„Giesing – Oida“

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Standortfaktor Pop: Ist München jetzt wirklich so uncool, dass man als Band keine Chance hat? Läuft alles prima? Oder muss die Stadt weit mehr fördern als bisher? Wir haben bei Musikern nachgefragt.

Von Sandra Will

Die Kytes werden gerade nach dem Release ihres Debüt-Albums bei ihrer Tour in ganz Deutschland gefeiert. Dass die jungen Musiker eigentlich in Giesing proben, wissen wohl die wenigsten Menschen im Berliner oder Hamburger Publikum – und es interessiert auch keinen. Die Kytes sind nicht die einzigen Münchner Musiker, die derzeit in der ganzen Republik gelobt werden. Trotzdem verstummen die Stimmen nicht, die über das Imageproblem Münchens klagen. Klar ist: Die Landeshauptstadt sieht sich als Kulturstadt, dazu gehört das Oktoberfest genauso zum Repertoire wie die Staatsoper. Doch welchen Platz nehmen junge Musiker ein, die den Sound von München ausmachen? Und wie sehen die Bands selbst ihre Musikstadt? Was macht ihnen Sorgen?

„Wir mieten nun ein Studio eine Autostunde außerhalb von München. Wir
kennen auch viele andere Musiker, die mit dem gleichen Problem zu
kämpfen haben“ – Claire
(Hier zum Fragebogen)

Probleme gibt es vor allem abseits des Scheinwerferlichts. Die Band Claire berichtet über ihre lange Suche nach einem geeigneten Proberaum, es sei wahnsinnig schwierig, etwas Bezahlbares in München zu finden. „Wir mieten nun ein Studio eine Autostunde außerhalb von München. Wir kennen auch viele andere Musiker, die mit dem gleichen Problem zu kämpfen haben“, sagen die Musiker der Band Claire. Auch Dionys Rieder von der Band Die Sauna ist der Meinung, es könne schon möglich sein, dass dieser Mangel der Grund für eine Nichtgründung sei. „Das macht es schwierig, den Ansprüchen einer Band gerecht zu werden und sie aufrechtzuerhalten“, sagt auch Singer-Songwriterin Clea Charlotte. (Hier zum Fragebogen)

„Schließlich will ein guter Musiker auch seinen Sound. Und dazu braucht
er im Normalfall auch sein Equipment, das man nur ungern in geteilten
Proberäumen rumstehen lässt. Dafür dann 400 Euro zu zahlen ist schon
fast unverschämt.“

– Black Submarines (Hier zum Fragebogen)

Richy Strobl von Black Submarines sieht das ähnlich, die Möglichkeit, sich einen Raum zu teilen und damit die Miete zu verringern, ist jedoch nicht immer ein Kompromiss: „Schließlich will ein guter Musiker auch seinen Sound. Und dazu braucht er im Normalfall auch sein Equipment, das man nur ungern in geteilten Proberäumen rumstehen lässt. Dafür dann 400 Euro zu zahlen ist schon fast unverschämt.“ Ralph Würschinger von Naked Feen (Hier zum Fragebogen) sagt dazu nur: „Die meisten Deals sind scheiße.“ Wenn auch nicht die Masse an Gleichgesinnten wie in Berlin zu finden ist – wer eine Band gründen will, der schafft das auch in München. Und findet dort leicht in die Szene – das Vernetzen mit anderen Bands klappt gut.

„Der Markt ist noch nicht so übersättigt wie etwa in Berlin, wo für kleinere Künstler kaum Gagen zu erzielen sind“

– Stray Colors (Hier zum Fragebogen)

Sharyhan Osman von der Synthie-Pop-Band Kleyo glaubt, man wisse sehr schnell, wer sich sonst noch in der Szene bewegt. Dadurch greifen sich die Musiker gegenseitig mehr unter die Arme. Das Bild, dass Münchens Szene sehr familiär sei, stimmt also. Doch auch das hat einen Pluspunkt: „Der Markt ist noch nicht so übersättigt wie etwa in Berlin, wo für kleinere Künstler kaum Gagen zu erzielen sind“, sagt Rüdiger Sinn von der Band Stray Colors. Und auch Clea Charlotte sieht darin eine noch größere Chance aufzufallen. Auf der anderen Seite: „Die Münchner Musikszene ist teilweise zu eigenbrötlerisch“, sagt Isabella Mola von der nach ihr benannten Band Mola. „Da macht jeder so sein Ding. Mehr Miteinander würde ich feiern.“
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Sharyhan Osman erwidert jedoch: „Konkurrenz ist auch ein Antrieb, besser zu werden und sich weiterzuentwickeln.“

„Niemand findet München aus nationaler oder sogar internationaler Sicht cool“

– Fatoni (Hier zum Fragebogen)

Es gibt zwar nicht genügend Auftrittsmöglichkeiten, um Münchens Musiker wirklich zufriedenzustellen, doch bei einer Sache sind sie sich einig: Die Musikszene lebt! Und diese ist im Gegensatz zur Stadt München weniger vorurteilsbehaftet, so die Erfahrungen der einheimischen Bands.

