realisieren lasse – „und bei Ruby und Miriam wusste ich, mit ihnen kann ich das umsetzen“, sagt Laura. Mit ihrem gemeinsamen Herzensprojekt, sagen sie, bringen sie Endorphine auf Papier. Die Artikel in dem in Karton eingefassten Heft haben Überschriften wie „Die Suche nach dem Glück und wie ich es ganz unachtsam gefunden habe“, „Bühnenluft & Gegenwind“ oder auch „Wozu Warum?“

Die Autoren sind überwiegend Freunde und Bekannte des Trios, aber auch Menschen, die sie in anderen Medien als Inspiration empfunden haben. „Wir haben die meisten von ihnen direkt angeschrieben und gefragt, ob sie für uns schreiben wollen. Irgendjemand kannte immer wieder einen anderen mit einer inspirierenden Geschichte“, sagt Laura. So findet sich in der ersten Ausgabe von quite something auch der Text einer Autorin, in dem sie erzählt, wie sie mit gerade einmal 19 Jahren die Diagnose Ataxie bekommt. Eine Krankheit, bei der eine Lähmung droht und die Lebenserwartung auf nur 50 Jahre sinkt. Auf den ersten Blick keine besonders fröhliche oder aufbauende Geschichte. Aber: Die junge Frau erzählt, wie sie die Krankheit erst verdrängt, in ein Tief fällt und sich schließlich erfolgreich zurück ins Leben kämpft. „Uns war wichtig, dass die Leser aus den Geschichten etwas Positives mitnehmen können. Manchmal weiß man gar nicht, wie toll der eigene Nachbar ist und das es helfen kann, sich öfter über schöne Ereignisse auszutauschen“, sagt Ruby.

Finanziert wurde das erste Magazin mittels Crowdfunding, Werbung gibt es nicht. Interviews heißen in quite something „heart to hearts“. „Die Gesprächspartner in unseren heart to hearts sind immer auf der gleichen Ebene, sie reden sehr offen und persönlich miteinander, deshalb nennen wir sie nicht Interviews“, erklärt Ruby.

Immer wieder die guten Seiten zu erkennen, ist etwas, das sie für sich perfektioniert haben, denn als positives Ereignis würde jeder andere ein verpasstes Mumford & Sons-Konzert, wegen dem man extra nach Island geflogen ist, sicher nicht bezeichnen – Laura und Ruby schon. Dass sie in allem etwas Gutes sehen können, wirkt nicht gekünstelt. „Wir haben alles gegeben, um noch pünktlich zu kommen, aber es war einfach nichts zu machen“, sagt Laura. Und alles versucht haben sie wirklich. Als die Durchsage kam, dass ihr Flug von München nach Island ausfällt, hing Laura keine zehn Sekunden später am Telefon und hat den Flug umgebucht. Trotzdem kamen sie nicht mehr rechtzeitig. „Dafür haben wir Nordlichter gesehen und die beste Zimtschnecke der Welt gegessen“, erzählt Laura und tut so, als ob sie sich eine Träne wegwischen müsste. Alle lachen. 

Die Heiterkeit der drei jungen Frauen ist ansteckend. Aber kracht es denn nie untereinander? „Nein. Wenn eine von uns einen schnippischen Kommentar ablässt, dann meist nur, weil sie müde oder hungrig ist“, sagt Ruby. In den letzten Wochen vor dem Druck der ersten Ausgabe waren sie fast durchgängig bei Laura. Haben Texte redigiert, das Design finalisiert und ihr den Kühlschrank ausgeräumt, nicht mal dabei gab es Stress.

