Sie sind von Münchens Bühnen nicht mehr wegzudenken. Aber wie haben die Musiker und Musikerinnen eigentlich angefangen? Für die Junge-Leute-Seite haben Künstler in ihrem Fotoalbum geblättert. Heute: C-Ras.
Schlagwort: C-Ras
Band der Woche: C-Ras
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Münchens kleinste Bühne
Hans Kohler und seine Freunde veranstalten DJ-Gigs in seinem WG-Zimmer und veröffentlichen sie anschließend im Internet. Das Konzept ist nicht neu. Allerdings hat „Hansi’s Room“ seinen ganz eigenen Charme.
Chris, Künstlername C-Ras, drückt auf Play. Der Plattenspieler beginnt zu rotieren. Ein tiefer Bassschlag wabert durch den Raum. Darauf folgt eine knackige Snare-Drum. Das Ganze wiederholt sich mit kleinen Variationen. Dann setzt ein Sample ein. So baut sich innerhalb weniger Sekunden ein Hip-Hop-Beat auf. Die Anwesenden beginnen mit dem Kopf zur Musik zu nicken. Sie hören zu, unterhalten sich, reißen Witze. Man merkt, dass sie untereinander befreundet sind – die Stimmung ist ausgelassen.
C-Ras legt nicht in einem Club auf, sondern in einem WG-Zimmer in Haidhausen. Im Zimmer von Hans Kohler, 28. „Beats kommen daheim besser rüber“, sagt Hans und lächelt. „Im Club hat man das Gefühl, man muss tanzen.“ Hier, in „Hansi’s Room“, tanzt niemand. Sie hängen ab, entspannen und sitzen auf der durchgesessenen Couch, während sich im Hintergrund die Plattenteller drehen.
Neben den Tischen, auf denen Plattenspieler und Mixer stehen, thront das Plattenregal. Die Sammlung besteht aus mehreren hundert Platten. Im gesamten Zimmer kleben Sticker, Poster und – wie soll man sagen – Sonstiges an der Wand. Zum Beispiel eine alte Soundkarte oder ein großer Karton-Scheck, den man typischerweise aus Gameshows im Fernsehen kennt: Er steht für das Preisgeld für eine gewonnene Breakdance-Battle. Was aber viel wichtiger ist, sind die Einrichtungsfreunde, sind die Freunde im Zimmer. Sie trinken Bier, haben Spaß und nicken mit dem Kopf zur Musik.
So weit, so normal. Allerdings haben es die Konzerte in diesem WG-Zimmer zu einer kleinen Berühmtheit gebracht. Denn Hans und seine Freunde filmen die Auftritte und laden sie anschließend ins Internet. So ist das Zimmer über die Zeit zu einer Plattform für lokale Produzenten und DJs geworden. C-Ras aus München etwa spielt an diesem Abend hauptsächlich Tracks seiner neuen Platte. Auch internationale Künstler haben in Hans’ Zimmer schon ihre Musik zum Besten gegeben.
Hans tanzt seit Langem Breakdance und ist somit eng mit Münchens Hip-Hop-Szene verbunden. Mit der Zeit beschäftigt er sich immer mehr mit der Musik und beginnt aufzulegen – vor allem Hip-Hop, Funk und Boogie. Hans und sein Mitbewohner Alexander Starck, 29, hängen oft in seinem Zimmer ab, hören Musik und laden immer wieder Freunde ein. Dabei wächst die Plattensammlung stetig. Sie legen auch immer öfter gemeinsam auf, vor dem Weggehen oder einfach so. So kommt es, dass Hans und Alex beginnen, die Gigs zu filmen. Hans erinnert sich: „Wir sind verkatert aufgestanden – es waren ja eh immer irgendwelche Leute da – und haben dann einfach angefangen aufzunehmen.“ Das war im März 2014.
