Schöne Stadt

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In München hat sich eine junge Fotografen-Szene etabliert – auch deswegen findet man hier jede Menge Models.

München – Ihre Haut ist unfassbar blass. Die langen roten Haare reichen ihr bis über die Brust. Unzählige Sommersprossen zieren das schmale Gesicht. Nackt steht die junge Frau mit ihren dünnen Beinen auf einem Felsen. Es weht Wind. Um sie herum unzählige Berge. Diese Fotografie hat etwas Fantastisches, Mythisches. Dem Fotografen, Korbinian Vogt ist es gelungen, die natürliche Schönheit des Models in Szene zu setzen und eine ganz besondere Art der Ästhetik zu schaffen.

Denn Cate Red, die rothaarige junge Frau im Mittelpunkt von Korbinians Werk, entspricht nicht gerade dem Model-Klischee aus Solariumbräune und strahlendem Kameralächeln. Sie steckt weder in hipper High-End-Fashion-Kleidung, noch posiert sie mit der Hand an der Hüfte für das Cover eines Modemagazins. Für Münchner Fotografen ist Cate schon lange keine Unbekannte mehr. In den vergangenen Jahren hat sie mit vielen verschiedenen Künstlern dieser Stadt zusammengearbeitet.

„Mein großes Glück war es, bereits am Anfang mit dem Modefotografen Stefan Glathe zusammenzuarbeiten. Dank dieser Kooperation hatte ich von Beginn an hochwertige Bilder in meinem Portfolio. Das hat mir viele Türen geöffnet, auch in München“, sagt die 27-Jährige. Heute ist ihr Gesicht in den Fotomappen vieler deutscher Fotografen zu sehen. Der Weg vom Hobbymodel bis hin zu großen, professionellen Fotostrecken und ersten Werbeaufträgen ist jedoch lang.

Auch Lara Vogel, 19, ist eine erstaunliche Entwicklung gelungen. „Bei mir kam die Modelsache eher durch Zufall. Einer meiner Freunde ist Fotograf. Wir haben Bilder gemacht und die habe ich dann auf Facebook gestellt. So wurden andere Künstler auf mich aufmerksam. Anfangs habe ich auch selbständig Fotografen angeschrieben und bin dadurch zu einer Zusammenarbeit gekommen. Im Allgemeinen hilft es, sein Portfolio ständig zu erweitern“, sagt die junge Münchnerin. Auf Instagram hat sie fast 7500 Follower. „Ich war für einige Zeit bei einer Agentur. Weil ich aber nur 1,63 Meter groß bin, hielt ich meine Chancen, Werbeaufträge zu bekommen, für eher gering. Jetzt arbeite ich ohne Agentur und das funktioniert auch gut“, sagt sie. Lara kann sich nicht vorstellen, jemals hauptberuflich als Model zu arbeiten. Im Oktober wird sie mit dem Studium der Kommunikationswissenschaften beginnen.

Cate Red, Lara Vogel, beide Namen werden häufig genannt, wenn man über die Münchner Modelszene spricht. Für den Fotografen Korbinian Vogt ist klar: „In München gibt es mit Sicherheit eine Modelszene. Die funktioniert wie ein Netzwerk, wie ein großer Freundeskreis.“

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Auch Fotografiestudentin Nadja Ellinger sucht für größere Projekte bevorzugt Menschen aus, mit denen sie bereits zusammen gearbeitet hat. „Das Verhältnis ist vertraulicher, man versteht einander. Das erleichtert die Arbeit. Manchmal ist mir aber auch nach neuen Gesichtern, dann suche ich einfach über die sozialen Netzwerke“, sagt Nadja. „Es gibt viele junge Frauen, die einfach aus Spaß modeln, oder ihr Portfolio erweitern möchten“, sagt sie. „Was in München allerdings auffällt, ist der Mangel an männlichen Models“, fügt Nadja hinzu. Wirklich erklären kann sie ihre Beobachtung allerdings nicht. Maximilian Bungarten, selbst Model, hat eine Vermutung: „München ist der falsche Ort, um Fotostrecken für Magazine zu produzieren. Diesen Bereich findet man dagegen in London. Was hier in München gut funktioniert, sind Werbejobs. Das ist allerdings nicht so ganz mein Ding“, sagt der 23-Jährige. Obwohl Maximilian mit Fotografen wie Milena Wojhan zusammengearbeitet hat und in vielen Magazinen zu sehen war, kann er sich nicht vorstellen, das Modeln zum Beruf zu machen. Er studiert derzeit an der Hochschule für Fernsehen und Film, „wo es momentan ganz gut läuft“.