Außer den Danksagungen und der Einleitung haben Ruby, Laura und Miriam nichts in ihrem Magazin selbst geschrieben. Sie verstehen sich als Artdirectorinnen, nicht als Autorinnen. „Es könnte aber sein, dass eine von uns doch mal etwas schreibt und der Text dann aufgenommen wird. Vielleicht hat diese Person auch schon ein paar Texte geschrieben, sich aber noch nicht getraut“, witzelt Laura. Alle grinsen. Denn das „vielleicht“ steht für „sicher“ und mit „Person“ ist Ruby gemeint. Auf diese Weise kann sie laut über das reden, was sie sich sonst nur denkt. Denn so lustig jede einzelne von ihnen ist und so sehr sie alle hinter ihrem Projekt stehen, so schüchtern sind sie, wenn es darum geht, sich selbst darzustellen. In den sozialen Netzwerken laden sie keine Bilder von sich beim Sport, vor einem Sonnenuntergang oder in stylishen Outfits hoch. Authentizität ist ihnen wichtig. Die Geschichten in ihrem Magazin sind genau so passiert, nichts ist erfunden.

Aber gibt es denn wirklich nichts Negatives in ihrem Leben? „Klar geht jede von uns auch durch schwere Zeiten, aber wir entscheiden uns immer wieder bewusst, den Fokus auf das Positive zu legen“, erklärt Laura ihren ungebrochenen Optimismus. Ruby hat zwar keinen Kontakt zu ihrem Vater, was sie schade findet. Aber das sei kein Grund für sie, sich selbst zu bemitleiden: „Ich werde oft gefragt, wie es so ist, ohne Vater aufzuwachsen. Ich kenne es nicht anders, dafür habe ich eine starke Mutter. Von daher will ich auch nicht traurig darüber sein.“ Mit ihrem Magazin haben sie für sich eine Lücke in ihrem Leben geschlossen. Es ist eine Art Glückspille in schweren Zeiten. Schlecht drauf? Magazin rausholen, lesen und glücklich sein.

Text: Isabel Prössdorf

Foto: Robert Haas

Augen auf

An der Kunstakademie hat sich eine „Polizeiklasse“ gebildet. Ihr Ziel ist, mit provokanten Aktionen eine Diskussion anzustoßen – und das neue Polizeiaufgabengesetz zu verhindern. 

Plötzlich sind da Kameras. Dort, wo in München Freiheit traditionell groß geschrieben wird: am Schwabinger Bach in Sichtweite des Monopteros, an dem Ort also, wo sich Freunde der Freikörperkultur auch gerne mal nackt präsentieren. Eine Metallstange ragt aus dem Bach, an ihr sind die Kameras befestigt und es sieht so aus, als würden sie die Leute beobachten. Es handelt sich um täuschend echte Attrappen, die nach ihrem Einsatz bei einem Werbedreh aus dem Müll gerettet wurden. Einige Spaziergänger bleiben stehen und starren irritiert auf den Eindringling. Was haben die Kameras hier zu suchen? Im vermeintlichen Kampf um seine Persönlichkeitsrechte wird einer der Nackten wenig später in das eiskalte Wasser waten und versuchen, die Stange umzuwerfen. „Damit haben wir genau das erreicht, was wir beabsichtigt hatten“, sagt ein Student, der an der Aktion beteiligt war.

Der 22-Jährige studiert Bildhauerei an der Akademie der Bildenden Künste in München und ist Mitglied der „Polizeiklasse“, die sich dort vor wenigen Wochen gegründet hat. Die Polizeiklasse ist ein Künstlerkollektiv. Es geht nicht um den einzelnen, sondern um die Sache – deswegen möchte auch keiner namentlich in den Vordergrund treten. An die 50 junge Menschen haben sich hierfür zusammengeschlossen: Studierende an der Akademie der Bildenden Künste München, freie Künstler, junge Menschen, die in München an der Hochschule für Philosophie studieren oder an der LMU: Politik, Soziologie, Ethnologie. Eine Definition, wer oder was die Polizeiklasse ist, ist weder möglich noch gewünscht. „Das würde uns einschränken. Wir betrachten die Klasse als Laboratorium“, sagt eine Studierende über das Projekt. Nur das Ziel ist klar: mit kreativen, provokanten und auch witzigen Aktionen einen öffentlichen Diskurs anstoßen.

