Band der Woche: Grasime

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Minimalistische Beats und ein hoher Wert an Selbstreferenzialität: „Perspektive“ heißt das neue Album, das der Münchner Rapper Grasime im Januar mit dem Produzenten O von

Kram aus der Ecke

veröffentlicht hat.  

Die Beatles hatten es leicht. Denn vor ihnen gab es das Genre Popmusik nicht so recht. Einen Musikstil zu erfinden, das muss man zwar erst mal schaffen. Doch diese Leichtigkeit, die ihre Musik auch in ihren vertrackteren späten Alben hat, ist wohl unmittelbar daran geknüpft, dass sich die Beatles eben in einem noch sehr jungen Stil auf unausgetretenen Wegen befanden. Je älter die Kunstform wird, desto schwieriger ist es, eine erfrischende Unbedarftheit beizubehalten. Dafür eröffnet sich später aber ein neues Spielfeld in der Musikerschaffung: das Selbstreferenzielle. Kunst, die sich auf sich selbst beziehen kann und in der spielerisch und ironisch das Thema der Kunst aus der Kunst selbst gezogen werden kann. Dabei wird quasi Kunst über Kunst geschaffen, was in manchen Fällen langweilig ist; was, wenn es gut gemacht ist, aber auch witzig werden kann. 

Hip-Hop und Rap sind schon rein instrumental gesehen Musikformen, die sich erst einmal auf ihr eigenes Genre – Popmusik – beziehen. Denn die Ursprünge des Hip-Hop liegen in den ersten Samples und Beatversuchen. Musik, die bereits existierte, wurde in einer Collagentechnik weiterverarbeitet. Doch gerade Hip-Hop hat auch sprachlich, also auf der Textebene, einen hohen Wert an Selbstreferenzialität. „Perspektive“ heißt daher das neue Album, das der Rapper Grasime im Januar mit dem Produzenten O von

Kram aus der Ecke

veröffentlicht hat. Minimalistisch sind die Beats, während Grasime die Perspektive auf sich selbst richtet. Grasime, auch bekannt aus der Münchner Underground-Crew Weltuntergäng, rappt über seine eigenen Initiationen zum Hip-Hop. Der Musiker gehört dabei zu einer Generation von Rappern, denen der ständige Bezug auf ihren eigenen Musikstil von Anfang an als Inhalt völlig zu eigen war. Das mag vielleicht an der Form des Battle-Raps als Einfluss liegen, in der die beiden Kontrahenten sich rappend über die Rap-Künste des jeweils anderen mokieren. Wie in einem Spiegelkabinett verdoppeln sich die künstlerischen Mittel permanent selbst. Weniger analytisch ausgedrückt entstehen lustige Dinge, die Grasime auch treffend ausstellen kann. „Erzähl mir nichts von Hip-Hop, sonst erzähl ich Dir von Jean-Paul Sartre“, beginnt er den Track „B.B.M.R.“, und vermischt dabei schmunzelnd eine linksintellektuelle Bildungsbürgerlichkeit mit den Drohgebärden des Battle-Raps.

Doch für Grasime hat Hip-Hop noch einen anderen Zweck als die lustigen Schaukämpfe der Rap-Battles. Als Teenager hat er diesen Musikstil über seinen Bruder kennengelernt. Er identifizierte sich mit der Subkultur, zu der Scratches und Graffiti genauso gehören wie das Rappen und Beats-Bauen. So erklärt er fast idealistisch den Satz „Hip-Hop lebt nicht davon zu konsumieren, sondern von Partizipation“ zum Leitmotto, quasi als Sozialpädagogik in cool. Mit 18 war diese Initiation bei Grasime so weit, er kaufte sich den ersten Computer und fing an, seine Musik zu produzieren. Unter den Münchner Hip-Hop-Strömungen gehören Grasime, sein Label Bumm Clack, das als Veranstaltungsreihe begann und nun auch Musik veröffentlicht, sowie die Weltuntergäng zu denen, die die im Hip-Hop oft gesuchte Realness wohl am meisten erfüllen. Neben den intellektuellen Spielereien der gerade aufgelösten Blumentopf und den ironischen Zeilen von Fatoni erscheint die Szene um Grasime zunächst fast konservativ. Doch letztlich treffen die funkig-jazzigen Beats und die Unmittelbarkeit einen Old-School-Nerv. Das ist auch wieder selbstreferenziell. Aber macht einfach Spaß.  

Stil: Hip-Hop
Besetzung: Grasime (Raps), O von Kram aus der Ecke

(Produktion)
Aus: München
Seit: 2010
Internet: bummclack.bandcamp.com

Text: Rita Argauer

Foto: Niklas Niessner

„Giesing – Oida“

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Standortfaktor Pop: Ist München jetzt wirklich so uncool, dass man als Band keine Chance hat? Läuft alles prima? Oder muss die Stadt weit mehr fördern als bisher? Wir haben bei Musikern nachgefragt.

Von Sandra Will

Die Kytes werden gerade nach dem Release ihres Debüt-Albums bei ihrer Tour in ganz Deutschland gefeiert. Dass die jungen Musiker eigentlich in Giesing proben, wissen wohl die wenigsten Menschen im Berliner oder Hamburger Publikum – und es interessiert auch keinen. Die Kytes sind nicht die einzigen Münchner Musiker, die derzeit in der ganzen Republik gelobt werden. Trotzdem verstummen die Stimmen nicht, die über das Imageproblem Münchens klagen. Klar ist: Die Landeshauptstadt sieht sich als Kulturstadt, dazu gehört das Oktoberfest genauso zum Repertoire wie die Staatsoper. Doch welchen Platz nehmen junge Musiker ein, die den Sound von München ausmachen? Und wie sehen die Bands selbst ihre Musikstadt? Was macht ihnen Sorgen?