Aber: München ist teuer. Der Großteil aller Studenten hat einen Nebenjob, um die Lebenshaltungskosten im überteuerten München zu finanzieren. Einige haben Werkstudentenjobs, viele kellnern, andere modeln, so wie Ada Binaj, 22: „Ich sehe mich in erster Linie als Musikerin und nicht als Model. Es ist eine gute Sache, um zu lernen, wie man sich präsentiert, und auch ein klasse Nebenjob“, sagt sie. Ada ist Bassistin bei zwei Münchner Bands, sie absolvierte an der Berufsfachschule für Musik eine Ausbildung für Jazz, Rock und Blues. „Ich hatte mich damals auf den Vorschlag meiner Mutter hin bei einigen Agenturen beworben. Ich kann mir nicht vorstellen, das jemals hauptberuflich zu machen. Als Nebenjob funktioniert das dagegen gut“, sagt sie. 

Text: Anastasia Trenkler

Fotos: Nadja Ellinger,
Korbinian Vogt

Malerisch

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Alina Grasmann muss sich nach dem Studium erst noch an den Künstleralltag gewöhnen. Die bildende Kunst ist aber nur eine ihrer Karrieren. Die andere: Sie arbeitet sehr erfolgreich als Model.

Durch die Fensterfassade flutet die Sommersonne den kleinen Raum. Behälter mit Pinseln, Farbtöpfe und zwei Flaschen Prosecco von der jüngsten Atelierausstellung stehen in der Ecke. Es riecht nach frischer Farbe im Atelier von Alina Grasmann, das sich hinter der siebten der neun bronzefarbenen Türen direkt unter den Brückenrampen der Ganghoferbrücke befindet. Aus mehreren Leinwänden sucht Alina ein Bild heraus, das sie gerade verkauft hat. Vorsichtig entfernt sie Luftpolsterfolie und Krepppapier und hebt das Bild heraus: „Das muss ich eh raussuchen. Der Sammler holt das am Sonntag ab.“

Sie lehnt das Ölbild an den Tisch mit den Pinseln und Farbeimern. Auf der großformatigen Leinwand offenbart sich der mondäne Charme eines Wiener Kaffeehauses: Man blickt an zwei alten Polsterbänken und einem Tisch vorbei durch das Fenster auf ein parkendes Postauto. An Alinas Schreibtisch ein weiteres Motiv, gedruckt auf ihrer Künstlervisitenkarte: Der Blick fällt auf glatt polierte Sitze in einem Luftschiff und schweift hinaus auf ein Meer aus träumerischen Wolken. Es sind fotorealistische Motive mit Öl auf Leinwand oder im kleinen „Fotopapierformat“ gemalt, die besondere Stimmungen erzeugen.

Malen ist nicht ihr einziger Leinwand-Job. Alina modelt auch. Ein befreundeter Fotograf erklärte ihr vor einigen Jahren, auf was man bei Porträtaufnahmen aufpassen muss, sie versuchte sich für diese Fotos gleich selbst als Model. Nach und nach kamen dann immer mehr Anfragen.

Nach dem Kunstdiplom im Februar 2017 an der Akademie der bildenden Künste in München malt sie vor allem. Dass sie das Modeln etwas zurückgefahren hat, liegt daran, dass sie wegen des Malens gar nicht mehr so viel Zeit dafür hat. An den Künstleralltag musste sie sich erst gewöhnen: „Ich glaube, ich hatte so ein romantisches Künstlerbild und war erst mal ein bisschen überfordert. Man hat nie ein festes Einkommen, aber für mich ist es der schönste Beruf der Welt.“ Im Atelier, in dem sie bis in die Nacht arbeitet, wird die Leidenschaft greifbar. Die Frau mit den hellbraunen Augen, die ein blaues Sommerkleid trägt, hat aber auch spannende Modeljobs erlebt.

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Bereits während des Studiums stand Alina für viele Münchner Fotografen Porträt. Sie selbst sieht sich nicht primär als Model: „Es macht mir Spaß. Ich mache das gerne für befreundete Fotografen oder wenn ich ein bisschen Geld brauche, aber ich habe da jetzt keine Ambitionen. Modeln ist mir gar nicht so wichtig.“ Heute steht sie nur noch für befreundete Münchner Fotografen wie Katarina Sopcic oder Camillo Büchelmeier vor der Kamera. Durch das Auslandssemester Fotografie in Wien kennt Alina auch die Perspektive des Fotografen.