Ist man einmal auf die Aktionen der Gruppe aufmerksam geworden, entdeckt man ihr Wirken an vielen Ecken der Stadt. Ihr Markenzeichen, ein weißes „Nein“ auf schwarzem Grund, klebt auf unzähligen Laternenpfählen und Club-Toiletten, schmückt Schuhe, T-Shirts und Plakate. Es ist die Antwort der Polizeiklasse auf ein Gesetz, das am 15. Mai im Bayerischen Landtag verabschiedet werden soll. Das Polizeiaufgabengesetz (PAG), das die Befugnisse der Polizei ausweiten würde und von den Mitgliedern der Polizeiklasse als akute Bedrohung der gesellschaftlichen Freiheit wahrgenommen wird. „Das ‚Nein‘ drückt aber mehr aus als unsere Ablehnung gegenüber dem PAG. Es ist auch ein Versuch, sich einen Freiraum zum Denken zu verschaffen“, sagt ein junger Mann, der an der Hochschule für Philosophie studiert.

Der Ursprung der Polizeiklasse geht auf einen Vorfall Anfang April zurück. Damals versuchten ein paar Studierende der Akademie der Bildenden Künste ein Banner mit dem Schriftzug „Nein zum PAG – Damit die Polizei dein Freund bleibt“ im Akademiegarten in Richtung Leopoldstraße aufzuhängen. Eine spontane Aktion: „Wir wollten einfach mal schauen, wie die Reaktion ausfällt“, sagt ein Student, der damals vor Ort war. Die kam schneller und heftiger, als es sich die Beteiligten ausgemalt hatten. Noch bevor das Banner hing, war bereits die Polizei vor Ort. Im Laufe des Abends wurden zwei Studenten vorläufig festgenommen, durchsucht und befragt. Die Hochschulleitung, die auf ihr Gebot zur Neutralität verweist, ließ das Banner entfernen.

Unter den Studierenden entbrannte eine heftige Diskussion. Zum nächsten studentischen Konvent, der üblicherweise spärlich besucht ist, kamen mehr als 50 Leute. Der Diskussionsbedarf war so groß, dass man es nicht bei einem Treffen belassen wollte. Sie fragten bei der Hochschulleitung an und gaben an, eine „freie Klasse“ gründen zu wollen – der Vorstoß wurde genehmigt unter der Voraussetzung, dass eine Vereinnahmung der Akademie vermieden wird. So erzählen es zumindest einige aus der Polizeiklasse.

Ein Freitagabend Anfang Mai. Die Polizeiklasse hat zum „Open Orbit“ in die Akademie eingeladen. Die Teilnehmer treffen nach und nach ein, viele kommen direkt von einer Demonstration, die zuvor am Siegestor stattgefunden hat. Als vorübergehendes Klassenzimmer hat die Gruppe den Koloss-Saal zur Verfügung gestellt bekommen. Der Raum befindet sich in einem der Altbauflügel der Akademie und ist mit gut 15 Metern Höhe gigantisch. Die Wände sind mit Ankündigungen, Mindmaps und Bannern versehen. Auf einem Heizungskörper türmen sich T-Shirts, auf die noch die Aufschrift „Nein“ gedruckt werden muss. In einer provisorischen Küche, bestehend aus einer mobilen Kochplatte und einem kleinen Kühlschrank, wird gemeinsam gekocht.

Der „Open Orbit“ basiert auf der „Open Space Technology“, eine in den Achtzigerjahren entwickelte Diskussionsmethode. Das Prinzip ist einfach: Zunächst treffen sich alle in einem großen Kreis und besprechen den aktuellen Stand der Dinge. Dann werden Themenvorschläge gemacht, zu denen jeweils kleine Untergruppen gebildet werden können. In diesen kleineren Gruppen werden die konkreten Projekte umgesetzt. Welchen Untergruppen man sich anschließen möchte, steht den Teilnehmern absolut frei.

