Band der Woche: Nikolaus Wolf

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Der Singer-Songwriter Nikolaus Wolf veröffentlicht seine erste EP ‘Roekki Zimt’. Mit Geigen, Xylophonen, Klavieren und alten Synthies verhält er sich dort wie ein Chamäleon der Popmusik.

Das popmusikalische Profil der Stadt München ist bekanntlich etwas verzwickt. Während die eine Seite der Diskutierenden aus München gerne eine Music-City zaubern möchte, sieht die andere Seite tiefschwarz und will die Stadt wegen Image-Schädigung verklagen. Und die, die nach dem stadttypischen Musikstil suchen, tun sich ebenfalls schwer. Sind das nun die mainstreamigen Indie-Pop- und Hochglanz-Pop-Bands, die den Klang dieser Stadt prägen, oder sind es eher die Hip-Hopper? Ganz abgesehen davon, dass so etwas sowieso nie eindeutig festzulegen ist, gibt es dennoch eine Gruppe, auf die sich die Pop-City-München-Sucher einigen können: Wenn München schon nicht so viele Clubs hat und auch mit keinem spezifischen Stil mehr seit Moroders Discosound aufwarten kann, eines hat München jedoch: eine vitale Songwriter-Szene.

Fies formuliert passt das ja auch gut in diese reiche und teure Stadt. Denn als Songwriter Musik zu machen, ist die effizienteste Art zu musizieren: Man braucht nicht viele Instrumente, kann meist ohne Auto zu seinen Konzerten anreisen und seine Proben im heimischen Schlafzimmer anstatt in einem teuer angemieteten Keller abhalten. Das musikalische Profil der vielen Akustik-Gitarren-Songwriter ist dementsprechend meist leider ein bisschen eingeschränkt. Wenn man keine außergewöhnliche Stimme hat, klingt das eben schnell alles recht ähnlich nach Lagerfeuer-Schullandheim-Gitarrenfreude. 

Der Musiker Michi Rieder umgeht das allerdings geschickt. Er poliert seine Songwriter-Musik, die er unter dem Namen Nikolaus Wolf veröffentlicht, zwar nicht durch eine aufregende Stimme auf. Er verkleidet jedoch seine Songs, stülpt ihnen einfach spezifische Stile über, so dass sie mal nach Americana, dann nach dem psychedelischen Gefrickel der Sechzigerjahre klingen, während ein nächster Track als seelenverwandt des Sounds von Oasis in den Neunzigerjahren auftritt. „Im Zentrum steht bei mir immer der Klang“, erklärt Michi, den Inhalt und den Text suche er erst ganz am Ende, wenn der Song in seiner Melodie und vor allem in seinen „akustischen Bildern“ fest stehe. Und mit diesen akustischen Bildern spielt er auf seiner ersten EP Roekki Zimt, die am Freitag, 24. März, erscheinen wird, und die er mit Nico Sierig am Münchner Roecklplatz produziert hat, wie ein Chamäleon der Popmusik der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Mit Geigen, Xylophonen, Klavieren und alten Synthies wurde da so tief in die musikalische Verkleidungskiste gegriffen, dass die Gefahr besteht, der Fluss und die Einheitlichkeit der Platte würden verloren gehen. Doch hier kommt nun Michis Stimme ins Spiel, die eben nicht sonderlich außergewöhnlich klingt, aber doch markant genug ist, das stilistische Patchwork zusammen zu halten. 

Nun steht Anfang April eine Tour für Nikolaus Wolf an. Doch das stellt den Songwriter Michi nun vor ein ganz anderes Problem. Denn dieses wunderbar produzierte musikalische Chamäleon ist eben alleine, als einsamer Akustik-Gitarren-Songwriter kaum live umzusetzen. „Ich habe versucht, alles so zu arrangieren, dass eine Solo-Show genau so funktioniert wie mit Band“, erklärt er. Im vergangenen Dezember habe er dann das erste Mal mit anderen Musikern geprobt, es sei „überwältigend“ gewesen. Die Flexibilität, die er stilistisch von sich fordert, hat er so auch ganz strukturell in der Live-Umsetzung, etwa, wenn er am Donnerstag, 13. April, im Münchner „Ampere“ spielen wird.  