„Wir mieten nun ein Studio eine Autostunde außerhalb von München. Wir
kennen auch viele andere Musiker, die mit dem gleichen Problem zu
kämpfen haben“ – Claire
(Hier zum Fragebogen)

Probleme gibt es vor allem abseits des Scheinwerferlichts. Die Band Claire berichtet über ihre lange Suche nach einem geeigneten Proberaum, es sei wahnsinnig schwierig, etwas Bezahlbares in München zu finden. „Wir mieten nun ein Studio eine Autostunde außerhalb von München. Wir kennen auch viele andere Musiker, die mit dem gleichen Problem zu kämpfen haben“, sagen die Musiker der Band Claire. Auch Dionys Rieder von der Band Die Sauna ist der Meinung, es könne schon möglich sein, dass dieser Mangel der Grund für eine Nichtgründung sei. „Das macht es schwierig, den Ansprüchen einer Band gerecht zu werden und sie aufrechtzuerhalten“, sagt auch Singer-Songwriterin Clea Charlotte. (Hier zum Fragebogen)

„Schließlich will ein guter Musiker auch seinen Sound. Und dazu braucht
er im Normalfall auch sein Equipment, das man nur ungern in geteilten
Proberäumen rumstehen lässt. Dafür dann 400 Euro zu zahlen ist schon
fast unverschämt.“

– Black Submarines (Hier zum Fragebogen)

Richy Strobl von Black Submarines sieht das ähnlich, die Möglichkeit, sich einen Raum zu teilen und damit die Miete zu verringern, ist jedoch nicht immer ein Kompromiss: „Schließlich will ein guter Musiker auch seinen Sound. Und dazu braucht er im Normalfall auch sein Equipment, das man nur ungern in geteilten Proberäumen rumstehen lässt. Dafür dann 400 Euro zu zahlen ist schon fast unverschämt.“ Ralph Würschinger von Naked Feen (Hier zum Fragebogen) sagt dazu nur: „Die meisten Deals sind scheiße.“ Wenn auch nicht die Masse an Gleichgesinnten wie in Berlin zu finden ist – wer eine Band gründen will, der schafft das auch in München. Und findet dort leicht in die Szene – das Vernetzen mit anderen Bands klappt gut.

„Der Markt ist noch nicht so übersättigt wie etwa in Berlin, wo für kleinere Künstler kaum Gagen zu erzielen sind“

– Stray Colors (Hier zum Fragebogen)

Sharyhan Osman von der Synthie-Pop-Band Kleyo glaubt, man wisse sehr schnell, wer sich sonst noch in der Szene bewegt. Dadurch greifen sich die Musiker gegenseitig mehr unter die Arme. Das Bild, dass Münchens Szene sehr familiär sei, stimmt also. Doch auch das hat einen Pluspunkt: „Der Markt ist noch nicht so übersättigt wie etwa in Berlin, wo für kleinere Künstler kaum Gagen zu erzielen sind“, sagt Rüdiger Sinn von der Band Stray Colors. Und auch Clea Charlotte sieht darin eine noch größere Chance aufzufallen. Auf der anderen Seite: „Die Münchner Musikszene ist teilweise zu eigenbrötlerisch“, sagt Isabella Mola von der nach ihr benannten Band Mola. „Da macht jeder so sein Ding. Mehr Miteinander würde ich feiern.“
(Hier zum Fragebogen)

Sharyhan Osman erwidert jedoch: „Konkurrenz ist auch ein Antrieb, besser zu werden und sich weiterzuentwickeln.“

„Niemand findet München aus nationaler oder sogar internationaler Sicht cool“

– Fatoni (Hier zum Fragebogen)

Es gibt zwar nicht genügend Auftrittsmöglichkeiten, um Münchens Musiker wirklich zufriedenzustellen, doch bei einer Sache sind sie sich einig: Die Musikszene lebt! Und diese ist im Gegensatz zur Stadt München weniger vorurteilsbehaftet, so die Erfahrungen der einheimischen Bands.

„Konkurrenz ist auch ein Antrieb, besser zu werden und sich weiterzuentwickeln.“

– Kleyo (Hier zum Fragebogen)

Natürlich: „Niemand findet München aus nationaler oder sogar internationaler Sicht cool“, sagt Anton Schneider alias Fatoni. „Aber als Band, die im weitesten Sinne Popkultur macht, braucht man dieses coole Image nun mal.“ Auch Sebastian Schnitzenbaumer von Schamoni Musik hat darüber geklagt, dass er seine Künstler wegen des schlechten Images der Stadt nicht vermarkten kann – und hat damit eine Pop-Debatte in München entfacht. Aber liegt das an München? Oder an der Zielgruppe?

“Es sind engstirnige Menschen, die auf das Laptop- und Lederhosen-Klischee hereinfallen” – Dobré (Hier zum Fragebogen)

„Oft ist das Problem ja nicht München, sondern es sind engstirnige Menschen, die auf das Laptop- und Lederhosen-Klischee hereinfallen. Leider gibt es in der Musikbranche wohl zu viele davon“, sagt Johannes Dobroschke von Dobré. Auch die Musiker von Claire kennen die Vorurteile. „Die Vorurteile, die gegen München vorgebracht werden, sind vielleicht am wenigsten mit dem Musiker- und kreativem Dasein zu vereinbaren. Deshalb freuen wir uns umso mehr zu zeigen, dass es nicht die Stadt ist, welche die Künstler prägt, sondern dass es die Künstler sind, die eine Stadt prägen.“

“Wie sollen sich denn Clubs und Konzertlocations
etablieren, wenn die ganze Stadt stillgelegt wird?” – LUX
(Hier zum Fragebogen)

Abhängig vom Genre kann es da durchaus mal ungemütlich für Musiker werden, wie auch Fatoni schon erfuhr: „Der Klassiker: Hip-Hop aus München? Das gibt es da überhaupt?“ Vorurteile gegenüber der Herkunft sind für Fabian Hertrich alias Young Fast Running Man aber nicht nur münchenbedingt: „Es gibt auch hier Vorurteile gegenüber anderen Städten. Für mich zählt die Qualität der Musik – nicht die Herkunft.“
(Hier zum Fragebogen)

