Albumkritik: Ni Sala

image

Die Münchner Rockband Ni Sala bringt ihr erstes Album raus. Wer einfachen Bluesrock erwartet, täuscht sich – die fünf Musiker können weit mehr!

Über die Vorgängerband von Ni Sala, die Rock-Kombo Famous Naked Gypsy Circuit, sagte einer
aus der Münchner Musikszene, der es wissen muss: „Das sind doch Verrückte“- es
war positiv gemeint.  Das war im Jahr
2015, die Gypsies hatten gerade ihr erstes – und einziges – Album raus
gebracht, nach fünfjähriger Bandgeschichte. Dann lösten sie sich auf.

Nun bringen drei dieser „Verrückten“ zusammen mit zwei
weiteren Musikern ihr selbstbetiteltes Album Ni Sala raus. Und man darf nicht den Fehler machen, Ni Sala mit den Gypsies zu
verwechseln. Denn nicht nur Name, Bandmitglieder und Image haben sich verändert
– auch der Sound ist neu. Formal machen Ni
Sala
Bluesrock mit 80ies-Einschlag, aber sie darauf zu reduzieren, wäre
unfair.

Der Opener des Albums, das mitreißende Philosophy Hollywood gibt gleich mal die Richtung vor, harte Riffs
zum Einstieg, hohes Tempo, der Gesang akzentuiert – ein echtes Brett eben. Beast In Me ist dann wieder mehr Blues,
stampfend-intensiv. Hörer von anderen Münchner Blues-Größen wie The Black Submarines dürften sich hier
gut aufgehoben fühlen. Cheeky Tongue und
Exit Is Inside sagen dann endgültig:
Das ist viel mehr als nur Blues, Ni Sala zitieren und schaffen großen
Rock – der Vergleich mit den großen Black
Rebel Motorcycle Club
kommt da nicht von ungefähr.  

Zur Mitte der Platte nehmen die fünf Musiker den Fuß etwas
vom Gaspedal und präsentieren mit Driftin‘
und Clear Your Mind zwei
ruhigere, fast besinnliche Nummern. An manchen Stellen erinnert das Album an
das famose Debütalbum der Labelkollegen von The
Charles
, etwa im explosiven Golden oder
in Love Street, in dem Sänger Robert
Salagean sein ganzes stimmliches Talent zeigt.

In C.O.E.T.S. geben
Ni Sala dann schließlich selbst die Anweisung, was mit diesem Album zu
tun ist – „Come on over enjoy“, um die Platte dann ruhig und viel Pathos mit Susie Allen zu schließen. Als Dreingabe
gibt es dann noch eine Live-Version ihres Songs Better Walk zu hören und live ist auch das Stichwort: Ni Sala feiern ihr Release am 26.05. im
Strom.

Philipp Kreiter

Band der Woche: Chuck Winter

image

Der Münchner Musiker Chuck Winter versteht es bestens, aus den vergangenen 60 Jahren Popmusik seinen ganz eigenen Sound rauszufiltern. Der klingt mal nach Bob Dylan, mal nach 90s Rock – doch am liebsten ganz bunt gemischt.

Derzeit herrscht eine tote Zeit. Das zeigen schon die unermüdlichen Retro-Bezüge aktueller Künstler: Eine ganze Generation leidet darunter, das Gefühl zu haben, alles sei schon einmal da gewesen. „Standing on the Shoulders of Giants“, nannten Oasis eines ihrer Alben, das im Jahr 2000 erschien und auch für diese Band eine künstlerische Wende bedeute: Man wurde sich bewusst, dass es auch vorher schon rüpelnde Gitarrenbands mit süßen Melodien gab. Dementsprechend eingetrübt ist die Musik auf diesem Album, die Unschuld der Anfangsjahre war unwiederbringlich verloren.

Heute, 17 Jahre später, existiert auch am Anfang keine Unschuld mehr. Und die neuen Künstler stehen auch nicht mehr auf den Schultern der gigantischen Vorgänger, sondern bedienen sich eher fröhlich bei Versatzstücken einzelner ikonischer Stile. Eine tote Epoche, deren Künstler aus den Überbleibseln der Vorgänger jedoch eine ziemlich gute Party zusammenstellen.

Besonders bunt gerät diese beim Münchner Songwriter Chuck Winter. Und haben seine retrofreudigen Münchner Kollegen wie The Charles oder der Famous Naked Gipsy Circus noch die Entscheidung für eine einzelne Epoche – in den genannten Fällen war das die Blues- und Rockmusik der Sechziger- und Siebzigerjahre – getroffen, bedient sich Chuck hingegen bei fast allem, was die Musik so hergibt. Da erklingen bluesige Orgeln über Sixties-Gitarren, während Glam-Rock-Soli der Siebzigerjahre durch ein Neunzigerjahre-Ambiente schallen. Besonders anschaulich zeigt das der in München geborene Deutsch-Amerikaner im gerade veröffentlichten Video zur Single „Hipbones“. Chuck selbst sitzt dabei als düstere und augenscheinlich von Bob Dylan inspirierte Figur vor seiner spielenden Band, die ein wenig wie aus einem High-School-Film zusammengecastet wirkt, und absolviert ein Speed-Dating mit verschiedenen modischen Erscheinungen der Popkultur: Da trinkt er etwa mit einer Dame Schnaps, die die gleiche Perücke trägt wie Uma Thurman in „Pulp Fiction“. Anschließend wird eine Zigarette mit einer Film-Noir-Schönheit geraucht, bevor er seine Dates mit einem die Geschlechterrollen queer in Frage stellenden Typen in eine ganz gegenwärtige Debatte hineinzieht. Chucks Mund ist dabei zu Beginn blutverschmiert, als würde er bildlich zugeben, sich die Popkultur der vergangenen 60 Jahre einzuverleiben wie ein Vampir. Doch der epochale Vampirismus dieses Künstlers, der gerade beim Sprungbrett-Wettbewerb so zu überzeugen wusste, dass er zuletzt die Kölner Studi-Schlager-Durchstarter AnnenMayKantereit supportete, geht auf.