Wichtig bei einem Modeljob ist ihr, dass sie das Konzept dahinter mag. Im Laufe der Zeit haben sich so einige Fotoshootings ergeben: Für Milan Soos’ Fahrradporträtreihe radelte sie in Bomberjacke und blau-weißem Ringelshirt die Ludwigstraße entlang. Sebastian Botzler fotografierte Alina ganz „Haute Couture“ im beigen Vintage-Kleid im Gewächshaus. Für die Fotoreihe „Menschen, die neben sich stehen“ liegt sie am Boden ihres Ateliers. Passend zum Thema verschwimmen die Umrisse ihres kühlen Gesichts. Besonderes im Gedächtnis geblieben ist ihr das einwöchige Shooting mit Fotograf Markus Burke in Italien. In einem malerischen Haus, auf einer Fähre und am Strand hat sie für ein Neon-Modeheft geshootet. Es war Arbeit, die Kulisse aber wie im Urlaub und „Urlaub mag ich ohnehin immer gern“, scherzt sie. Für Modeschulen ist Alina auch auf dem Laufsteg gelaufen, aber das ist nicht ihr Ding: „Man steht da den ganzen Tag frierend rum, wartet, dann ist es in zwei Sekunden vorbei und man ist so aufgeregt davor.“

Alina macht auch selbst Fotos – als Vorlage für ihre Ölbilder. Manche dieser Fotovorlagen entstehen auch in München. Wer das Ölbild mit dem grünen Dschungel hinter weißen Plastiksitzen sieht, kommt trotzdem nicht sofort auf die Idee, dass es sich an der Münchner U-Bahn-Station Odeonsplatz orientiert. Der Grund: Alina verwandelt die Fotovorlagen durch subtile Neukombinationen in etwas Einzigartiges: „Meistens baue ich mir meine Bilder so zusammen und das finde ich auch schön, wenn man das spürt. Oft sehen meine Motive in echt anders aus, weil ich die Sachen, die stören, weglasse oder anders male.“ Wer in den gemalten Bildern verweilt, der verliert sich dann in der Ästhetik des leeren Raums, denn Menschen gibt es in den Bildern nicht. Der Betrachter soll die Räume als eigene Projektionsfläche nutzen können: „Ich finde es total schön, wenn ich dem Bild etwas von mir gebe und die Leute dann etwas Eigenes erkennen“, sagt sie und guckt nach links zu einem weiteren Ölbild: Man sieht Motive von Pflanzen des zeitgenössischen Künstlers Jonas Wood, die in einen industriellen Ausstellungsraum gestellt sind.

Das Bild stammt aus der Serie „West of Eden“, bei der sie Motive berühmter Maler von Wood bis van Gogh als greifbare Gegenstände in Räume integriert hat. Die Vorlage basiert auf Ausstellungsräumen, die sie auf einer USA-Reise entdeckt hat.

Die Reisen, speziell in die USA, sind sehr inspirierend. Das Spannungsfeld zwischen der Heimat München und dem Unterwegs-Sein schildert sie so: „Ich habe hier mit dem Atelier sehr gute Voraussetzungen und von hier aus kann ich meine Reisen machen. So schlimm wie alle immer tun, ist München gar nicht. München ist eigentlich schon ganz cool“. Schon bald ist es zum vierten Mal so weit. Weg aus München, auf in die USA. Bis Januar 2018 bekommt Alina in Brooklyn im Zuge eines Programms der „NARS Foundation“, das aufstrebende Künstler fördert,
ihnen ein eigenes Atelier bereitstellt.

Doch ganz gleich, ob in den USA oder in München: Das Malen auf Leinwand hat Vorrang vor dem Modeln als leere Leinwand eines Fotografen: „In meine Bilder gebe ich alles rein, was ich habe. Beim Modeln geht es um Projekte von anderen Leuten. Das sind ja gar nicht meine Ideen, die ich einbringe. Da bin ich sozusagen ein Kleiderständer.“


Text: Maximilian Weigl

Fotos: Markus Burke, Katarina Sopcic

Jede Aufnahme ein Etappensieg

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Korbinian Vogt, 21, fotografiert nackte Frauen. Fast immer in rauen Berglandschaften. Vor dem Shooting wandert der Fotograf mit dem Model – teils stundenlang

Die Frau ist schön, das erkennt man sofort. Ihr Körper ist schlank, zahlreiche Muttermale zieren den Körper. Ihr ist kalt, sie hat Gänsehaut. Über eine nackte Brust fallen wilde, blonde Locken. Überhaupt trägt die schöne Unbekannte keine Kleidung, lediglich ein Bikini-Abdruck erinnert an einen längst vergessenen Sommer. 