Das sagt auch Singer-Songwriterin Julia Kautz: „Wenn man es mit seiner Musik in die große weite Welt schaffen will, dann spielt es überhaupt keine Rolle, woher man kommt.“ Negative Erfahrungen hat sie noch nicht gemacht, trotzdem fühlt sie sich als Münchnerin bei Songwriter-Sessions in Berlin als Exotin. „Aber ich hatte nie das Gefühl, dass meine Herkunft einen negativen Einfluss darauf hat, wie ich als Künstlerin wahrgenommen werde.“
(Hier zum Fragebogen)

„Das Radio wird überflutet von Klassik-Kanälen und Sendern, die rund um
die Uhr die gleichen Synthie-Pop- und Deutsch-Pop-Nummern spielen“

– Ni Sala (Hier zum Fragebogen)

Auf die Frage, wo man sich denn noch mehr Unterstützung erhofft, werden vor allem die Radiosender in die Verantwortung genommen. „Das Radio wird überflutet von Klassik-Kanälen und Sendern, die rund um die Uhr die gleichen Synthie-Pop- und Deutsch-Pop-Nummern spielen“, sagt Robert Salagean von Ni Sala. Die Stadt unterstütze klassische Musiker, alternative Musikrichtungen blieben da oftmals auf der Strecke. Am wichtigsten empfinden viele jedoch mehr bezahlbaren Proberaum und Beratung wie von der Fachstelle Pop.

Fatoni hingegen klagt: „Es gibt kaum Orte, an denen kreative Prozesse ermöglicht werden, vor allem nicht, wenn diese erst einmal keine kommerziellen Ziele haben.“ Xavier D’Arcy alias Darcy hat hierzu eine andere Meinung: „Die Stadt unterstützt Musiker und Bands durch die Fachstelle Pop mit Workshops, Förderungen und Auftrittsmöglichkeiten.“
(Hier zum Fragebogen)

Durch die bayernweiten Förderprogramme gibt es für ihn genügend Unterstützung.

„Es ist definitiv nicht leicht, über den Münchenrand hinwegzukommen“

– Die Sauna (Hier zum Fragebogen)

„Es ist definitiv nicht leicht, über den Münchenrand hinwegzukommen“, sagt Dionys Rieder von der Band Die Sauna. Aufmerksamkeit zieht man vor allem mit nationalen Festivals auf sich, als bestes Beispiel dient dazu das Reeperbahn-Festival in Hamburg – vielleicht kann ja die „Manic Street Parade“ dieses Interesse dauerhaft nach München bringen. Gerade solche Veranstaltungsreihen würden die Lücke schließen zwischen den kleinen Open Stages und den großen Hallen wie im Muffatwerk. „Es fehlt etwas, um die Lücke zwischen Schülerbands und Top-Acts zu schließen. Etwas für Leute, die mehr als nur Hobby-Musiker sein wollen, aber nicht über die finanziellen Mittel und die sozialen Kontakte verfügen, um gleich weiter oben anzufangen“, sagt Richie Strobl von Black Submarines. Doch es gebe auch gute Institutionen wie die Glockenbachwerkstatt, wo man talentierte Bands finde, sagt Aron Foltin von der Band Lyndenstraße.

“Es gibt gute Institutionen in München wie die
Glockenbachwerkstatt” – Lyndenstraße
(Hier zum Fragebogen)

Die meisten Musiker fühlen sich ihrer Heimatstadt sehr nahe und würden es nicht leugnen, aus dieser Stadt zu kommen. Trotzdem zeigt sich, dass es manchmal eben besser sei, den Standort erst einmal unerwähnt zu lassen, sagt Rüdiger Sinn von Stray Colors. Auch Ralph Würschinger von Naked Feen würde bei einem neuen musikalischen Projekt München nicht als Heimatstadt angeben. Doch es geht auch selbstbewusster: Genauso wie die Mitglieder der Kytes schwören auch die Musiker von Black Submarines auf ihre Homebase: „Giesing – Oida!“

Foto: Käthe deKoe

Von Freitag bis Freitag München: Unterwegs mit Matthias

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Ziemliche Schnapsidee, seine Bachelorarbeit im Sommer schreiben zu wollen, denkt Matthias. Aber es hilft ja nichts! Trotz Bachelorstress bleibt ihm aber noch Zeit für ein paar Veranstaltungsvorschläge.

Ich wache am Freitag auf, ich gehe duschen, ich zieh mich an. Zwiebelprinzip, und Wollpulli sowieso. Gestern hat es geschneit, ich geh auf Nummer sicher. Die Tagesschau redet zwar von Sonne und zweistelligen Plusgraden, aber ich traue keinem Wetterfrosch mehr. Heiß wird es heute erstmal in der Bibliothek – ich bacheloriere dieses Semester. Wenn es das Wort noch nicht gibt, ich hätte das dann gerne. Das finde ich nur angebracht, so zum 400. Todestag von Mister Shakes. Der Gute hat das ja auch gemacht. Wäre heute der 402. Giesinger Bandcontest, würde man Will.I.Am Shakespeare vielleicht auch noch unter den Gewinner finden. Es ist aber erst der 2. – dennoch, auch im Giesinger Bahnhof scheint es heute Abend heiß zu sein. 5 Bands, ein Sieger – wird eventful. Kommt übrigens vom Shaker, das Wort..