Mittlerweile waren schon zahllose Musiker zu Gast. An diesem Abend ist es C-Ras. Neben Hans und Alex sitzt auch Stephen Nayat, 23, Spitzname Monte, auf der Couch und hört zu. Seit die Jungs angefangen haben, ist er für die Technik zuständig. „Der ursprüngliche ,Boiler Room‘ kommt am nächsten an das hin, was wir machen“, sagt Monte über ihr Projekt.
Der Boiler Room. Das ist eine der größten Erfolgsgeschichten innerhalb der elektronischen Musikszene in den vergangenen Jahren. Ein großer Vergleich also. Denn die Musikplattform, die damit angefangen hatte, DJ-Gigs im Internet zu streamen, ist inzwischen ein millionenschwerer Konzern. Es gibt Boiler-Room-Videos aus allen Ecken der Welt – von New York über Barcelona bis Peking. Fast jeder halbwegs angesagte DJ hatte dort schon einen Auftritt. Allerdings hat auch dieses Projekt klein angefangen, in einem winzigen Heizungsraum (zu englisch: boiler room) im Osten Londons. Ein paar Freunde mit guten Verbindungen zur Kreativszene hatten spaßeshalber begonnen, befreundete DJs einzuladen und die Auftritte im Internet zu veröffentlichen. Aus diesem Blickwinkel versteht man, was Monte meint, wenn er vom „ursprünglichen“ Boiler Room spricht. „Auf keinen Fall sind wir bloß eine Boiler-Room-Nachmache“, sagt Hans. „Die Anfangsidee ist dieselbe.“ Also Musik mit Freunden zu machen und die Atmosphäre dann noch per Internet zu verbreiten. „Wir wollen aber beibehalten, dass man Spaß hat“, ergänzt Alex. Denn für Hans und seine Freunde geht es nicht darum, erfolgreich zu sein. Für sie steht die Musik weiterhin im Vordergrund.
Das merkt man auch am Namen des Projekts: Hansi’s Room – analog zum Boiler Room, benannt nach dem Ort, an dem alles stattfindet. Dabei schwingt natürlich Ironie mit, denn zum Zeitpunkt des Namensgebung war der Boiler Room bereits allseits bekannt. Hans’ WG-Zimmer hingegen kannten bis dato nur Freunde. Doch das hat sich inzwischen geändert.
Mittlerweile gibt es eine Liste mit Musikern, die bei Hans im Zimmer spielen wollen. Zu ihnen kommen sie meistens über Empfehlungen von Freunden. „Es geht auch darum, Leute kennenzulernen“, sagt Hans. Natürlich hat Hans noch Verbindungen in die Hip-Hop-Szene. Obwohl die Jungs alle selbst eher aus dieser Richtung kommen, sind sie auch für anderes offen – „Hauptsache: gute Musik“. So ist ein kleines Netzwerk entstanden, mit durchaus ungewöhnlichen Abzweigungen. So waren digitalluc, der Beats für Edgar Wasser produziert, und erst kürzlich die Münchnerin Lisaholic bei Hans zu Gast – die selbst ernannte „Königin von Bayern“ spielte eine knapp 45-minütige Session ein. Auch internationale Künstler wie Sono aus Brasilien oder DJ Flake aus den USA haben schon Hans’ Zimmer beschallt.
Die Zugriffszahlen sind ordentlich – oft sind sie im fünfstelligen Bereich. Auch die Resonanz auf ihr Projekt ist international. „Manchmal schreiben mir irgendwelche Leute auf Englisch so Sachen wie: Danke, dass ihr mich durchs Studium gebracht habt“, sagt Hans. Vor kurzem gab es auch eine Anfrage aus Portugal, ob man nicht ein paar Hansi’s-Room-Aufkleber haben könnten. Das freut sie natürlich, trotzdem denken die Jungs nicht daran, ihr Projekt kommerzieller zu gestalten. Obwohl auch schon die erste Zahlung für Klicks auf einer Videoplattform bei ihnen eingegangen ist – elf Cent.
Von: Lukas Haas
Foto: Lukas Haas