Stil: Songwriter
Besetzung: Michi Rieder (Gesang, Gitarre, Komposition), Live Band: Domi Schauer (Bass, Gitarre, Gesang), Christian Schuhbeck (Keyboard, Gesang), Felix Kunz (Schlagzeug)
Aus: Chiemgau/München
Seit: 2015

Text: Rita Argauer

Foto: Andreas Rieder

Von Freitag bis Freitag: Unterwegs mit Hubert

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An ausgefallenen Musik-Acts scheint unser Autor gefallen gefunden zu haben. Er sieht und hört sich Ströme, Panda Dub und Bam Bam live an.

Heute wird mir der Spiegel vorgehalten. Überspiele ich ihn
doch sonst recht gekonnt, zeigt sich der Chaot in mir heute in vollem Glanz.
Seit Wochen – Ach was – Monaten freue ich mich, dass „The XX“ am heutigen Freitag nach München
kommen
, aber ein Ticket kaufen? Immer wenn ich gerade dazu bereit bin, kommt
etwas gewaltig Wichtigeres dazwischen: Oh schau mal  – ein Video von einem Esel, der auf zwei Beinen
laufen kann…

Wenigstens wird mir unfreiwillig die Entscheidung
abgenommen, wo ich meinen Abend verbringe. Finden an einem Tag parallel zwei
Events statt, auf die ich mich im Vorfeld gefreut habe, plagt mich der Gedanke daran,
mich für die falsche Veranstaltung entschieden zu haben den ganzen Abend. An
The XX werde ich heute gar nicht mehr denken müssen. Exakt zentriert stehe ich
heute im Ampere auf der Tanzfläche, um die beste Soundqualität abzubekommen. Vielleicht wippe ich etwas hin und her,
aber zum Tanzen bin ich zu konzentriert. Es legt kein durchschnittlicher DJ mit
zwei CD-Playern auf, sondern „Ströme“ liefern ein analoges Live-Set. Man stelle
sich zwei Geeks vor einer Ikea-Billy-Regal-großen Gerätschaft vor. Sie drücken
und drehen wild an Knöpfen, stecken Kabel um und behalten zwischen den hunderten
bunten Kabeln und Lichtern den Überblick. Hinten kommen komplexe
Techno-Arrangements raus.

Im Halbdunkeln trete ich am Samstag mit aller Kraft in die
Pedale meines Fahrrads. Verschwitzt und verzweifelt versuche ich die nächste
S-Bahn zu erwischen, doch ich versage. Die Stammstrecke ist auch noch gesperrt: Meine
Freunde müssen ohne mich vorglühen. Etwas pampig treffe ich im Awi auf die
angetrunkene Meute. Für die “groooovy classics” von VELI und VIWO hat sich die
Anreise gelohnt.

Mit Rest-Tinnitus wache ich irgendwann im Laufe des Sonntags
auf. Hoffentlich kann ich bis zum Abend wieder hören. In dem Dokumentarfilm “Drei von Sinnen”,
den ich mir heute Im Neuen Maxim ansehen will, geht es um drei Jungs, die auf ihrer
Reise vom Bodensee zum Atlantik in einem Experiment abwechselnd auf das Hören, Sehen
und Sprechen verzichten.

Warum gibt der Montag so selten was her?

Die wöchentliche Dosis Bahnwärter Thiel hole ich mir am
Dienstag
bei der Dublab Session, präsentiert von PULS. Das Webradio Dublab macht es sich wöchentlich
zur Mission, „spannende Nischen, Labels, Produzenten und Genres auf[zu]spüren
und diese den interessierten Hörern weltweit näher[zu]bringen“. Ich bin
gespannt.