Erkenntnis am früh-bis-späten Samstagnachmittag – ich bin nicht oft genug in Giesing. Ich weiß nicht warum. Ich nehm mir vor, das zu ändern. Aber nicht heute – heute schaue ich mir erst mal an, wie die Bayern Meister werden. Ist mir eigentlich sehr egal, aber wegen dieser Hummels-Sache bestimmt belustigend. Egal. In der U-Bahn erste FCB-Trikots mit Hummels drauf. Auch egal. Ohne Pep Guardiola ist die Bundesliga nächstes Jahr trotzdem wieder erträglich. Apropos erträglich – ich mag Hiphop, auch deutschen. Aber oft ist der sehr unerträglich, Kollegah und Konsorten sind jetzt nicht so mein Ding. Aber Fatoni find ich gut, auch wenn ich kein Experte bin. Ich geh trotzdem hin. Yo, Fatoni.

Sonntag, 1. Mai, halb zehn in Deutschland – ich mach mich auf den Weg zur Kirche. Macht man so, oder? Dann Schweinebraten zum Mittagessen, als Nachtisch ein bisschen randalieren. Macht man auch so, oder ? Vielleicht bin ich im falschen Film. Keine Randale, und in einer Kirche war ich zuletzt als Grün noch regiert hat. Nachtisch gibt’s trotzdem – Open Air am Viehof, der Bahnwärter fährt ab. Letzter Halt Closing, schreibt er – musikalisch unterstützt von DJ-Prominenz aus und nicht aus München. Ich hab kein Ticket – aber Schwarzfahren ist sicher billiger als bei der MVG.

Montag ist Schontag, das hat ein weiser Mann mal gesagt. Klar – irgendwo muss man ja die Feiertage nachholen, die auf ein Wochenende fallen. Heute ist also noch mal erster Mai – zumindest was das Programm in der sozialen Welt angeht. In der sozialwissenschaftlichen Welt gibt es keine Feiertage, ich muss weiter bachelorieren. Ab in die Bib. Ich beschäftige mich mit EU-Sanktionen gegenüber einer kleinen Diktatur östlich von Europa. Russland ist doch keine Diktatur, höre ich von irgendwo. Und wenn, dann keine kleine!, schreit ein anderer. Ach – ja dann, dann hab ich nichts gesagt. Weiter im Text.

Apropos – auch in der EU laufen da paar Dinge aus dem Ruder. Pressefreiheit, zum Beispiel. Nein, ich rede nicht von Böhmermann. Öffentlich-rechtliche Medien in Polen an der Leine, restriktive Mediengesetze in Ungarn. Hochspannendes Thema, und gefährlich noch dazu. Der BR sieht das ähnlich, und lässt am Dienstag zu dem Thema diskutieren. Ich diskutiere mit – bis sich wieder alles um Schmähkritik dreht. Davon hab ich die letzten Wochen genug gehört. Von William Cohn hingegen nicht– der fehlt mir, wer hätte gedacht. Das ist bitter. Bei dem hab ich mir Woche für Woche neue Fashioninspiration geholt. Für die Wollwesten des heute-Show-Typen bin ich einfach noch nicht bereit…

Am Mittwoch wird das Wetter wieder besser. Es wird auch Zeit, es ist Mai – aber gut. Ich hab erstmal nichts davon, ich hab Bachelorseminar. Aber auch das ist ja irgendwann vorbei – danach geh ich mal zur Stroke. Ich weiß, ich weiß, da geht es um Kunst, nicht um Essen – bloß, ich hab jetzt Hunger, und daheim nichts im Kühlschrank. Foodtrucks sind zwar überteuert, aber dafür stimmt das Rahmenprogramm. Kunst, Design – eigentlich nicht so mein Ding. Darum geht’s doch nicht, sagt mir jemand. Stimmt, ich guck einfach überall ein bisschen – an Alternativen mangelt’s ja nicht. Die Pizza schmeckt auch gut – so einen 90-Sekunden-Pizzaofen bräucht ich auch zuhause. Ich schnapp mir ein Poster –beginnt hier meine Karriere als Kunstsammler ? Wer weiß, wer weiß…

Der Bauch tut mir weh. Ich hab noch ein paar Pizzen gegessen – die sind nämlich nicht nur ziemlich teuer, sondern auch ziemlich klein. Ich muss verdauen, das macht man am besten beim Filme gucken. Heute, am Donnerstag, beginnt das dok.fest – das Dokumentarfilmfestival in München. Und wie das in München so ist, muss sich erst mal wieder mit Berlin beschäftigt werden. Also : Eröffnungsfilm über die Hauptstadt, begleitet vom Münchner Kammerorchester, nicht dem Berliner. Die wollten nicht – also, spielen schon, nur nach München nicht. Egal. Die nächsten 10 Tage wird so einiges geboten. Ich freue mich besonders auf Genk Up, das Regiedebüt von Freestyle-Fußballer Sven Fielitz. Davon mal abgesehen mache ich es wie jedes Jahr – Programm ausdrucken, blind auswählen, überraschen lassen – Vorhang auf, bitte !

Lange Woche, denk ich mir. Es ist Freitag und ich bacheloriere wieder. Letzte Woche hat es noch geschneit, auf einmal sind es fast zwanzig Grad. Warum wollte ich die Arbeit nochmal im Sommer schreiben ? Naja, ich bleibe diszipliniert. Ich lasse mich nicht ablenken. Weder Grill- noch Beachvolleyballsaison werden heute eröffnet ! Das Handy klingelt, der Mitbewohner ist dran. Mein Kampf ist hart, unerbitterlich, und kurz. Flauchersaison eröffnen – gut, daran hatte ich nicht gedacht. Ich versuche abzulehnen. Ich sage Nein. Dann packe ich mein Zeug, die Sanktionen gehen zurück ins Regal und ich setz mich auf mein Radl. Reichenbach-, dann Wittelsbacherbrücke. Isarauen, Flaucher, schnell noch zum Edeka. Der Sommer fängt an – danke, dass du wieder da bist !

Band des Jahres: Fatoni

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Es war spannend, sehr spannend. Ein Zweikampf bis zum Schluss. Nun
ist die Entscheidung gefallen: Unsere Band des Jahres 2015 ist Fatoni!