„Konkurrenz ist auch ein Antrieb, besser zu werden und sich weiterzuentwickeln.“

– Kleyo (Hier zum Fragebogen)

Natürlich: „Niemand findet München aus nationaler oder sogar internationaler Sicht cool“, sagt Anton Schneider alias Fatoni. „Aber als Band, die im weitesten Sinne Popkultur macht, braucht man dieses coole Image nun mal.“ Auch Sebastian Schnitzenbaumer von Schamoni Musik hat darüber geklagt, dass er seine Künstler wegen des schlechten Images der Stadt nicht vermarkten kann – und hat damit eine Pop-Debatte in München entfacht. Aber liegt das an München? Oder an der Zielgruppe?

“Es sind engstirnige Menschen, die auf das Laptop- und Lederhosen-Klischee hereinfallen” – Dobré (Hier zum Fragebogen)

„Oft ist das Problem ja nicht München, sondern es sind engstirnige Menschen, die auf das Laptop- und Lederhosen-Klischee hereinfallen. Leider gibt es in der Musikbranche wohl zu viele davon“, sagt Johannes Dobroschke von Dobré. Auch die Musiker von Claire kennen die Vorurteile. „Die Vorurteile, die gegen München vorgebracht werden, sind vielleicht am wenigsten mit dem Musiker- und kreativem Dasein zu vereinbaren. Deshalb freuen wir uns umso mehr zu zeigen, dass es nicht die Stadt ist, welche die Künstler prägt, sondern dass es die Künstler sind, die eine Stadt prägen.“

“Wie sollen sich denn Clubs und Konzertlocations
etablieren, wenn die ganze Stadt stillgelegt wird?” – LUX
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Abhängig vom Genre kann es da durchaus mal ungemütlich für Musiker werden, wie auch Fatoni schon erfuhr: „Der Klassiker: Hip-Hop aus München? Das gibt es da überhaupt?“ Vorurteile gegenüber der Herkunft sind für Fabian Hertrich alias Young Fast Running Man aber nicht nur münchenbedingt: „Es gibt auch hier Vorurteile gegenüber anderen Städten. Für mich zählt die Qualität der Musik – nicht die Herkunft.“
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Das sagt auch Singer-Songwriterin Julia Kautz: „Wenn man es mit seiner Musik in die große weite Welt schaffen will, dann spielt es überhaupt keine Rolle, woher man kommt.“ Negative Erfahrungen hat sie noch nicht gemacht, trotzdem fühlt sie sich als Münchnerin bei Songwriter-Sessions in Berlin als Exotin. „Aber ich hatte nie das Gefühl, dass meine Herkunft einen negativen Einfluss darauf hat, wie ich als Künstlerin wahrgenommen werde.“
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„Das Radio wird überflutet von Klassik-Kanälen und Sendern, die rund um
die Uhr die gleichen Synthie-Pop- und Deutsch-Pop-Nummern spielen“

– Ni Sala (Hier zum Fragebogen)

Auf die Frage, wo man sich denn noch mehr Unterstützung erhofft, werden vor allem die Radiosender in die Verantwortung genommen. „Das Radio wird überflutet von Klassik-Kanälen und Sendern, die rund um die Uhr die gleichen Synthie-Pop- und Deutsch-Pop-Nummern spielen“, sagt Robert Salagean von Ni Sala. Die Stadt unterstütze klassische Musiker, alternative Musikrichtungen blieben da oftmals auf der Strecke. Am wichtigsten empfinden viele jedoch mehr bezahlbaren Proberaum und Beratung wie von der Fachstelle Pop.

Fatoni hingegen klagt: „Es gibt kaum Orte, an denen kreative Prozesse ermöglicht werden, vor allem nicht, wenn diese erst einmal keine kommerziellen Ziele haben.“ Xavier D’Arcy alias Darcy hat hierzu eine andere Meinung: „Die Stadt unterstützt Musiker und Bands durch die Fachstelle Pop mit Workshops, Förderungen und Auftrittsmöglichkeiten.“
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Durch die bayernweiten Förderprogramme gibt es für ihn genügend Unterstützung.