Durch sein hemmungsloses Ausschlachten der Vergangenheit, aber auch durch die kleinen aber feinen Hinweise auf die Gegenwart, ist Chuck Winter einer der lebendigsten unter den Zombies dieser toten Epoche. Vielleicht auch, weil er mit sich selbst ganz im Reinen zu sein scheint: Als Jugendlicher sei es sein Ziel gewesen, eine eigene Platte in den Händen zu halten. Dieses erreicht er nun am 2. Juni, da erscheint seine Debüt-EP. Nun träumt er davon, auf Tour zu gehen und auch im Ausland Anklang zu finden. Live spielt er mit einer Band zusammen, die Musik ist dadurch noch einmal eigenständiger geworden. Die Band hat er Die Steuerfahnder getauft. Und mit diesem erst einmal seltsamen Namen verweist er in seinem kaleidoskopartigen Referenz-System noch einmal auf eine ganz andere Tradition der Popmusik: Den deutschsprachigen Rock von Lindenberg über Westernhagen bis Grönemeyer. Und so seltsam es klingt, es funktioniert.

Stil: Blues/Rock/Songwriter
Besetzung: Chuck Winter (Gitarre, Gesang, Songwriting)
Aus: München
Seit: 2014
Internet: www.chuckwintermusic.com

Text: Rita Argauer

Foto: Christin Büttner

Von Freitag bis Freitag München – Unterwegs mit Theresa

image

Im Supermarkt steht schon der Lebkuchen. Theresa bekämpft die Angst vor dem Winter mit sonniger Musik von Impala Ray bei Munich Rocks, heißen Schockern beim Fantasy Filmfestival und würzigem indischen Tee. Vorsichtshalber deckt sie sich aber am Mädelsflohmarkt im Feierwerk auch schon mit wärmerer Kleidung ein.

Als mir am vergangenen Wochenende am Abendessenstisch von
meiner Mutter und meiner Schwester berichtet wird, dass es im Supermarkt schon
Lebkuchen und Spekulatius zu kaufen gibt, fällt mir spontan die Kinnlade runter
– und die frisch geerntete Tomate aus dem Garten. Das muss ein Scherz sein.
Aber nein, auch meine Wetterapp kündigt für die kommende Woche rund 10 Grad
weniger an als noch die letzten Tage. Und das, wo ich gerade angefangen habe,
mich ans Schwitzen zu gewöhnen und meine blassen Schultern auch endlich so
etwas wie Bikinistreifen aufweisen – zwar noch lange nicht in dem Ausmaß wie die
meiner gerade mit der Schule fertig gewordenen und nur noch im Garten oder an heimischen
Seen anzutreffenden kleinen Schwester, aber doch nicht mehr abzustreiten.
Eigentlich wollte ich an denen noch arbeiten, aber gut …

Ich werde meine Laune ganz bestimmt nicht von denen des
Wetters abhängig machen. Deshalb packe ich am Freitag meinen Regenschirm ein
und mache mich auf den Weg ins Cinemaxx am Isartor. Dort wird derzeit das
Fantasy Filmfestival gefeiert. Heute bin ich mutig und schaue mir „Nina
Forever“
an. Eine britische Komödie über eine tote Exfreundin, die die neue Beziehung
ihres noch lebenden Freundes sabotiert. Mit viel Blut und schwarzem Humor. Bin
mir zwar, um ganz ehrlich zu sein, nicht ganz sicher, ob das der richtige Film
für mich kleines Alptraum-Opfer ist, aber vielleicht findet sich ja noch
jemand, der mich danach in den Schlaf kuschelt.

Letzteres funktioniert leider nicht ganz so wie ich mir das
vorgestellt hatte. Deshalb muss ich mich am Samstag  erst einmal von den ganzen Schockern und
Ex-Freundin-Geistern erholen und mir etwas Gutes tun. Und wie könnte das besser
gehen als beim Shoppen? Heute muss ich mich dafür nicht einmal wirklich
schämen, denn auf dem Mädelsflohmarkt im Feierwerk tue ich nicht nur den Verkäuferinnen einen Gefallen, die ihre alten
Klamotten loswerden wollen, nein, ich trage auch nicht zum
Massenproduktionswahnsinn bei, sondern finde ein paar tolle Teile aus zweiter
Hand. Fühle mich super hipster.
Ich muss niemandem, der schon einmal Shoppen war, noch dazu auf einem Flohmarkt,
erklären, dass es sich dabei um Hochleistungssport handelt, weshalb ich mich
nach diesem Tagesprogramm nur noch auf ein Date mit der Couch einlasse.

