Neuland

Julian Wittmann, 25, und sein jüngerer Bruder Thomas Wittmann, 22, sind am Ziel ihrer außergewöhnlichen Reise angekommen.  Auf ihren beiden alten Zündapps haben sie den berühmten „Las Vegas Strip“ erreicht. Ihr Reiseprojekt unter dem Namen „Ausgrissn“ führte sie von einem Kaff im Landkreis Erding in die Weltmetropole Las Vegas. Nach elf Wochen und circa 11 000 Kilometern in Lederhosen auf dem Mopedsattel, unerwarteter Kälte, verschiedensten Reparaturen, einem Hurricane namens Michael und katastrophalen Straßenverhältnissen sind die Brüder nun doch erleichtert über ihre Ankunft: „Natürlich war für uns auch die ganze Zeit mehr der Weg das Ziel. Und da haben wir unglaublich tolle Erlebnisse zu verzeichnen. Trotzdem war es eine Erleichterung und ein emotionaler Moment, als wir dann endlich an diesem Las-Vegas-Schild gestanden sind“, sagt Julian. Zum Ausruhen bleibt den beiden nun allerdings nicht viel Zeit: Die beiden Mopeds müssen samt Besitzer zurück nach Deutschland verschifft werden. Aus dem Filmmaterial der Reise soll ein Kinofilm entstehen, der voraussichtlich im Herbst 2019 erscheinen wird. Amelie Völker

Foto: privat

Indie, Rock und andere Naturgewalten

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„Ni Sala“ ist Band des Jahres. Der große Gewinner ist aber München – weil es so eine spannende Musikszene gibt.

Die Haare kleben nass an der Stirn und das Gesicht ist schweißbedeckt. Die Augen sind geschlossen, das Gesicht ist verzerrt. Robert Salagean, Sänger von Ni Sala, ist ganz in der Musik versunken. Das Publikum im Bahnwärter Thiel tanzt, springt und bewegt sich zu den rockigen Klängen von Ni Sala, die gerade den Titel „Band des Jahres“ der Junge-Leute-Seite der SZ gewonnen haben. „Wir haben gar nicht damit gerechnet“, sagt Robert, „aber wir sind sehr stolz auf uns, weil Band des Jahres ein echt cooles Ding ist!“

Die Discokugeln, die von der Containerdecke hängen, drehen sich im Scheinwerferlicht und werfen kleine, weiße Punkte an die Wand. Es sieht aus wie in einer Galaxie. Im roten Kleid schwebt Martina Haider, Sängerin von Chaem, barfüßig auf die Bühne. Passend zu den Sternen an der Wand ertönen sphärische Klänge. Zu elektronischen Beats bewegt sich Martina wie in Trance hin und her. Nach ein paar ruhigen, melancholischen Nummern, stimmt Chaem den dynamischen Song „Carousel“ an und auch das Publikum erwacht.

Und mit Schwung geht es weiter. Wie Moderatorin Kathi Hartinger ankündigt, kommt „eine Naturgewalt“ auf die Bühne: Swango. Skill-Gott Heron begleitet den Gesang mit einer Stepptanzperformance auf dem Parkett, dazwischen klatscht er in die Hände. Sobald Moco Mariachi mit seiner Akustikgitarre und Manekin Peace mit dem Rap einsetzen, werden die ersten Handys gezückt, um den außergewöhnlichen Hip-Hop-Style festzuhalten. „Habt ihr ein Wort für uns?“, ruft Manekin in die Menge. „Wir machen einen Beat draus!“ Die Fans rufen: „Bahnwärter Thiel“ und „Waschmaschine“. „Es ist washmachine triangle geworden!“, ruft der Rapper, während Skill-Gott Heron einen Waschmaschinenbeat steppt. Nach dem Auftritt sind die Zugabe-Rufe so laut, dass Swango sich locker einen „Freestyle-Shit“ aus dem Ärmel schüttelt.

Währenddessen muss der U-Bahn-Waggon hinter dem Container erst noch warmlaufen. Den Auftakt macht Liedermacher Alex Döring, der mit seinem „Tiefkühltruhen-Lied“ im noch etwas kühlen Bahnwärter-Waggon eine sehr gute Stimmung vorlegt. Wie es sich für eine Münchner U-Bahn gehört, sind alle Sitzplätze belegt, Zuschauer stehen im Gang – wie zur Rushhour. Spätestens beim vorletzten Act sind auch die Fenster des Bahnwärter-Waggons beschlagen, und innen herrscht eine wohlige Wärme. Zu guter Letzt zelebriert der Kabarettist Julian Wittmann in seiner Bier-Hymne alle möglichen Biermarken in einem Song.