„Es ist definitiv nicht leicht, über den Münchenrand hinwegzukommen“

– Die Sauna (Hier zum Fragebogen)

„Es ist definitiv nicht leicht, über den Münchenrand hinwegzukommen“, sagt Dionys Rieder von der Band Die Sauna. Aufmerksamkeit zieht man vor allem mit nationalen Festivals auf sich, als bestes Beispiel dient dazu das Reeperbahn-Festival in Hamburg – vielleicht kann ja die „Manic Street Parade“ dieses Interesse dauerhaft nach München bringen. Gerade solche Veranstaltungsreihen würden die Lücke schließen zwischen den kleinen Open Stages und den großen Hallen wie im Muffatwerk. „Es fehlt etwas, um die Lücke zwischen Schülerbands und Top-Acts zu schließen. Etwas für Leute, die mehr als nur Hobby-Musiker sein wollen, aber nicht über die finanziellen Mittel und die sozialen Kontakte verfügen, um gleich weiter oben anzufangen“, sagt Richie Strobl von Black Submarines. Doch es gebe auch gute Institutionen wie die Glockenbachwerkstatt, wo man talentierte Bands finde, sagt Aron Foltin von der Band Lyndenstraße.

“Es gibt gute Institutionen in München wie die
Glockenbachwerkstatt” – Lyndenstraße
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Die meisten Musiker fühlen sich ihrer Heimatstadt sehr nahe und würden es nicht leugnen, aus dieser Stadt zu kommen. Trotzdem zeigt sich, dass es manchmal eben besser sei, den Standort erst einmal unerwähnt zu lassen, sagt Rüdiger Sinn von Stray Colors. Auch Ralph Würschinger von Naked Feen würde bei einem neuen musikalischen Projekt München nicht als Heimatstadt angeben. Doch es geht auch selbstbewusster: Genauso wie die Mitglieder der Kytes schwören auch die Musiker von Black Submarines auf ihre Homebase: „Giesing – Oida!“

Foto: Käthe deKoe

Black Submarines

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Das Quietschgelb der Yellow Submarine hat sie kurzerhand etwas verdunkelt: die Münchner Band Black Submarines. Diesen Freitag stellen sie ihr Album im Münchner Club Strom vor.

Die psychedelische Zeichentrick-Komik der Beatles ist eigentlich weit entfernt von staubigem Bluesrock. Doch sobald Unterseeboote und Popkultur zusammentreffen, stellt sich zwangsläufig die Assoziation mit der Yellow Submarine ein. Deren quietschiges Gelb hat die Münchner Band Black Submarines (Foto: Sabrina Liebl) einfach ein wenig verdunkelt. Und so hört sich auch deren Musik an: Die feine Ironie und Überzeichnung der Beatles wird bei dem Quartett durch eine rauere und rockige Ernsthaftigkeit ersetzt.

In München gibt es seit ein paar Jahren eine konstant wachsende Blues-Rockszene: The Whiskey Foundation, Bequerels oder die Gipsy Beards spielen alle recht rotzigen, groovenden und vor allem ein wenig aus der Zeit gefallenen Blues-Rock.

Die Black Submarines, deren Releasekonzert zum ersten Album nun bevor steht, reihen sich dort ein: Der melodiöse und mehrstimmige Gesang von den beiden Gitarristen Benny May und Richy Strobl sowie dem Bassisten Carl Muschol wird über stampfende Mid-Tempo-Songs gesetzt, die alle die typische Lethargie von zu schwülem Wetter oder zu viel Alkohol in sich tragen. Eher im Country angelegte und von Akustik-Gitarren dominierte Nummern wechseln sich auf dem Album „Waiting for the Time“ mit treibenden Stücken ab.

Der Aufnahmequalität des Albums hört man allerdings die Gegenwart an: Sauber und druckvoll sind die Beats, die den etwas verwaschenen Sound anschieben. Die Klarheit, die der an Elektro- und Club-Musik geschulte Münchner Musiker Beni Brachtel, der sich für die Aufnahme verantwortlich zeigte, in die Musik einbrachte, macht Sinn.

Und eine Nische haben die Musiker, die ihr Album am Freitag, 20. Februar, im Münchner Club Strom vorstellen, auch schon gefunden: Seit ihrer Gründung 2011 haben sie immer wieder Musik für Theaterstücke oder Filme gemacht. Etwa für das Stück „Fear No Fear“ am Theater-Werk München oder für einen Film über Free-skiing. Denn Musik, die so mit einer nostalgischen Ausstrahlung spielt wie die der Black Submarines, macht sich in erzählenden Medien immer besonders gut.