Zweimal in der Woche trifft sich die Polizeiklasse zum Open Orbit. An diesem Freitagabend sind ungefähr 60 Leute erschienen, durch die Demonstration sind viele Neuankömmlinge dabei. Auf ihrer Website beschreibt sich die Polizeiklasse als „interdisziplinäres und gesellschaftsübergreifendes Projekt“, sie öffnet sich also auch Menschen, die nicht an der Akademie studieren. Einer, der neu dazugekommen ist, hat gleich einen Vorschlag: zusätzlich zum Aufstellen der Kamera-Attrappen könnte man existierende Überwachungsanlagen zerstören. „Das würde tatsächlich was bringen und wäre nicht nur so ne Kunstaktion“, sagt er. Was folgt, ist eine hitzige Debatte über Ziele und Methoden der Polizeiklasse. Nach einigen Argumenten verlässt der Initiator der Diskussion frustriert den Raum. „Wir wissen einfach, wie schnell man mit solchen Aktionen in eine bestimmte Schublade gesteckt wird. Wir wollen unsere Möglichkeiten erweitern. Mit Gewalt erreicht man das genaue Gegenteil“, sagt eine Studentin, die seit den Anfängen dabei ist. Der Wunsch nach maximaler Offenheit und die gleichzeitige Notwendigkeit, gemeinsame Ziele zu formulieren, ist ein Konflikt, der im Open Orbit immer wieder neu ausgetragen werden muss. 

Das klappt erstaunlich gut. Die meiste Zeit verläuft die Diskussion fokussiert und freundlich. „Vielleicht klingt das zynisch, aber irgendwie bin ich fast dankbar für das PAG“, sagt eine junge Künstlerin. „Dieses absurde Gesetz ist wie eine Plattform, von der aus wir gemeinsam starten konnten.“ Und tatsächlich spürt man die Energie, mit der sich die Mitglieder der Klasse in die Projekte stürzen. „Endlich passiert etwas und endlich kann ich mich einbringen“, sagt einer der Studenten. Und nach der Abstimmung im Landtag? Wie geht es weiter mit der Polizeiklasse? „Es war von Anfang an unsere Absicht, uns nicht nur auf das PAG zu beschränken.“ Die Polizeiklasse legt gerade erst los.

Text: Wolfgang Westermeier

Fotos: www.polizeiklasse.org

Von Freitag bis Freitag München: Unterwegs mit Anastasia

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Egal ob Regen oder Sonnenschein, unsere Autorin hat für jede Wetterlage etwas geplant. Eine Diskussion zum PAG im Lovelace, die Artmuc-Kunstmesse oder der Substanz Poetry-Slam – die Auswahl an tollen Events ist auch in dieser Woche wieder so groß, dass die Entscheidung schwer fällt.

Ach, München! Ich bin sehr verliebt in dich und heute ganz besonders. Nachdem gestern einige Tausend Menschen auf die Straße gingen, um mit Plakaten, Musik und ganz viel bunter Farbe zu zeigen, was die Münchner von dem neuen PAG halten, bin ich so stolz wie noch nie, ein Teil dieser Stadt zu sein. 

Top motiviert starte ich also an diesem Freitag in mein München-Wochenende. Heute geht’s zur Artmuc. Gezeigt werden Bilder von mehr als 150 Künstlern und aus 25 Galerien aus ganz Europa. Das Ganze findet im Isarforum und auf der Praterinsel statt. Ich hoffe auf ein wenig Sonnenschein. Die vielen Wolken wirken doch recht düster und drücken die Stimmung. Dennoch weiß ich mir zu helfen: “Mit Vergnügen” lädt erneut zum Tanzvergnügen ein. Der Name ist Programm. Im Strom wird zu Beats von VELI x VIWO und André Dancekowski getanzt. Das taugt!