Der Hip-Hopper bekam 5984 Stimmen, Zweiter
wurde Dicht & Ergreifend mit 5786 Stimmen. Dritter wurden die Kytes, die mit 828
Stimmen als beste Indie-Band Münchens aus der Wahl hervorging.

Insgesamt
haben (Stand 12 Uhr) 13428 Facebook-User an der Wahl teilgenommen. Die Umfrage wurde
unzählige Male geteilt, es gab 559 Daumen, 166 Kommentare, insgesamt erreichten wir  81267 Facebook-User mit unserer Wahl zur Band des Jahres 2015.

Schon
früh haben sich die beiden Hip-Hop-Bands an der Spitze abgesetzt. Bis
zuletzt war es ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Noch am Vormittag lagen Fatoni
und Dicht & Ergreifend nur einige Stimmen auseinander, die Führung wechselte laufend. Am Ende hatte
aber Fatoni die Nase vorne!

„Yo, Picasso“, so der Titel seiner aktuellen Platte, läuft gut. Sie
verkauft sich, sie wird gelobt, von der überregionalen Presse genauso
wie vom Hip-Hop-Fanzine. Fatoni hat die Band Fettes Brot auf deren
aktueller Tournee supportet. Das Hamburger Trio hat wiederum zuvor Fatonis alten
Alltime-Klassiker „Vorurteile“ zitiert, das hatte die Antilopen Gang
davor auch schon gemacht. Und an diesen zwei Extremen kann man den Erfolg,
den Fatoni nun hat, vielleicht festmachen. 

Wir gratulieren Fatoni und werden in den nächsten Monaten immer wieder auf unsere Band des Jahres hinweisen. Gratulation natürlich auch an Dicht & Ergreifend, die den Titel ebenso verdient hätten und bei ihren Fans jetzt sicherlich als Band des Jahres der Herzen gefeiert werden.

Hier der Endstand des Votings (Stand 12 Uhr):

Fatoni 5984 Stimmen
Dicht & ergreifend 5786 Stimmen
Kytes: 828 Stimmen
Monday Tramps: 261 Stimmen
Taiga Trece: 192 Stimmen
Ella Josaline: 157 Stimmen
Zoo Escape: 83 Stimmen
Matthew Austin: 51 Stimmen
Sara Lugo: 47 Stimmen
The King of Cons: 39 Stimmen

Band des Jahres

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Welche Bands fallen in München auf? Von welcher Band wird man in Zukunft garantiert hören? Jeden Montag stellen wir an dieser Stelle die “Band der Woche” vor. Zehn Bands von ihnen haben wir nun für die Wahl zur “Band des Jahres” ausgewählt.

Uns entgeht so gut wie nichts. Wir schauen regelmäßig bei den Konzertbühnen dieser Stadt vorbei. Wir besuchen Proberäume und durchkämmen das Internet. Von daher wissen wir, welche Bands in München auffallen und von welchen Bands man in Zukunft garantiert hören wird – nachzulesen jeden Montag in unserer Rubrik „Band der Woche“.

Wir gehen jetzt noch einen Schritt weiter. Wir haben zehn Bands, die in diesem Jahr „Band der Woche“ waren, ausgewählt und ins Rennen geschickt zur Wahl zur „Band des Jahres“. Die Abstimmung läuft bis zum 15. Januar, 12 Uhr,  auf unserer Facebook-Seite. Hier die zehn Bands im Überblick:

Dicht & Ergreifend
Hip-Hop

Dicht & Ergreifend sind Rapper und ihre Musik ist Hip-Hop: Beats, Hooks und Sprechgesang. Nur eben mit einer etwas eigenen Färbung. Mundart-Pop ist nichts Neues – nur haben Dicht & Ergreifend eben das Konzept Volkstümlichkeit auf die Beats ausgeweitet. Das Akkordeon vermischt Balkan-Melancholie mit Stub’n-Musi-Gemütlichkeit, die Tuba drückt genauso wie der Bass eines Synthesizers. 

Ella Josaline
Singer-Songwriter-Folk

Ella Josaline ist vielleicht die größte Pophoffnung, die München derzeit zu bieten hat. Sie ist gerade einmal 16 Jahre alt, große Plattenfirmen haben schon Kontakt mit ihr aufgenommen. Ella hat eine besondere Stimme, die sie vor allem besonders einzusetzen weiß, um Lebensgefühle bei ihren Zuhörern auszulösen.

Fatoni
Hip-Hop

Fatoni setzt noch einmal alles auf eine Karte, fürs Musik-Machen. Auf seiner aktuellen Platte „Yo-Picasso“ macht er alles andere als Wohlfühl-Pop: Horror und Spaß, Selbsterkenntnis und Größenwahn. Und das ist so verführend, wie es lange keine deutsche Pop-Produktion mehr war – und gibt gleichzeitig der Popmusik gesellschaftspolitische Relevanz zurück.

Kytes
Indie-Pop

Sie drehten die Bandgeschichte auf Anfang: neue Ambitionen, neues Konzept, ein neuer Style und ein neuer Name – nur die Besetzung blieb die alte. Und das ist auch gut, immerhin greifen die Jungs von Kytes auf das eingespielte Vertrauen einer lange existenten Band zurück; etwas, das nicht künstlich reproduzierbar ist. Und so schallt ihr groovender Indie-Pop durch die Kopfhörer der Großstadt-Popper. 

Matthew Austin
Akustik / Blues / Folk

Matthew Austin kommt ursprünglich aus Manchester, mittlerweile hat es den Singer-Songwriter nach München verschlagen. Seine Musik: sanfte Pickings an einer halbakustischen Gitarre, bluesige Harmonien, und eine weiche Stimme darauf, ab und an kommt eine Mundharmonika dazu. Das ähnelt eher Bob Dylan in seinen Folk-Phasen – nach dem Klischee britischer Musik klingt das zum Glück nicht.