Zurück im Bahnwärter: Auf der kleinen Bühne schlingt Elisa Giulia Teschner gerade Lichterketten um das Mikrofon und Schlagzeug. Es entsteht eine romantische, heimelige Stimmung, die zu den sphärischen Feenklängen von Eliza passt. Besonders als Elisa zusammen mit ihrem Gitarristen Wolfgang Stefani von der Bühne direkt ins Publikum steigt. Ein „Pscht“ macht im Container die Runde. Man hört nur noch den Regen draußen und klirrende Geräusche von der Bar. Dann setzt leise die Stimme von Elisa ein, dazu Gitarrenklang – ohne Mikrofon und Verstärker. Gebannt lauschen die Zuschauer.

Unter den Zuschauern ist auch Maria Lang, 21, die die Veranstaltung auf Facebook entdeckt hat. „Ich besuche gerne Konzerte“, sagt sie. „Hier sind viele Bands auf einem Haufen. Da kann ich neue Eindrücke holen.“ So auch bei der nächsten Band, Beta. Es ist vernebelt, nur das glimmende Ende der Zigarette von Bassist Markus Sebastian Harbauer ist zu sehen. Kaum setzen die Instrumente und der Rap ein, kann keiner im Raum mehr still stehen. Körper bewegen sich hin und her, in der ersten Reihe singen Fans den Text mit. „Alle Hände mal HipHop-mäßig nach oben“, ruft Sebastian Grünwald und für die Fans gibt es kein Halten mehr. Die HipHop und Rap-Vibes sind im Container angekommen.

Auch wenn einige Fans traurig sind, dass Beta keine Zugabe spielt, freuen sich drei Mädchen in der ersten Reihe auf den nächsten Auftritt. Seit 2015 sind Daniela Wiegand, Vivian Donner und Isabel Staudenmaier Matija-Fans – leicht erkennbar an ihren weißen Matija-T-Shirts. „Die haben einen guten Style“, sagt Daniela, und Vivian ergänzt: „Wir mögen sie, weil sie nicht Mainstream sind, sondern ihr eigenes Ding machen.“ „Und sie sind live unglaublich gut“, erklärt Isabel. Das zeigt Matija auch. Sänger Matt Kovac singt eine einfache Melodie vor, die von Mal zu Mal komplizierter wird, und die Zuschauer machen es ihm nach. Das Lachen und Tanzen von Matt ist ansteckend – er reißt das Publikum mit. Die Feier steht im Mittelpunkt. Und die Münchner Musikszene.

Wie jede Band beim Verkünden ihres Votings erklärt, ist das Bewerten von Musik „echt bescheuert, weil man Musik nicht bewerten kann“. Das sagt Matt Kovac, Sänger von Matija. Und Martina Haider von Chaem findet, dass „in jeder Kategorie der gewinnen soll, der nominiert ist“. Am Ende heißt der Sieger Ni Sala – dem Sänger ist der Titel dann aber doch nicht zu wichtig. Er habe vor allem Lust gehabt, an diesem Abend auf der Bühne zu stehen. Mit seiner Band und den anderen Bands des Jahres.

Text: Lena Schnelle

Fotos: Robert Haas

Neuland: Wer wird Band des Jahres?

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Wer wissen will, wer sich mit dem Titel “Band des Jahres” schmücken darf, muss sich den 15. Februar rot im Kalender anstreichen. Neben den nominierten Bands treten auch Comedians und Kabarettisten auf.

Hip-Hop trifft auf Bluesrock. Indie-Pop auf Art- und Alternative-Pop. Das Line-Up der Veranstaltung „Wer wird Band des Jahres?“ ist vielfältig: Chaem, Eliza, Matija, Ni Sala, Swango und Beta. Diese Bands und vier weitere standen zur Wahl für die Band des Jahres der Junge-Leute-Seite der SZ. In einer ersten Runde konnten Facebook-User für ihre Lieblingsband abstimmen. In einer zweiten Runde haben die Bands ein Ranking erstellt, wobei sie nicht für sich stimmen durften. Diese beiden Votings wurden zu einem Gesamtvoting verrechnet. Am Ende des Abends wird die Band des Jahres gekürt. Für ein buntes Rahmenprogramm sorgen die Comedians Julian Beysel, Sebastian Ulrich und Michael Mauder, die Kabarettisten und Musiker Julian Wittmann und Peter Fischer, Poetry-Slammer Philipp Potthast und Liedermacher Alex Döring. Bis spät in die Nacht kann zu House- und Funk-Klängen von DJ Alex Blum getanzt werden.