Den Sonntag lasse ich langsam angehen. Zuerst spiele ich
Taxi und hole meinen leiblichen Vater und seine Familie vom Flughafen ab. Sechs
Wochen Indien. Regen hatten die da dank Monsun genug, tiefenentspannt sind sie
aber trotzdem. Vor allem meine kleine Schwester, die nach Lust und Laune
fernschauen und Süßigkeiten essen durfte, bei den indischen Großeltern. Gott
sei Dank bin ich alt genug, um darauf nicht neidisch sein zu müssen, und freue
mich stattdessen über meine nun wieder aufgefüllten Cashewnuss-Vorräte.
Am Nachmittag muss ich dann aber erst einmal Platz in meinem Kleiderschrank
schaffen für die neuen Klamotten, die ich gestern gekauft habe.
Schrank-Aufräumen ist sowieso Spitze, fast wie Shoppen, denn dabei finde ich
immer die interessantesten Dinge. Wow, das blaue Trägerkleid hatte ich schon
fast vergessen. Oder den alten oversize-Snoopy-Pulli von meiner Mama aus New
York, voll retro! Der wird heute Abend gleich eingepackt, wenn es zum
vielleicht letzten Mal dieses Jahr zum Open-Air-Kino am Olympiasee geht. Sommer
Ade mit einem Coming-of-Age-Film, aber wenigstens in der englischen
Originalfassung. „Paper Towns“ erzählt von junger Liebe und kleinen Rätseln und
ja, ich habe Taschentücher dabei.

Am Montag muss ich zum Ausgleich aber unbedingt wieder etwas
intellektuell Anspruchsvolles machen und auch wenn sich die Sonne wieder ein
wenig häufiger zeigt, radle ich zum Haus der Kunst zur Ausstellung „Geniale
Dilletanten“.
 Der Titel ist absichtlich falsch geschrieben, lasse ich mir erklären, denn es
geht um jugendliche Rebellion in den 80er Jahren, um Einstürzende Neubauten und
Freiwillige Selbstkontrolle. Ich kontrolliere mich heute Abend auch selbst,
besprühe ausnahmsweise mal keine U-Bahn, sondern informiere mich total spießig und
total freiwillig über Master-Studiengänge und lerne zum krönenden Abschluss sogar
noch für meinen bald anstehenden TOEFL-Test.

Am Dienstag geht es dann weiter mit dem kreativen Input,
dann muss ich nicht über den unmittelbaren Ernst des Lebens nachdenken oder gar
über die in manchen Schaufenstern schon ausgestellten Winterkollektionen. Im
ImportExport in der Dachauerstraße lasse ich mich bei der Rationalversammlung inspirieren,
von Texten mir Herz, Verstand und Witz. Wer weiß, vielleicht schreibe ich
morgen ja endlich meinen Roman fertig. 

Nein, Mist, am Mittwoch muss ich schmachten, denn Jesper
Munk
spielt im Milla beim Abschlusskonzert der aktuellen BR-Startrampe und auch
wenn mein Geldbeutel seit Samstag viel zu leer ist, muss ich da hin. Ich muss. 

Am Donnerstag habe ich viel vor, deshalb sammle ich tagsüber
Kraft bei einer Tasse indischem Chai und starte um 19 Uhr bei der Vernissage von Birgit Wolfram. Es geht um die
Wirkungen und Möglichkeiten einer möglichst exakten Umsetzung der
Darstellungsweise von Fotografie und Malerei.
Dann will ich aber auch noch Musik. Und weil mir gestern aufgefallen ist, wie
gern ich im Milla bin, trotz des schrägen Bodens und des dadurch verursachten Muskelkaters
heute Morgen, fahre ich im Anschluss an die Kunst wieder in die Holzstraße,
denn da spielen Famous Naked Gipsy Circus, The Black Submarines und die
Cassettes. Das Ganze findet über die neue Plattform „Young Bands of Munich“ statt,
die Richard Mahlke, Sänger von den Cassettes zusammen mit Mira Mann vom Milla
organisiert hat. Aufstrebenden Münchner Bands sollen dadurch Auftritte ermöglicht
werden.
Ich bin allerdings ein wenig unruhig,
weil gleichzeitig im Ampere Munich Rocks stattfindet und dort spielt bei freiem
Eintritt Impala Ray. Neuer Sommerhit-Liebling, passt perfekt zu meinem Vorsatz,
den Herbst noch ein bisschen wegzutanzen. Spekulatius werde ich noch früh genug
gemütlich in eine Decke vorm Kamin gewickelt essen können. 

Am Freitag bin ich von all dem Getanze und der Angst vor dem
Winter allerdings auch ein wenig erschöpft und da erinnere ich mich daran, wie
mein Papa am Sonntag vom Nichtstun am Strand unter Palmen erzählt hat. Das
klingt interessanterweise auf einmal sehr, sehr vernünftig. Einfach mal nichts
tun. Ich packe meine Yoga-Matte ein und geselle mich zum Nadism Slow Mob im
alten Botanischen Garten
. Bewusstes Nichts-tun. Das ist echt abgefahren und sollte öfter gemacht werden.
Dann vergeht die Zeit nämlich auf einmal unglaublich langsam und die Lebkuchen
rücken wieder in angenehm weite Ferne.