Monday Tramps
Brit-Rock

Die Musik der Monday Tramps vereint ziemlich viel von dem, was die alternativ angehauchte britische Popmusik so hervorgebracht hatte: der mehrstimmige Gesang der Beatles, die Coolness des Brit-Pops und die Jugendlichkeit der Arctic Monkeys. Die klischeehafte Liebes-Lyrik hat die Band mittlerweile aufgegeben.


Taiga Trece
Hip-Hop

„Die Straße liebt mich“, rappt Taiga Trece. Da sie sich anders als die Aggro-Berlin-Version des deutschen Gangster-Raps nicht auf grauen Berliner-Proll-Alltag bezieht, sondern auf Mexiko, ist auch die Musik ein wenig bunter, ein wenig gewitzter und ein wenig leichter geraten. Kinderchöre treffen auf Soul-Refrains, harte Rap-Strophen auf Neunzigerjahre-Synthies.


The King Of Cons
Folk/Neo-Soul

Franko van Lankeren, The King of Cons, vertraut auf gut gemachte Popmusik. In einer Zeit, in der wild zusammengestückelt und collagiert wird, sticht er heraus. Neuerdings trifft sein Folk auf Elektro-Soul und R’ n’ B. Mit Kopfstimme singt er nun zu E-Gitarre über das satte Beat-Bett.

Sara Lugo
Reggae

Der Reggae-Pop von Sara Lugo ist weder wirklich innovativ noch versucht sie, angesagte musikalische Stile einzubauen. Dennoch haben Videos von ihr die Millionen-Grenze bei Youtube überschritten. Sara Lugo gibt der Pop-Welt ein lange nicht mehr gesehenes Gutmenschentum zurück.

Zoo Escape
Punkrock / Pop

Zoo Escape hat alles zu bieten, was man für zeitgenössische Rebellionsmusik benötigt: mitreißende Melodik und Energie. Dazu beherrschen sie das Spiel mit Symbolen und verwandeln dadurch ihren Pop-Cocktail zum Punkrock.

Rita Argauer, Michael Bremmer

Band der Woche: Fatoni

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Aber guck’ mal jetzt, ich werde langsam perfekt! Fatoni setzt nochmal alles auf eine Karte, fürs Musik-Machen. Auf seiner neuen Platte “Yo-Picasso” macht er alles andere als Wohlfühl-Pop: Horror und Spaß, Selbsterkenntnis und Größenwahnsinn, gekonnt lässt Fatoni die Grenzen in seinen Texten verschwimmen – unterstützt von Dexter und seinen Beats. Der Körper wippt, der Kopf nickt – ja, langsam perfekt!

Ratgeber-Literatur ist ein Symptom dieser Gesellschaft. Schlicht, weil sich der Konsument nur noch wohl fühlt, wenn er das Gefühl hat, er löse ein Problem nach vorgegebenem Rezept. Im Problemlösungsvorgang wird die Gefährlichkeit des eigenen Urteilsvermögens vermieden. Bloß nicht zu viel Zweifel, bloß nicht zu viel in Frage stellen, lautet die Devise. Auch für Pop-Musik gibt es Ratgeber-Bücher. Ernsthafte und weniger ernsthafte, die dem Popstar in spe erklären, wie die Vorstellung vom Popstar-Dasein Wirklichkeit wird. Zum Beispiel, indem man einen Hit schreibt.
Ein wenig wirkt es so, als hätte sich der Münchner Rapper Anton Schneider alias Fatoni genau das vorgenommen: ein Hit-Album zu schreiben. Denn noch vor dem Erscheinen der Platte kündigte er seinen Job als Schauspieler am Theater Augsburg, um es jetzt noch einmal ernst zu meinen, mit dem Musik-Machen.

Nur ist das, was er auf dieses Album gebannt hat, weit weg vom gegenwärtigen Wohlfühl-Pop, der einem für ein solches Vorhaben geraten wird. Denn Fatoni setzt sich darauf ziemlich schonungslos all der Brüchigkeit seiner Person aus: dem Zweifel an seiner Kunst, dem Spaß der Popmusik und der Unzufriedenheit, die die Ratgeber-Literatur gerne verscheuchen möchte.
Und dass das nun das erste Mal für den Musiker ist, dass seine Musik auch als ökonomischer Lebenssinn für ihn relevant wird, ist eine Ironie des Schicksals, die man schöner nicht in einen Bildungsroman hätte packen können. Denn „Yo, Picasso“, so der Titel der Platte, läuft erstaunlich gut. Sie verkauft sich, sie wird gelobt, von der überregionalen Presse genauso wie vom Hip-Hop-Fanzine. Fatoni supportet Fettes Brot auf deren aktueller Tournee. Die hatten wiederum zuvor Fatonis alten Alltime-Klassiker „Vorurteile“ zitiert, das hatte die Antilopen Gang davor auch schon gemacht. Und an diesen zwei Polen kann man den Erfolg, den Fatoni nun hat, vielleicht festmachen. Die Antilopen Gang sind so etwas wie die Hip-Hop-Version der autonomen Punks und Fettes Brot versuchen in Deichkinds Autoscooter-Rap-Fußstapfen zu treten. Fatoni hängt genau zwischen dieser Verweigerungsromantik und dem Mainstream-Erfolg. Und auf „Yo, Picasso“ ist es ihm gelungen, diese Unvereinbarkeit zum inhaltlichen Konzept zu machen.