Auch der Samstag wird musikalisch. Heute steht allerdings Hip-Hop auf dem Programm. Im Container Collective freue ich mich auf Künstler wie Jason Saint, Madox oder Malcolm R. Unter dem Veranstaltungstitel Poetry & Hip-Hop werden Spoken Word Artists und Hip-Hop Artists, wie Mc’s, Beatboxer und Djs zusammengebracht, um ihrer Kreativität freien Lauf zu lassen.

Ich bin auf den Geschmack gekommen. Dabei sind Poesie und Reim eigentlich nicht meine Stärken. Nachdem ich also zuerst Rappern neidisch lauschen durfte, sitze ich am Sonntag im Publikum des Substanz Poetry-Slams. Künstler aus ganz Deutschland sind dabei. Nicht zu vergessen der amtierende Stadtmeister Yannik Sellmann.

Zum Wochenstart kommt noch einmal die ganze PAG-Sache auf. Im Lovelace wird zum Thema „Sicherheit vs. Freiheit? Was steckt hinter dem PAG?“ diskutiert. Für mich gilt: Nach der Demo ist vor der Demo. Es muss weiter gesprochen werden. Ich höre mir also an, was Markus Löffelmann vom Landgericht München, Bijan Moini von der Gesellschaft für Freiheitsrechte und Carmen Wegge von den Jusos dazu zu sagen haben.

Dienstag ist Unitag. Vorlesungen von acht bis acht, da bleibt nicht viel Zeit für ein großes Programm. Mittags verbringe ich die Freistunden dafür verrmutlich am Eisbach oder im Englischen Garten. Im Grünen ist das viele Texte-Lesen gar nicht mal so schlimm. 

Dafür geht’s am Mittwoch wieder mehr zur Sache. Im Feierwerk treten junge Musiker beim „Sprungbrett“ gegeneinander an. Hierbei handelt es sich um ein Förderprogramm für junge Bands der Stadt. Bei einer der beiden Hauptrunden unterhalten heute Embrace The Emperor, LORIIA und Endlich Rudern das Publikum mit Musik aus unterschiedlichen Genres. Selbstverständlich drücke ich meinen Favoriten die Daumen.

Donnerstag ist bekanntlich der kleine Freitag – und das bekomme ich heute sowas von zu spüren. Ich habe die Qual der Wahl zwischen gleich drei Events. Plan A: Im Amper ist heute Munich Rocks. Es spielen Amanda Marie, Muddy What? und BETA. Dazu noch Musikkaberett von Alex Döring. Plan B: Zeitgleich findet in der Kunsthalle das Event »Re-Act!«- Harry Klein goes Kunsthalle statt. Kunst und Electronica, klingt auch gut! Plan C: Ich nehme die Fahrt nach Garching auf mich und checke die Konkurrenz aus. Die TU lädt zur Unity ein!

Freitag, na endlich! Abends bleibe ich an der Uni. Oder zumindest so ähnlich. Im Kulturreferat StuVe LMU München findet erneut eine Kreative Hausparty statt. Glitzer, Musik, Farbe und Bier – die beste Kombination für einen gelungenen Start ins Wochenende!

Text: Anastasia Trenkler

Foto: privat

Band der Woche: Cosma Joy

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Die Münchener Singer-Songwriterin Cosma Joy, 17, überzeugt mit ihrer selbstbewussten Stimme über sanften Gitarrenklängen. In der Zukunft will sie die Musik zum Beruf machen. 

Die Gitarre erscheint heute als Platzhalter für all diejenigen, die gerne Musik machen und insbesondere singen wollen, sich aber mit dem instrumentalen Bereich der Musik möglichst wenig auseinandersetzen möchten. Eine Gitarre ist dafür sehr praktisch. Die offenen Grundakkorde, mit denen man jeden Lagerfeuerklassiker begleiten kann, hat man auch als Autodidakt schnell drauf. Und auf den unauffälligen Akkordklang lässt es sich famos singen. Denn die Stimme ist da zwangsläufig immer die Hauptattraktion. Das kann zum Problem werden, wenn die Stimme mal nicht so fabelhaft außergewöhnlich ist, denn dann wird der künstlerische Output der vielen Akustik-Gitarren-Singer-Songwriter austauschbar.