Theresa Parstorfer

Foto: Tobias M Kraft

Neuland

image

Eine neue Plattform für die Münchner Musikszene. Richard Mahlke möchte mit “Young Bands of Munich” eine Auftrittmöglichkeit für aufstrebende Münchner Bands schaffen. Die Reihe startet am 10. September im Milla.

Ein kurzes Video: Eine junge Frau wartet auf eine U–Bahn. Nein, eigentlich wartet sie auf ein kleines Plakat, das auf die Tür des einfahrendes Zuges geklebt wurde. Das in schlichten Farben gehaltene Plakat zeigt Münchens Dächer.

Aber es geht um Musik: Mit „Young Bands of Munich", das am 10. September im Milla zum ersten Mal stattfinden wird, entsteht eine neue Plattform für die junge Musikszene der Stadt. Das Konzept: Es spielen drei verschiedene junge Bands aus München. „Es geht darum, aufstrebenden Münchner Bands eine Plattform zu fairen Bedingungen zu bieten und eine neue Reihe in München zu etablieren, die das Publikum anzieht“, erklärt Richard Mahlke, selbst Musiker in der Band Cassettes. Zusammen mit Mira Mann vom Milla organisiert er das Projekt. Um das Artwork kümmert sich Richards Bandkollege Benedikt van Megen. Im September werden Cassettes, Famous Naked Gipsy Circus und The Black Submarines auftreten. Einlass ist von 20 Uhr an, Beginn um 21 Uhr.  

Stephanie Albinger

Foto: Jakob Bahret

Weitere infos unter: www.facebook.com/YoungBandsOfMunich

Von Freitag bis Freitag München: Unterwegs mit Elisabeth

Die Meteorologen
warnen vor einer Hitzewelle – Elisabeth freut’s. Ein 35 Grad heißes und damit das
hochsommerlichste Wochenende steht bevor! Für die nächste Woche verrät euch Elisabeth, wo ihr gleichzeitig die Sonne
genießen und meist kostenlos feiern könnt, zum Beispiel beim Türkenstraßen Open Air,  beim Sonntagsgefühl in der Villa Flora und natürlich steht auch das Stadt-Land-Rock-Festival auf ihrem Plan! 

Als großer Filmfan wollte ich eigentlich dieses Wochenende
nochmals im Kino verbringen – bei diesem wolkenlosen Himmel schaffe aber selbst
ich das nicht. Ein guter Kompromiss ist der letzte Abend vom kostenlosen Open
Air des Filmfests am Gasteig, „Swinging Munich“. Eine Woche dreht sich hier alles um fliegende Röcke, Tanzschritte und die
passenden Rhythmen. Am Freitag, 3.
Juli gibt es „Swing Kids“ von Thoma Carter zu sehen, Filmbeginn ist gegen 22
Uhr.

Davor ist noch genug Zeit, mir für 10 Euro ein Bändchen für
das begehrte Uni-Sommerfest im Hauptgebäude der LMU zu sichern und schon mal die Bühnen und die Kunstausstellungen
bei einem ersten Getränk zu erkunden. Nach dem Film radle ich schnell zur Uni
zurück, um ja nicht die Impro-Theatershow von der Bühnenpolka um 0:30 zu
verpassen. Danach schwing ich bis zum Ende noch selbst das Tanzbein.

Samstags mache
ich mich nach dem Ausschlafen gleich wieder auf nach draußen: Um 14 Uhr fängt
das Türkenstraßen Open Air an! Für einen Tag herrscht hier Ausnahmezustand: Die Straßen werden gesperrt,
ausnahmsweise darf sich kein Anwohner beschweren und bis Mitternacht draußen
gefeiert werden. An den Plattentellern stehen zum Beispiel die DJ’s aus dem
Crux und dem Lucky Who, dazu gibt es Essen und Trinken für meinen späten Brunch
in den umliegenden Cafés und Restaurants. Wenn es mir zwischendurch zu warm
wird, laufe ich einfach schnell in den Englischen Garten vor und kühle meine
Füße im Eisbach.

Am Sonntag habe ich die Qual der Wahl zwischen zwei Festivals im
Freien. In der Villa Flora kann man zum dritten Mal das Sonntagsgefühl spüren. Bei elektronischer Musik mit den bekannten Sonntagsgefühl-DJ’s und
ein paar Drinks im neu gestalteten Garten der Villa lasse ich das Wochenende mit
Freunden ausklingen. Vor 14 Uhr gibt es freien Eintritt für alle, die bis
Samstag auf Facebook zugesagt haben, danach kostet es 5 Euro. Alternativ lädt
auch der Munich Breakfast Club zum ersten Mal zum Open Air Brunch & House
Music
. Eigentlich sollte dieses Event schon am 4. Juni stattfinden, damals hatte
aber kurzfristig die Location abgesagt. Umso mehr freue ich, dass es nun
nachgeholt wird! Die Location ist nach wie vor geheim – es soll aber eine
Terrasse im Zentrum von München sein. Ab 12 gibt es ein Brunchbuffet mit
Live-Cooking-Stationen, ab 15 Uhr wird die Musik lauter und alle dürfen
mitfeiern. Für den Brunch muss man vorab reservieren.
Wer von den Feierlichkeiten vom
Wochenende noch Kopfweh und nach dem Brunch mehr Lust auf Ruhiges als auf
Elektromusik hat, geht am besten in den Hinterhof der Glockenbachwerkstatt. Ab
12 Uhr kann man bei freiem Eintritt über die Japandult schlendern. Unter dem Motto „Bavaria meets Japan“ sind hier ein
Kunsthandwerkmarkt und Kreativ-Workshops zum Mitmachen geboten.