Dass seine Raps, seine Schnoddrigkeit und seine Bissigkeit so glänzen, hat er auch dem Beat-Bastler Dexter zu verdanken, der etwa durch die Zusammenarbeit mit Casper den Mainstream kennt, der den Underground aber durch zahlreiche Produktionen liebt. So beginnt die Platte mit einem kratzend-jazzigen Sample, doch die Bassdrum ist clean und drückt wie in einer ordentlich Elektro-Produktion. Hinzu kommen Fatonis Lines, die etwa in „Benjamin Button“ Selbsterkenntnis und Größenwahn verwischen. Das Album hat viel, was eine Hit-Platte braucht und verdreht es gleichzeitig. Die Hommage an Mike Skinner etwa, in der Fatoni seine eigene Mittelmäßigkeit in der „H & M“-Schlange erkennt. Oder der düstere Sommerhit „32 Grad“, in dem ein prolliges Urlaubszenario mit dem Flüchtlingselend überblendet wird. In solchen Sätzen liegt sein großes Talent als Texter: Er ist in der Lage, Sprache so zu überblenden, als seien die Sätze Filmbilder. Zum Teil verkanten sie sich, dann gleiten sie unmerklich und vollziehen erschreckend einfach den Übergang von Horror zu Spaß oder von Fatonis eigener Subjektivität zu ätzendem Zynismus.
Er ist schonungslos, prangert an und beschwert sich, aber die Wirkung entsteht erst im Zusammenspiel aller seiner künstlerischen Ebenen. Und das ist so verführend, wie es lange keine deutsche Popproduktion mehr war – und gibt gleichzeitig der Popmusik (gesellschafts)-politische Relevanz zurück. 

Stil: Hip-Hop

Besetzung: Anton Schneider (Raps)

Aus: München

Seit: 2003

Internet: www.fatoni.de

Von Rita Argauer
Foto: Conny Mirbach

Bilder in den Kopf malen

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München – Carmen Wegge, 26, ist Rampensau und Schreiberling, seit zehn Jahren macht sie Poetry Slam. Entdeckt hat sie ihre Leidenschaft in der Slam-Kaderschmiede der Münchner Schauburg, die vor kurzem ebenfalls zehn Jahre alt wurde. In München organisiert sie den „Bless-The-Mic“-Slam in der Glockenbachwerkstatt und die Slam-Workshops in der Schauburg, die als größte Nachwuchsförderung von Poetry Slammern deutschlandweit gilt. Wenn sie nicht gerade auf der Bühne steht, studiert Carmen Jura.

SZ: Trockene Gesetzesbücher wälzen und auf der Bühne das Publikum mitreißen – wie passt das zusammen?
Carmen Wegge: Jura war vor allem so ein gutes Studium für mich, weil es keine Anwesenheitspflicht oder Anforderung an den Schnitt vor dem Staatsexamen gibt. Deswegen konnte ich viel Slam machen. Ich hatte bestimmt zweieinhalb Jahre lang 20 Auftritte im Monat. Dafür war das Jurastudium ganz gut.

Was ist der Reiz beim Poetry Slam?
Poetry Slam ist für mich gelebte Poesie. Es ist eine Erzählkultur. Man kommt auf die Bühne und erzählt den Menschen eine Geschichte, bringt ihnen Poesie zu Gehör. Das finde ich unglaublich schön. Die Menschen schlagen kein Buch auf, sondern kommen, sehen und hören den Poeten und merken dabei vielleicht viel eher, was er da-mit meint. Und Slammen ist natürlich auch Alltagspoesie. Poetry Slam ist in seinen Texten sehr schnelllebig, quasi am Puls der Zeit.

Zehn Jahre Poetry Slam – wie haben sich deine Texte verändert?
Mein erster Text als Jugendliche ging über einen Jungen, der denkt, er ist in einem Computerspiel gefangen und muss seine Eltern töten. Ja, da war ich noch sehr morbide. Damals habe ich mich viel mit jugendlichen Problemen beschäftigt: von Germany’s Next Topmodel verarschen bis zur jugendlich nachdenklichen Sinnsuche im Leben. Inzwischen schreibe ich sehr viel politisch. Über Frauenrechte, Diskriminierung, Sicherheit und Datenschutz. Wenn Poetry Slam eine Bühne bietet, dann muss man sich auch trauen, kritische Dinge anzusprechen. Man erreicht so viele Menschen damit, da lohnt es sich auch, auf der Bühne politisch zu werden.

Wer politisch wird, will ja auch immer etwas bewegen.
Es gibt viele, die sagen: Wenn ich mit meinen Texten nur bei einem was bewege, dann habe ich schon viel getan. Ich denke: Die meisten, die zu Slams kommen, haben schon ihre politische Meinung. Ich glaube, es geht eher darum, dass ich es mal gesagt haben will. Es ist wichtig, dass jemand auf der Bühne steht und sagt: Es läuft was falsch. Dieses und jenes muss sich ändern, lass uns das gemeinsam angehen.

Vor allem in der Förderung der U 20-Generation leistet ja die Schauburg einen wichtigen Teil. Wenn du zu den Anfängen zurückblickst: Was hat sich geändert?
Eigentlich ist alles wie früher! Es sind nur neue junge Menschen, die auf derselben Bühne stehen. Es gibt immer noch drei Workshops: Storytelling für die Prosa-Geschichtenerzähler, Lyrik- und Performancepoesie sowie Rap. Es ist auch immer noch ein spannender Mix durch diese drei verschiedenen Bereiche.

Unterscheiden sich die Teilnehmer?
Die Storyteller sind schon immer die Ruhigeren. Und dann gab es Creme Fresh, Keno und Fatoni im Rap-Workshop, den damals noch Nina Sonnenberg alias Fiva geleitet hat – die Rapper waren schon damals die Coolen. Es sind viele Talente aus der Schauburg hervorgegangen – zum Beispiel David Friedrich oder Moritz Kienemann, der jetzt am Volkstheater ist, oder die U 20-Meister Johannes Berger und Fee. Es ist schon eine kleine Kaderschmiede des deutschen Poetry Slams.