Wie großartig aufregend Songwriter-Musik sein kann, wenn die Gitarre mal gegen ein anderes Instrument getauscht wird, zeigt sich etwa bei Joanna Newsoms Harfe oder Regina Spektors Klavier. So weit ist die erst 17-jährige Münchner Songwriterin Cosma Mollenhauer alias Cosma Joy noch nicht. Sie spielt sich bisher die übliche Akustik-Gitarren-Begleitung unter ihre selbstgeschriebenen Songs. Doch diese Songs haben Potenzial. Denn was Cosma stimmlich macht, ist viel näher an den genannten US-Amerikanerinnen als an Münchner Open-Stage-Sessions. 

Das hängt zum einen mit Cosmas Stimme zusammen. Ausgesprochen sicher intoniert sie auch in komplizierteren melodischen Linien. Doch es ist nicht nur das: Cosma benutzt ihre Stimme auch schön selbstbewusst und nicht so kleinmädchenhaft und pseudo-schmollend wie das bei so vielen Songwriterinnen seit Dillon und CocoRosie angesagt ist. Cosma hingegen singt mit einem klaren Timbre, das sich eher an den dezidierten Aussagen eines Bob Dylan oder einer Janis Joplin orientiert. Dazu schreibt sie auch noch spannende Gesangslinien über ihre bisweilen doch recht langweiligen Akustik-Gitarren-Akkorde. Da drängt mal die piepsige Verwirrtheit durch, mit der Joanna Newsom bisweilen kokettiert, da finden sich aber genauso auch die schwere Theatralität und das verrückte Selbstbewusstsein einer Regina Spektor.

Selbstbewusst ist sie auch, was ihre weitere Karriere betrifft. Cosma will Berufsmusikerin werden und all ihre Zeit der Musik widmen: „Ich will Musik als meine Arbeit machen, genug Geld damit verdienen, dass ich nie beruflich etwas anderes machen muss, als ich wirklich möchte, das ist der Traum“, sagt sie ähnlich zielgerichtet wie ihre Musik klingt. Und gerade läuft es ganz gut an für sie. Sie supported die Kölner Musikerin Josin auf deren Tour mit Konzerten in Berlin, Hamburg, Köln und München. Zudem hat sie gerade die EP „Baby, I’m a dreamer“ veröffentlicht. 

Von ihrer Familie bekommt sie Unterstützung. Die Familie hatte sie auch von Kindheit an geprägt: Ihre Mutter habe ihr zum Einschlafen Jazz-Lieder vorgesungen, Vater und Mutter hätten sich über ein gemeinsames Bandprojekt kennengelernt. Die Musik ist Cosma also nah. Eine Band aber sucht sie derzeit noch nicht, auch wenn die vergrößerte Klangvielfalt ihre Musik vermutlich noch ein Stück interessanter machen würde. Aber: „Es ist schwierig, Menschen halbwegs in meinem Alter zu finden, die sich komplett einer Karriere als Musiker widmen“, erklärt sie.

Text: Rita Argauer

Foto: Tim Davies

250 Zeichen Wut: Geschwister-Scholl-Platz

Einfach nur am Brunnen sitzen und das schöne Wetter genießen. Unser Autor weiß, dass das vor der LMU manchmal zum Problem werden kann…

Kaum genießen wir die Muße am Brunnen, rücken sie schon an.
Bewaffnet mit Bergen an Flyern, Gratis-Stiften und süßen Schnitten (keine
Mädels) wollen sie alles von uns- nur nicht unsere Ruhe. Verdammt, könnt ihr
euch nicht politisch engagieren anstatt uns irgendwelche
bescheuerten Nebenjobs anzudrehen? Die braucht nämlich niemand- einen Platz an
der Sonne aber schon.

Text: Louis Seibert