Montags brauche
ich etwas Erholung vom feierlastigen und hitzigen Wochenende. Deswegen mache
ich am Nachmittag nach getaner Arbeit eine kleine Radltour zu einem der vielen
Badeseen im Umland – aus dem Münchner Norden ist für mich der Hollerner See eines
meiner Lieblingsziele. Hier ist das Wasser türkis und die kostenlose Badeanlage ist neu gestaltet
mit Liegewiesen, Strand und einem imposanten Turm der Wasserwacht. Nur von den
Geräten des Kieswerks sollte man sich fernhalten (auch wenn von dort ins Wasser
springen verlockend ist), sonst kommt die Wasserwacht in ihrem Boot schneller
angeschippert als man „Wasserbombe“ sagen kann. Auf dem Rückweg  lasse ich den Abend im Biergarten am Schloss
Schleißheim ausklingen und beobachte die Segelflieger, die vom Flugplatz
Schleißheim abheben. Falls ich für den Rückweg mit dem Radl keine Kraft mehr
hab, steige ich in Oberschleißheim gemütlich in die S-Bahn.

Das Filmfest ist zwar seit dem Wochenende vorbei – die „Warholmania“,
die dort mit einer Hommage an Andy Warhol und seine Filme eingeläutet wurde,
aber noch lange nicht. Die Kooperation zwischen dem Museum Brandhorst und dem
Filmfest München geht noch bis zum Ausstellungsende am 18. Oktober 2015.
Deshalb gehe ich aus erster
Nostalgie nach dem Filmfestende am Dienstag
um 18:30 ins Museum Brandhorst. Der Kunsthistoriker und Kurator Douglas Crimp
hält dort einen Vortrag zum Thema „FACE VALUE“.
Im Mittelpunkt stehen Warhols Stummfilme „Haircut“, „Blow Job“ und „Maria
Banana“.

Am Mittwoch mache
ich einen Ausflug nach Nürnberg zur Eröffnung der Jahresausstellung 2015 der
Akademie der Bildenden Künste
. Meine Begleitung ist ein Freund, der auf die Akademie in München geht, und
sich zwei Wochen vor der Münchner Jahresausstellung mal die Arbeiten der
Konkurrenz in Nürnberg ansehen will. Die Ausstellung öffnet um 19 Uhr. Wer mittwochs
arbeiten muss und die Werkschau trotzdem nicht verpassen will: Das große
Sommerfest zur Finissage beginnt um dieselbe Zeit am darauffolgenden Samstag.
Sollte der Ausflug doch nicht klappen, gehe ich am Mittwoch
um 19:30 ins Lost Weekend in München. Dort liest Barbara Murica aus ihrem Buch
„Gut leben“ mit anschließender Diskussion. Thema ist, ob und wie eine solidarische Gesellschaft jenseits des (Wirtschafts-)Wachstums
möglich ist.

Das Stadt-Land-Rock-Festival beginnt!, heißt es am Donnerstag.
Deswegen mache ich mich auf in den Olympiapark zum Tollwood. Bis Sonntag treten
hier in der Tanzbar junge Münchner Bands auf, die man entweder kennt und mag
oder kennenlernen sollte. Der Eintritt ist frei. Am Donnerstag gibt’s eine
bunte Mischung aus Indie, Klassikpop und Hip-Hop auf die Ohren. Jede Stunde eine
andere Band und eine andere Musikrichtung. Den Anfang machen Miriam Green &
Katja Khodos
, danach übernehmen Katrin Sofie F. und der Däne die Bühne. Taiga
Trece
rappt ab 21 Uhr und den Abschluss macht die Band Mighty Steel Leg
Experience
.

Am Freitag, den 10. Juli,
schaue ich zur Einstimmung auf den Abend nochmals auf dem
Stadt-Land-Rock-Festival vorbei. Dort spielen heute die Cassettes, The Living, die Band Birdwatchers
und zum Abschluss der Singer-Songwriter Matthew Austin, der irgendwie ein
bisschen wie Bob Dylan klingt. Danach geht’s auf eine Geburtstagsfeier: Das
Muffatwerk wird 22! Alle Areas von Biergarten über Ampere bis Muffathalle sind geöffnet, der
Eintritt ist frei. Zu hören gibt es unter anderem Jungle-Boogie-Rock’n’Roll von
Famous Naked Gipsy Circus und Folkrock von den Racing Glaciers aus Liverpool. Neben
sechs Bands treten auch vier verschiedene DJ’s auf den In- und Outdoor-Bühnen
auf.