Was kann man als junger Poetry Slammer für sich selbst mitnehmen?
Ein Slam ist einfach eine Wundertüte. Man weiß nie, was an dem Abend passiert. Man weiß nie, welche Texte gelesen werden. Es ist eine ganz eigene Dynamik, auch unter den Zuschauern. Man muss auch gar nicht immer selbst auftreten. Aber einfach Teil einer Künstlerszene zu sein und kreative Künstlerluft zu schnuppern – das würde ich jedem empfehlen.

Worauf kommt es an auf der Bühne?
Ganz klar: Auf eine gute Stimme. Man muss den Menschen ins Gesicht schauen. Und man muss sich wohl fühlen. Wenn ich auf der Bühne bin, fühle ich mich, als würde ich da hingehören. Da ist die Welt in Ordnung.

Was kann man fürs Poetry Slammen lernen? Und was muss man tatsächlich einfach mitbringen?
Man braucht schon ein Grundtalent, aber eigentlich nur in dem Sinne, dass man sich etwas traut. Viele denken, sie können nicht schreiben, zum Beispiel weil sie in der Schule nie gut in Deutsch waren. Bei Workshops an Schulen fällt aber auf: Oft sind die mit der Fünf in Deutsch diejenigen, die bessere Texte schreiben als die mit der Eins in Deutsch.

Kann man das lernen?
Lernen kann man vor allem Poesie-Performance, also wie präsentiere ich mich auf einer Bühne? Das ist beim Slam ganz wichtig, weil ein Text kann noch so gut sein – wenn du ihn schlecht vorträgst, schweifen die Leute nach drei Sätzen ab und merken erst gar nicht, wie gut du bist. Auch bildhafte Sprache ist mit Schreibübungen lernbar. Das Wichtigste ist ja, dass man dem Publikum Bilder in den Kopf malt.

Interview: Elisabeth Kargermeier
Foto: Sonja Marzoner

„Niemand findet München cool”

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Standortfaktor Pop: Ist München jetzt wirklich so uncool, dass man
als Band keine Chance hat? Läuft alles prima? Oder muss die Stadt weit
mehr fördern als bisher? Wir haben bei Fatoni nachgefragt.

Ist es leicht, eine Band in München zu gründen bzw. aufrecht zu erhalten?

Ich denke eine
Band zu gründen ist nicht schwieriger als in den meisten anderen Städten. Sie
aufrecht zu erhalten eher schon. Das hat mehrere Gründe. Viele kreative wollen früher
oder später in eine andere Stadt, das kann Bands auseinander bringen. Außerdem
sind Räumlichkeiten in München knapp und teuer. Was ich aber vor allem
beobachte ist dass die Bewohner Münchens einem nicht gerade das Gefühl geben es
sei ein guter Lebensentwurf eine Band zu haben und erstmal zu gucken wie weit
man damit kommt. Das ist sicher auch ein Stück weit eine subjektive Wahrnehmung
aber ich sehe nicht dass die Münchner, alternative Lebensentwürfe auf die
gleiche Weise tolerieren oder gut heißen wie Berliner, Hamburger oder auch
Kölner. Nicht jede Band ist direkt erfolgreich, manchmal braucht eine Band 10
Jahre oder länger bis wirklich etwas geht. Diese Zeit durchzuhalten ist in
München meiner Meinung nach schwerer als an anderen Orten! 

Was hältst du von der Münchner Musikszene? Gibt es Schwierigkeiten oder auch Vorteile?

Ich finde es gibt
viele interessante und gute Leute in der Musikszene. Sicher sind es weniger als
in Hamburg und als in Berlin sowieso. Das hat mehrere Gründe. Zum einen wohnen
einfach weniger Menschen in München, aber vor allem ist München auch einfach
keine besonders attraktive Stadt für Musiker. Kreativer ziehen in der Regel
weg, nicht zu. Außerdem gibt es kaum Orte an denen kreative Prozesse ermöglicht
werden, vor allem nicht wenn diese erstmal keine kommerziellen Ziele
haben.

Würdet ihr euch von der Stadt mehr Unterstützung für die Szene wünschen? Welche Art von Unterstützung? Was tut sie bislang zu wenig?

Definitiv!
Jegliche Art der Unterstützung! Vor allem Räumlichkeiten sind einfach sehr
teuer in München. Sich ein Studio oder Proberaum zu finanzieren ist keine
Selbstverständlichkeit in München. Das fördert Subkultur nicht, sondern
behindert sie! 

Haben es Bands aus Münchnen schwieriger national Fuß zu fassen?

Definitiv. Das ist
für mich gar keine Frage die zur Diskussion steht, sondern ein Fakt. Niemand
findet München aus nationaler oder sogar internationaler Sicht cool. Das mag in
dem Genre in dem ich mich bewege stärker sein als in anderen, aber generell hat
München kein cooles Image. Aber als Band die im weitesten Sinne Popkultur
macht, braucht man das nun mal. 

Hast du persönlich schon Erfahrung mit Vorurteilen gegenüber Münchner Künstler gemacht?

Definitiv! Ich bin
nunmal Rapper und komme aus München. Es gibt ganz sicher keine Stadt im
deutschsprachigen Raum die mit solchen Vorurteilen zu kämpfen hat in Bezug auf
hip hop. Das gilt sowohl für die Szene, als auch für jegliche
Mainstreamformate! Der Klassiker: “hip hop aus München? Das gibt es da
überhaupt?!" 

Was zeigt, dass auch München eine tolle, alternative Musikszene hat?

Es gibt natürlich
in München Leute die tolle sachen machen. Ob das Bands und Musiker sind oder
Labels. Das ist ja gar keine Frage. Ich find aber jetzt eine Liste zu erstellen
um zu beweisen dass eine Alternative Musikszene in München existiert bringt die
Debatte nicht weiter. 

Hast du schon mal geleugnet, aus München zu sein? Wenn ja, warum – wenn nein, würdest du es tun?

Ja. Ich hatte vor
ein paar Jahren mal einfach keine Lust mehr auf die dummen Standardreaktion in
irgendeinem Club in Berlin.

Foto: Conny Mirbach