Ihr Gesicht sehen wir auf dieser Fotografie nicht, ebenso wenig erfahren wir, wer sie ist, woher sie kommt oder warum sie splitternackt vor einem Bergmassiv posiert. Und trotzdem erzählt die aus acht Bildern bestehende Serie eine Geschichte; diese schöne Frau gehört hierher, mitten hinein in die gewaltige Berglandschaft. 

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Aufgenommen hat die Serie der Fotograf Korbinian Vogt im bayerischen Karwendel. Der Münchner fotografiert nackte Frauen. Fast immer in rauen Berglandschaften, „weil dort alles so unmittelbar wirkt“. Seine eindrucksvollen Fotografien lassen nicht erkennen, dass der Fotograf erst 21 Jahre alt ist. 

„Ich möchte das Raue in schöner Weise zeigen“, sagt der Münchner. Sätze wie diese lassen ihn älter wirken, sein junges Aussehen hält dagegen. Er spricht schnell und wirkt leicht nervös, ist wohlerzogen, aufmerksam und heiter. Korbinian umgibt eine gewisse Aura; eine, die man als weltfremd beschreiben könnte – herrlich weltfremd und erfrischend ehrlich. Er ist keiner, der sich in den Vordergrund stellt, seine Bildsprache zielt nicht darauf ab, Follower bei Instagram zu generieren oder irgendeinem Trend zu folgen. 

Im Gespräch legt Korbinian eine anfängliche Schüchternheit schnell ab, erzählt von seiner ersten Spiegelreflexkamera, die er im Alter von acht Jahren von seinen Eltern geschenkt bekam. Korbinian wächst in Obermenzing auf, die Schule bricht er ohne Abschluss ab. Er geht nach den Sommerferien einfach nicht mehr hin, in dieses „Gefängnis“. Seine Eltern unterstützen die Entscheidung bedingungslos. 

Er widmet sich fortan ganz der Fotografie. Immer wieder zieht es ihn in die Berge, erst ins nahe Karwendel, später nach Island oder Norwegen. Mit 18 fotografiert er erste Aktaufnahmen. Seine Intention: die Schönheit der Natur noch direkter darzustellen. 

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2015 schießt er in Island eines seiner Lieblingsbilder. Es zeigt eine schlanke Frau mit kurzen braunen Haaren, die auf einen isländischen Gletscher blickt. Sie wendet dem Betrachter den Rücken zu, setzt dabei einen Fuß vor den anderen, als wolle sie gleich loslaufen, in Richtung des Eises. Auf Instagram schreibt Modell Roarie Yum später, wie kalt ihr gewesen sei. Die Fotos, oder, wie sie es nennt, die Kunst, seien es wert gewesen. 

„Ich habe vorher immer ein Konzept im Kopf, will eine Geschichte erzählen“, erzählt Korbinian. Das Wandern ist dabei ein integraler Bestandteil seiner Arbeiten: Gemeinsam mit einem Modell wandert der Fotograf – teils stundenlang – durch bergige Landschaften. Die Fotos entstehen nebenbei, jede Aufnahme ein Etappensieg. Bei Schnee und Regen trägt Korbinian dann immer extra Decken und Tee mit ihm Gepäck, damit sein Modell sich nicht unterkühlt. Mehr als 1000 Aufnahmen macht Korbinian während seiner Reisen, nur acht bilden letztlich die finale Serie. 

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Seine Arbeiten begeistern bereits eine erlesene Auswahl von Sammlern, sie machen seine Arbeit finanziell überhaupt erst möglich. Anders als viele junge Künstler übt Korbinian keinen Nebenjob aus, obwohl er von seiner Fotografie noch nicht leben kann. Lieber verzichtet er dann auf das, was zu viel Geld kostet, geht am Wochenende nicht feiern, sondern feilt stattdessen an neuen Ideen. 