Elisabeth Kagermeier

Band der Woche

Die Band 

Famous Naked Gipsy Circus blickt musikalisch in eine vergangene Zeit, ihr Stil: Sixties Rock’n’Roll. Jahrelang haben sie an ihrem

Debüt-Album

gearbeitet- „Pearls”stellen sie nun am 10. Juli im Muffatwerk vor

Der Name ist eine Zumutung: Da wird munter mit den zum Glück längst überholten Völkerschauen gespielt. Die waren in Mitteleuropa vor allem zur Kolonialzeit beliebt – als man, von ekelhafter Hybris überkommen, Länder für sich beanspruchte und deren Ureinwohner nach Europa karrte, um sie dem braven Bürgertum vorzuführen wie exotische Tiere im Zoo. Die bärtige Frau, der Kleinwüchsige und der Seemann waren die Nachbarn dieses verwerflichen Kuriositätenkabinetts. Politisch und moralisch weniger korrekt geht es kaum. Solche Shows hatten ihre große Zeit Ende des 19. Jahrhunderts. Mitte des 20. Jahrhunderts wurden sie – zurecht – immer seltener. Dennoch hat diese Art Menschenzoo auch eine künstlerische Tradition. So lässt es sich etwa Alban Berg nicht nehmen, seine Lulu, „das schöne wilde Tier“, in der gleichnamigen Oper als einen Freak zum Angaffen einzuführen. Und in der Münchner Popszene gibt sich der Famous Naked Gipsy Circus (Foto: Peter Alexander Rapp) einer ähnlichen Faszination hin.

Das Quintett bezieht sich auch musikalisch auf eine vergangene Zeit und schafft sich so vielleicht auch etwas Abstand zu der frevelhaften Lust am Gaffen; auch wenn der Rock ’n’ Roll der Sechzigerjahre, dem sie sich verschrieben haben, eigentlich noch zu jung ist für die historisch korrekte Begleitung einer Freak-Show. Für die heutigen Hipster-Kids klingt das dennoch alt – und damit genau richtig. Selten wirkte ein Hipstamatic- oder Instagram-Filter passender als auf der Homepage der Musiker. Und die wissen damit zu spielen: Wenn sie sich nicht gerade in Posen zeigen, die auch auf der Bühne eines kalifornischen Wüstenfestivals sein könnten, posten sie Fotos von Palmen (natürlich in warmen verwaschenen Farben, selbst Technicolor ist da noch weit entfernt).

Der Münchner Alltag der Band schaut da jedoch gegenteilig aus: Um sich das bedingungslose und hingebungsvolle Rock ’n’ Roller-Leben ohne großes Label, ohne Pop-Business und ohne Platten-Vertrag leisten zu können, zogen die Musiker in eine gemeinsame WG. Mit so wenigen Zimmern, dass sie ganz Schullandheim-mäßig in Stockbetten schliefen. Doch der Fokus liegt auf der Musik, nicht auf Privatsphäre. Und außerhalb ihrer Komfort-Szene arbeiteten sie nun unermüdlich, verbissen und richtig lange an einem Debüt-Album. „Pearls“ haben sie es genannt, nun erscheint es nach fünfjähriger Bandgeschichte. Ganz unspektakulär stellen sie es auf der sommerlichen Festival-Tour vor, die nun ansteht. Gerade in Fürstenfeldbruck beim Halt-Festival, beim Stadtfest Wasserburg und in München beim Sommerfest des Muffatwerks am Freitag, 10. Juli.

Dass sie sich so lange dafür Zeit gelassen, dass sie verschiedene Studios ausprobiert haben und Besetzungswechsel durchstehen mussten, zeugt davon, dass ihr eigentliches Interesse wirklich nur der Musik gilt. Und das hört man: Denn so nostalgisch das alles ist, mit den Blues-Skalen und den fallenden Akkorden, dem ausgestellten Gesang und dem hektischen Loslaufen der Songs, so detailreich und präzise ist das komponiert.

Und letztlich stellen sie sich selbst aus, als Gezeichnete einer Pop-Welt, die derzeit nur mehr immer weiter zurückblickt als eine eigene Sprache zu erfinden. Das ist zwar nun weit nicht so diskriminierend wie eine Freak-Show oder Alban Bergs arme Lulu – auch weil sich die Musiker das ja selbst ausgesucht haben. Aber ob das nun schon feine Ironie oder noch unbedingte Hingabe ist, das ist beim Famous Naked Gipsy Circus nie ganz klar. Doch das Schwanken, das dadurch durch die Retro-Musik der Band läuft, zeigt sich als spannende Verunsicherung.  

Stil: Sixties-Rock’n’Roll
Besetzung: Mat Kokesch (Gesang, Gitarre), Daniel Rapp (Solo-Gitarre), Dario Krajina (Bass), Alexander Petri (Schlagzeug), Christoph Fendt (Orgel)
Aus: München
Seit: 2010
Internet: www.fngc.de

Rita Argauer

Foto:

Peter Alexander Rapp

Neuland

image

Lesung und Club? Passt das zusammen? Das Lyrikkollektiv „July in der Stadt“ probiert es aus! Mit der musikalischen Unterstützung von Mat von der Band Famous Naked Gipsy Circus wagen sie die Kombination. Sollte der Abend ein Erfolg werden, werden regelmäßig Lesungen im Cord Club stattfinden.