Wer wird Band des Jahres? Donnerstag, 15. Februar, Bahnwärter Thiel, Tumblinger Straße 29, Beginn 19.30 Uhr, Eintritt fünf Euro.

Text: Lena Schnelle

Foto: Fabian Christ

Von Kabarett bis Dino-Streicheln

Der dritte Sonntag im Farbenladen brachte so manchen Gast zum herzhaft Lachen. Das lag an den wunderbaren Kabarett- und Musikdarbietungen sowie an einer neuartigen gesellschaftlichen Vergnügungsform: der Powerpoint-Karaoke.

“Fotografieren
ist ein Moment zwischen zwei Personen”, sagt Jean-Marc Turmes im Gespräch
über die Ausstellung “10 im Quadrat”. Ob Model, Schauspieler oder
Musiker, für ihn macht es wenig Unterschied, wen er fotografiert. Stattdessen
gibt er zu, regelmäßig Angst zu haben vor Shootings, weil er nie weiß, wer oder
was ihn erwartet. “Aber wir haben uns gleich gut verstanden”, wirft
Kilian Unger, Musiker und Model der Ausstellung, ein und Fotograf Michael
Färber kann ihm nur zustimmen. Auch bei den beiden lief das Shooting sehr gut.
Färber fotografiert auch professionelle Models, an die Shootings mit den Models
der Ausstellung ging er aber nach eigener Aussage ganz genauso heran, wie an
ein professionelles Projekt.

Der
Abend beginnt mit Kabarett. Julian Wittmann, ein Bayer mit strubbeligem Haar
und Out-of-Bed-Outfit bringt das Publikum mit seiner sehr angenehmen rauen
Stimme und bayrischem Blues mit ironischen und saukomischen Texten zum Lachen.
Themen sind der betrunkene Heimweg nach Hause und Protest gegen die Eltern.
Danach ist Alex Döring dran, der seine teils gesellschaftskritischen und teils
einfach nur lustigen Themen in beißend sarkastischen Songs mit viel schwarzem
Humor verpackt. Die Schwiegermutter muss informiert werden, dass er ihre
Tochter in die Gefriertruhe gepackt hat? Alex Döring weiß, wie man dieses
Problem löst: Man packt die Schwiegermutter einfach dazu.

Als
dritter Kabarettist tritt Michael Mauder auf, mit einem Programm über
vergebliches Werben um die Mitbewohnerin, vergebliches Tindern auf dem Lande
(“irgendwann wird der Bildschirm schwarz und da steht ‘sie haben tinder
durchgespielt’”) und den Alltag als Rezeptionist in einem Hotel. Lustige
Anekdoten mischen sich mit amüsiertem Mitleid für den hoffnungslosen Single.

Auch
nach dem Kabarett geht es lustig weiter: mit Power-Point-Karaoke. Für alle, die
dieses Spiel nicht kennen: Ein Freiwilliger hält einen Vortrag zu einer
Power-Point-Präsentation, die er zufällig auswählt und vorher noch nie gesehen
hat. Wir erfahren einiges über Spannbeton und Teilchenbeschleuniger, auch die
vegane Ernährung von Hipster-Tauben ist ein Thema und das Streicheln von
Dinosauriern, die mit 16 ihre typische blaue Farbe annehmen (!). Das Publikum
geht begeistert auf die improvisierten Vorträge ein und fängt bald an, ebenso
absurde Fragen zu stellen.

Den
Abschluss des Abends bildet Kilian Unger mit seinem Musikprojekt Liann. Die
Deutsch-Folk Songs mit Begleitung aus Akustikgitarre, Cajon und Kontrabass
machen die familiäre Atmosphäre des restlichen Programms noch intimer. Wenn die
Musiker sich während dem Spielen angrinsen und ohne Worte absprechen, über
kleine Fehler schmunzeln oder einfach nur Spaß haben, dann färbt diese
Begeisterung auch auf das Publikum über. Besonders, als Kilian beim Blick aus
dem Fenster grinsen muss, und kurz danach ein weiterer Musiker zur Tür
hereinkommt: Roland alias Buck Roger schlendert mit Geige und Lederhose an
seinen Platz und kommt damit grade rechtzeitig zu seinem Geigensolo. Eine
Überraschung sowohl fürs Publikum als auch für Kilian. Und man merkt: Nicht nur
Fotografieren, sondern auch jede andere Art von Kunst ist immer ein Moment
zwischen Menschen.

Text: Marina
Sprenger

Fotos: Amelie Völker