Unterstützt wird er dabei von seinem Mentor, dem renommierten, in München lebenden Fotokünstler Olaf Unverzart. Der schreibt im Vorwort zu Korbinians jüngst erschienen, auf 500 Exemplare limitierten ersten Fotobuchs „Narrated Monologue“: „Korbinians Bilder wollen nicht modern oder hip sein. Der Aufnahmezeitpunkt spielt keine entscheidende Rolle.“ 

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Tatsächlich sind Korbinians Fotografien zeitlos. Alle Porträtierten sind nackt, weil Kleidung nur von der immer monumentalen Landschaft ablenken würde. In einer Hinsicht aber muss man Unverzarts Worte ergänzen: Korbinians Bilder sind modern, auch wenn sie es nicht wollen. Denn Korbinian zeigt nackte Frauen ohne Photoshop und Make-up, mit Charakter und Makel. Man mag dafür kaum das Wort „Trend“ benutzen – aber ja, zahlreiche Magazine und Plattformen (zuletzt etwa die amerikanische Ausgabe der Modezeitschrift Glamour) folgen dem Trend, Frauen wieder unverstellt und unbearbeitet zu zeigen. 

Das ist gut und ehrlich – und entspricht Korbinians Auffassung von Kunst. Auch wenn er selbst sich nicht als Künstler einordnet. Er möchte lieber Geschichtenerzähler sein. „Jeder hat doch im Leben schon irgendetwas erlebt“, sagt er und wirkt wieder einmal bedeutend älter. 

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Über Schicksalsschläge, Todesfälle in der Familie und Hindernisse, die er mit seinen 21 Jahren schon erlebt hat, spricht er nicht, nutzt dafür die Fotografie als Eigentherapie. Er braucht kein Rampenlicht, ist viel mehr Strippenzieher und Regisseur, der Natur und Weiblichkeit in seinen Fotografien einen Auftritt schenkt. 

Dabei werden viele seiner Modelle zu Wegbegleiterinnen, manche lichtet er immer wieder ab. Zum Beispiel das britische Modell Vincent. Ihre raspelkurzen Haare findet man in seinem Fotobuch mehrmals, mal rekelt sie sich nackt auf einem Sofa, in Island steht sie unbekleidet vor einem Gletscher. 

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Obwohl Korbinian in München gerade erst langsam größere Bekanntheit erlangt (die Junge-Leute-Seite der SZ etwa zeigte seine Serie „Karwendel“ vergangenes Jahr in der Galerie Farbenladen des Feierwerks), ist Korbinian im Internet kein Unbekannter. Seine Arbeiten wurden bereits auf zahlreichen Plattformen gezeigt, darunter das Kaltblut-Magazin und das P Magazine. Die Foto-Plattform der italienischen Vogue wählte eine seiner Arbeiten auf Platz 56 der wichtigsten 100 Fotos des Jahres 2016. Für einen 21-Jährigen ist das bereits eine beachtliche Leistung, gilt doch insbesondere die Vogue noch immer als Blatt, das Fotografen berühmt macht. 

Wohin er als nächstes reist, ist noch unklar. Korbinian ist einer dieser Münchner, die immer wieder raus müssen aus der Stadt – aber auch einer, der immer wieder zurückkommt. Immerhin ein Fixpunkt für 2017 steht schon fest: Von Mai an wird der Fotogalerist Ingo Seufert seine Arbeiten in der Galerie in der Schleißheimerstraße zeigen. Verdient.

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Website des Künstlers: http://www.korbinianvogt.com/

Text:  Valerie Präkelt

Fotos: Korbinian Vogt

Gewagter Schritt

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Als Model zeigt sich Simon Lohmeyer oft im Jackett, Rollkragenpulli oder Karohemd. Auf seinem Blog präsentiert er sich jetzt nackt – und als Aktfotograf

München – Simon Lohmeyer, 24, ist seit sieben Jahren ein durchaus gut gebuchtes Männer-Model bekanntes Gesicht in der internationalen Model-Branche. Jetzt will er auch hinter der Kamera Karriere machen. Dafür hält er auf seinem Fotoblog Dirtydirty.me seinen nackten Hintern vor die Linse: Das Model fotografiert sich und vor allem andere nackt – privat und auch an öffentlichen Plätzen.