Rita Argauer

Stil: Blues / Country / Rock 

Besetzung: Benny May (Gesang, Leadgitarre), Richy Strobl (Gesang, Gitarre, Harmonika), Carl Muschol (Bass, Gesang), Sascha Dick (Schlagzeug, Percussion) 

Aus: München 

Seit: 2011 

Internet: www.theblacksubmarines.com

„Man trifft immer dieselben Gesichter”

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Standortfaktor Pop: Ist München jetzt wirklich so uncool, dass man
als Band keine Chance hat? Läuft alles prima? Oder muss die Stadt weit
mehr fördern als bisher? Wir haben bei Black Submarines nachgefragt.

Ist es leicht, eine Band in München zu gründen bzw. aufrecht
zu erhalten?

München hat seine Probleme. Gerade die angespannte
Proberaumsituation sind ein Problem für viele Bands, schon bei der Gründung.
Schließlich will ein guter Musiker auch seinen Sound und dazu braucht er im
Normalfall auch sein Equipment, das man nur ungern in geteilten Proberäumen
rumstehen lässt. Dafür dann 400 Euro im Monat zu zahlen ist schon fast
unverschämt. In München als Band am Ball zu bleiben hat auch seine Kniffe. Will
man nicht auf etlichen Bandcontests mitspielen, bei denen es entweder darum
geht den Freunden der Bands Geld aus der tache zu ziehen oder ein Cooles Image
für irgendeinen Konzern aufzubauen, gibt es letztlich nur eine Handvoll
Locations die man bespielen kann. Klar, unplugged in kleinen Bars und Cafes
gibt es viele Möglichkeiten. Die zahlen aber auch meistens keine Gage und
wollen keinen Eintritt nehmen. Eine Vier- oder Fünf-Köpfige Band kann sich aber
nicht über einen 80 Euro Hut-Spende finanzieren. Das zahlt die Anfahrt und ein
Bier danach. Es fehlen die mittleren Locations zwischen Jugendzentrum und
Muffathalle.

Was haltet ihr von der Münchner Musikszene? Gibt es
Schwierigkeiten oder auch Vorteile?

Der Vorteil ist sicher: So groß ist die Szene nicht, man
trifft letztlich immer wieder dieselben Gesichter, kann sich also ganz gut
vernetzen und findet man seine Niche gibt es auch nicht die ganz große
Konkurrenz. Allerdings ist es nicht so leicht Orte zu finden, wo sich Künstler
vernetzen können.

Die Stadt München tut sicher nicht genug für die
Musik-nachwuchs-Szene, klopft sich dann aber selbst auf die Schulter wenn es
doch einmal ein Künstler schafft nach oben zu kommen. Eine echte Förderung, von
der Musiker profitieren können, um das Risiko auf sich zu nehmen statt in einem
anderen Job Geld zu verdienen, Musik zu machen, gibt es meines Wissens nicht.
Auch Beratungsstellen fehlen größtenteils. Es fehlt etwas um die Lücke zwischen
Schülerbands und Top-Acts zu schließen. Etwas für die Leute, die mehr als nur
Hobby-Musiker sein wollen, aber selbst nicht über die finanziellen Mittel und
die sozialen Kontakte verfügen, um gleich weiter oben anzufangen.

Haben es Bands aus München schwieriger national Fuß zu
fassen?

Ja auf jeden Fall. Beim BR wird sich sofort auf die Schulter
geklopft, wenn eine band aus Bayern kommt. Aber wirklich gefördert werden die
Bands über die Zeit nicht. In der Schweiz etwa bekommt JEDER Künstler, egal ob
es Robby Williams oder die Hintertutzinger Schürzenjäger sind einen Zuschuss
für ein Konzert. Das entlastet sowohl die Bands, wie auch die Veranstalter und
sorgt so für mehr lebendige Kultur.

Habt ihr persönlich schon Erfahrung mit Vorurteilen
gegenüber Münchner Künstlern gemacht?

Gegenüber Münchnern allgemein, nicht speziell als Münchner
Künstler.

Was zeigt, dass auch München eine tolle, alternative Musikszene
zu bieten hat?

Die vielen tollen Bands, die sich in kleinen Hallen auf die
Bühne stellen und ihr bestes geben.

Habt ihr schon mal geleugnet, aus München zu sein? Wenn ja,
warum – wenn nein, würdet ihr es tun?

Nein: Giesing – Oida

Foto: Sabrina Liebl