Das Lyrikkollektiv July in der Stadt (Foto: Marek & Beier Fotografen) verbindet Lesungen mit scheinbar unpassenden Orten. Diese Woche gibt es erstmals Gedichte im Club. In Kooperation mit der Plattenfirma Flowerstreet Records wird der Versuch gewagt, die Freunde der Lyrik mit Konzertgängern zusammenzuführen. Zum ersten Mal findet diese Kombination am Mittwoch, 14. Mai, statt. Die Lyriker der Gruppe „July in der Stadt“ lesen ihre Texte und bekommen musikalische Unterstützung von Mat von der Band Famous Naked Gipsy Circus. „Die Sofas vom Club werden im Raum verteilt sein, sodass die Leute einen entspannten Abend haben“, sagt Sophia Becker-Nickels von Flowerstreet Records. Einlass ist um 21 Uhr im Cord Club. Nach der Lesung geht es zum normalen Club-Betrieb über.

Stefanie Witterauf

In Stockbetten zum Erfolg

image

Lücken im Lebenslauf? Sind ihnen egal. Gesellschaftliche
Konventionen? Juckt sie nicht. Die jungen Musiker von Famous Naked Gipsy
Circus (Foto: Käthe deKoe) wohnen zu sechst in einer
Drei-Zimmer-Wohnung – die Enge und fehlenden Rückzugsmöglichkeiten
nehmen sie auf sich: für die Band

Drei Zimmer, sechs Männer, ein Hund, drei Stockbetten. Schuld
an dieser beengten Wohnsituation haben nicht die hohen Mietpreise, es
liegt auch nicht an dem generellen Problem in München eine passende
Wohngemeinschaft zu finden. Die jungen Männer nehmen diese Bedingungen
aus einem anderen Grund auf sich: Sie leben für die Musik, sie leben für
das Ziel, eines Tages von ihrer Musik leben zu können.
Famous Naked Gipsy Circus nennen sich die Jungs dieser Musik-WG. Seit
fast einem Jahr wohnen Mat Kokesch, Robert Salagean, Artur Reichert,
Dario Krajina und Alex Petri mit Hund Nala und Filmemacher Tom von der
Isar in einer viel zu kleinen Drei-Zimmer-Wohnung in Berg am Laim: mit
Wohnküche, einem umfassend ausgestatteten Proberaum und einem
Schlafzimmer voll mit Stockbetten.

„Ein Gipsy sein“ – diesen Spirit will die Band leben, wie die Musiker
immer wieder betonen. „Ein Gipsy sein“, das bedeutet für sie so viel
wie „für den Moment und die Musik zu leben“ und, wie sie sagen, „auf
Lücken im Lebenslauf zu scheißen“. Kurz: Das zu machen, „worauf man
gerade Bock hat“. Fünf Musiker, ihr Freund Tom, der aus dem Leben der
„Gipsys“ ein Videoprojekt macht, und Hund Nala – da sind Chaos und
Unordnung vorprogrammiert, sollte man meinen. Sex, Drugs and Rock ’n’
Roll? Überraschend sauber und ordentlich ist es in der Band-WG. Keine
Spur von leeren Flaschen und ausgedrückten Zigarettenstummeln in der
Sofaritze.   Geraucht wird nämlich ausschließlich vor der Tür – und der
Sonntag ist seit Neuestem zum Putztag erklärt worden. Alles ohne Stress
natürlich, wie Mat erklärt. Es wird ausgeschlafen, entspannt
gefrühstückt ,und dann werden die Aufgaben verteilt, spontan und ohne
strikten Putzplan. Wer nicht da ist und sich drückt, wirft zum Ausgleich
Geld in die Band-Kasse.

Gemütlich hat es die Band, die sich dem dreckigen und
leidenschaftlichen Rock ’n’ Roll der Sechzigerjahre verschreibt,
allemal. Es ist warm, der Geruch von Räucherstäbchen hängt in der Luft,
im Hintergrund läuft Musik der Beatles aus der Stereoanlage. In der
einen Ecke stapeln sich Kisten voll Schallplatten, in der anderen stehen
ein kleiner Globus und zwei Theatersessel, die irgendwie auch ihren Weg
in diese WG gefunden haben. Ein paar Bücher liegen auf dem Klavier. In
der Wohnküche wird gerade das Abendessen vorbereitet – Gnocchi mit
Arturs Spezialsoße: Tomaten und Pilze. Der Rest der Band jammt ein
bisschen im Proberaum im Zimmer nebenan mit Freund Franz, Bassist der
Münchner Band The Whiskey Foundation, hinterher plaudern sie bei einem
Glas Wein am Wohnzimmertisch.

Auf der sommerlich-grün gestrichenen Wohnzimmerwand steht die „Formel
des Universums“, eine abenteuerlich wirkende Abfolge von Buchstaben und
Zahlen. Ein Freund aus Kroatien, den die Band nur „den Professor“
nennt, hat sie an die Wand gemalt. Die Küchenzeile wirkt neben den
Gitarren an der Wand und den Computer-Bildschirmen, die für die
Aufnahmen aus dem nebenan liegenden Proberaum gedacht sind, eher
nebensächlich. Alles scheint seinen Platz zu haben. Dennoch kommt die
Frage auf: Wieso wollen so viele Leute gemeinsam in einer so kleinen
Wohnung leben?
Der gemeinsame Einzug habe sich einfach ergeben, wie vieles in der
Geschichte von Famous Naked Gipsy Circus. Percussionist Robert wohnt nun
seit fast vier Jahren in dieser Wohnung. Sänger und Gitarrist Mat zog
dann als Zweiter ein. So gut wie täglich probte die Band in der Wohnung –
und irgendwann kam die Idee auf, dass der Rest auch noch einziehen
könnte: „Dann sind wir zu Ikea und haben Stockbetten gekauft.“
Zusammenziehen als logische Konsequenz? Bassist Artur ergänzt: „Als die
Idee das erste Mal aufkam, hat sich das einfach richtig angefühlt. Klar
waren ein paar Bedenken dabei, weil man weiß, dass es eine krasse
Lebenssituation ist. Aber die Musik ist einfach der Grund, warum wir das
machen.“