SZ: Läuft das Modeln nicht mehr so gut? Oder warum ziehst du dich und andere für die Kamera aus?
Simon Lohmeyer:
Ich habe relativ früh begriffen, dass das Model-Business nicht mein Lebensinhalt ist. Viele meiner Freunde in der Branche sind um einiges älter und modeln immer noch. Das ist nichts für mich. Wenn ich 35 Jahre alt bin, möchte ich nicht nur vor der Kamera posiert haben, sondern auch was anderes können. Deswegen habe ich vielen Fotografen, mit denen ich gearbeitet habe, über die Schulter geschaut. Meine „nackigen Projekte“ hatte ich schon immer im Hinterkopf.

Deine Fotografien sind sehr freizügig. Soll Dein Blog als Pornoheftchen im Zeitalter Web 2.0 gesehen werden? Glaubst du, du könntest nicht anders auf dich aufmerksam machen?
Mit meiner Kunst möchte ich nicht schockieren. Ich will keine Fotos wie Terry Richardson Schwanz-Bilder machen. Meine Bilder sollen noch wohnzimmertauglich sein. Sie sollen die Menschen zum Nachdenken anregen. Die heutige Gesellschaft ist mir zu spießig und unehrlich: Jeder trägt doch nur eine Maske und traut sich nicht, sein wahres Gesicht zu zeigen. Mit den Fotografien versuche ich sie zu demaskieren. Man muss noch über sich selbst schmunzeln können.

Meinst du nicht, dass du es in zehn Jahren bereust, Nacktfotos von dir ins Internet gestellt zu haben?
Nein, ich bin unkonventionell aufgewachsen. Meine Eltern waren Hippies. Als ich ein Kind war, sind wir mit dem VW Bus durch Deutschland getourt und haben an schönen Orten gehalten. Dort konnten wir uns in allen Facetten frei fühlen, Nacktheit war etwas Selbstverständliches. Mir gefällt es, nackte Menschen zu fotografieren es ist nicht meine Absicht Klamotten zu verkaufen. Ich habe mit Nacktheit kein Problem, ich könnte mich auch jetzt ausziehen und auf den Tisch setzen und ein Foto von mir machen.

Nicht jeder ist da so offen. Wie bekommst du die Mädels dazu, sich für dich auszuziehen? Bezahlst du sie?
Angefangen hat es damit, dass ich mich und meine damalige Freundin nackt fotografiert habe. Nachdem ein paar Freundinnen von ihr das Ergebnis gesehen haben, wollten sie sich auch von mir fotografieren lassen. Mittlerweile bekomme ich täglich Anfragen von Frauen und Männern, die sich gerne von mir nackt ablichten lassen wollen. Auf Shootings frage ich auch mal die Models, wenn sich die Situation ergibt, und ich glaube, dass etwas Schönes dabei rauskommen könnte. Eine Gage zahle ich nicht – die Bezahlung ist das Foto.

Hatte deine Ex-Freundin keine Bedenken, wenn sich vor deinen Augen nackte Frauen rekelten? War Eifersucht da ein Problem?
Am Anfang schon. Aber dann hat sie gesehen, dass alles professionell abläuft. Es ist nur ein nackter Körper vor der Kamera. Während der Aufnahmen bin ich weniger Mann, sondern ganz Fotograf. Ich will einfach ein schönes Bild.
Wie kann man sich ein Foto-Shooting bei dir vorstellen. Die Motive entstehen oft aus einer spontanen Situation. Bei einer Motorradtour durch einen Tierpark in Kambodscha habe ich das Model nackt in das Maul einer Löwenstatue gehoben. Das musste super schnell gehen! Die Zähne waren total spitz und haben sich in den Hintern von ihr gebohrt. Sie hat ganz schön gelitten. Zum anderen war dieser Platz gerade in diesem Moment nicht stark besucht und wir wollten nicht erwischt werden.

Gab es schon mal Ärger wegen deiner FKK-Fotografie?
Ärger zum Glück nicht. Bei einer Wasserbombenschlacht in Österreich haben die Nachbarn mal die Polizei gerufen. Die kamen vorbei, haben gelacht und uns gebeten, dass wir uns wieder anziehen. Ein anderes Mal habe ich in den Tempeln von Angkor Wat in Kambodscha mit einer Maske auf einem Podest ein Selbstporträt geschossen, ein paar Touristen sahen es, aber mehr, als dass sie mir kurz auf den Hintern geschaut haben, ist nicht passiert.

Foto: Simon Lohmeyer

Stefanie Witterauf