Ganz so einfach war das natürlich nicht. Jeder musste erst einmal
seinen Besitzstand auf ein Minimum reduzieren, was eher als befreiend,
als belastend empfunden wurde. Auch Gitarrist Dario sieht nur Vorteile:
„Wir können immer proben, wenn wir Bock haben. Wir müssen nicht fünf
Tage die Woche arbeiten, um die Miete bezahlen zu können. Wir können
auch nur zwei Tage arbeiten und uns den Rest der Woche komplett auf die
Musik konzentrieren.“ Für Robert steht nicht nur der finanzielle Aspekt,
sondern vor allem die Musik im Vordergrund: „Wenn wir zusammen Musik
machen, entsteht in gewissen Momenten einfach Magie. Du kannst nie das
Gefühl, das du zu Hause hast, später im Proberaum abrufen.“

Und was ist, wenn einer von ihnen mal ein Mädchen mit nach Hause
bringt? „No chance“, sagt Artur sofort. Scherzend wirft der Rest ein:
„Es gibt ein Lager, einen Aufzug, und der Band-Bus steht vor der Tür.“
An wirklichen Rückzugsorten mangelt es also irgendwie doch ein bisschen.

Auseinandersetzungen über die Unordentlichkeit einzelner Mitbewohner
oder über Socken auf dem Boden können auch mal vorkommen, eben nicht
anders als in jeder anderen WG. Aber ein Fan von strenger Planung sind
die Jungs trotzdem nicht, sagt Artur: „Wie musikalisch hat sich das
alles mit der Zeit eingeschwungen. Es schwingt halt immer so ein
bisschen. Irgendwann bleibt es stehen, und dann ist es cool.“ Robert
vergleicht das Leben in der gemeinsamen Wohnung mit der großen Liebe:
„Wenn du dir sicher bist, deine große Liebe gefunden zu haben, gibt es
natürlich auch Streit, weil keiner perfekt ist. Aber wichtig ist, was
für Ziele man hat, und was man möchte. In einer Beziehung ist das Ziel,
für immer zusammenzubleiben, und in der Band ist das Ziel, für immer
zusammen Musik zu machen. Wichtig ist, dass wir uns trotzdem verstehen.“

In der Münchner Indie-Szene haben sich Famous Naked Gipsy Circus
bereits einen Namen gemacht. Bei ihren Shows, beispielsweise auf dem
Flowerstreet-Festival, lassen sich viele Zuhörer durch ihren
unverfälschten Sixties-Rock ’n’ Roll in den Gipsy-Bann ziehen. Es wird
getanzt, getrunken und vor allem geschwitzt. Auch Gregor Amadeus Böhm,
Chef der Münchner Plattenfirma Flowerstreet Records, hat der
Gipsy-Spirit gepackt. Er kennt die Band durch gemeinsame Veranstaltungen
und sieht deren Stärke in ihrem Zusammenhalt: „Es ist selten, dass sich
eine Band musikalisch und menschlich so findet, wie die Jungs.“ Das
Potenzial, ihr Ziel zu erreichen, hat Famous Naked Gipsy Circus in
seinen Augen auf jeden Fall. Allerdings sei Erfolg nicht nur von Talent,
sondern auch von Durchhaltevermögen und Dingen, die man selbst nicht in
der Hand habe, abhängig. An Ausdauer scheint es der Band nicht zu
mangeln, glaubt zumindest Gregor Amadeus Böhm: „Die Ambitionen von
Famous Naked Gipsy Circus liegen sehr hoch, aber nie in negativer Form,
sodass sie sich gegenseitig zerfleischen oder unter Druck setzen würden,
sondern eher in Form von gegenseitiger Inspiration.“
Die momentane Wohnsituation sehen die Musiker eher als Übergangsphase
als einen Dauerzustand. Für die Zukunft wünscht sich die Band mehr
Platz. Ein Haus, in dem jeder sein Zimmer hat, im Keller sollen
Proberaum und Aufnahmestudio sein, und im Garten finden Konzerte statt .
Auch ein Kamin darf natürlich nicht fehlen, das macht eine Wohnung im
Winter wohlig warm. Obwohl: Die Kälte dürfte schon jetzt zu sechs in
einem Schlafzimmer nicht das Problem sein.

Der Traum, von der Musik leben zu können, verbindet die fünf. Zurzeit
verdienen sie sich ihren Unterhalt unter anderem, in dem sie
Musikunterricht geben, als Straßenmusiker auftreten oder in
verschiedenen Musikläden jobben. Allerdings: Organist Chris ist erst vor
kurzem ausgestiegen. Ihm ist alles zu viel geworden.

Gabriella Silvestri

Foto:

Käthe deKoe