Es macht mich etwas stutzig, dass ich einer der zwei
einzigen bin, die bislang zu dem Konzert am Mittwoch zugesagt haben. Das Trio um James
Brandon Lewis
liegt musikalisch irgendwo zwischen experimenteller Improvisation
und akademischem Jazzmainstream. Der andere, unbekannte Zuhörer und ich werden
uns angesichts unserer guten Musikgeschmäcker wertschätzend zunicken. Eine Hand nachdenklich am Kinn, das rechte
Bein wippt im Takt – Die Jazzpose passt, um dem Geschehen auf der Bühne zu
lauschen.

In der Roten Sonne kann man am Donnerstag einem eher ungewöhnlichen
Live-Act in der DJ-Kanzel sein Gehör schenken: Bam Bam –The Mechanical Sequencer.
Ein Konstrukt, das einer Mischung aus Rasenmäher und Xylophon gleicht, aus dem
am Ende ansprechende Musik kommen soll… Ich bin skeptisch, lasse mich aber gern
eines Besseren belehren.

Es gab eine Zeit, zwischen CD und Spotify, in der besonders
innovative Künstler, ihre kompletten Alben auf Youtube hochgeladen haben. Mutig,
dachte man sich damals noch. In Erinnerung geblieben ist mir aus dieser Zeit
Panda Dub. Der Franzose hat mich mit seinen sphärischen Dub- und Reggae-Sounds früher
Nacht für Nacht in den Schlaf gewogen. Von Zeit zu Zeit wirkt seine Musik in
schlaflosen Nächten immernoch narkotisierend. Ich hoffe, ich werde das Ampere am
Freitag
zu seinem Konzert nicht früher verlassen müssen.

Text: Hubert Spangler

Bild: David Fragomeni

Band der Woche: Ella Josaline

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Ella Josaline ist vielleicht die größte Pophoffnung,
die München derzeit zu bieten hat. Sie ist gerade einmal 16 Jahre alt und große
Plattenfirmen haben schon ersten Kontakt mit ihr aufgenommen. Ihre erste
Platte zeigt, welch Talent in ihr steckt – und welche Gefahren lauern

Wenn Popmusik funktioniert, veranstaltet sie ziemlich schnell ein Kino im Kopf des Hörers. Da gehen Assoziationen auf, die einen etwa entweder in eine kitschige Jazz-Bar (Norah Jones), auf eine Südstaaten-Veranda (Jolie Holland) oder in einen etwas verdrehten Stadion-Pop-Drogenrausch (Miley Cyrus) versetzen. Das Lebensgefühl, das so an Popmusik gekoppelt wird, ist im gewissen Sinne zwar sehr fiktiv, aber passt gleichzeitig ganz gut zur heutigen Art des Konsums von Populärkultur. Wer sich exzesshaft in die tiefen Fiktionswelten von TV-Serien begibt, baut sich mit Musik auf dem Weg zur Uni oder Arbeit genau diese Fiktion weiter. Je stärker die Musik die eigene Welt in cinemascopegroße Fiktion verwandelt, umso besser. 

Die Münchner Musikerin Ella Josaline Kern verkleidet sich gern. Nicht, dass sie mal als Prinzessin oder als Meerjungfrau auftritt, die erst 16-jährige Musikerin verkleidet ihre Songs und ihre musikalische Persönlichkeit. Und sie hat ein ausgesprochen gutes Gespür dafür, welche Details die Verkleidungen zu der Rolle machen, die sie darstellen will. Und da sie zu diesem Talent noch ziemlich musikalisch ist, eine besondere Stimme hat, die sie vor allem besonders einzusetzen weiß, hat nun eine Musiker-Karriere für sie angefangen – auch, weil sie mit diesen Verkleidungen in der Lage ist, Lebensgefühle bei ihren Zuhörern auszulösen.

Sie ist überschwänglich, wenn sie über ihre Musik redet. Das erklärt, warum es ihr so leicht fällt, den Songs ein überzeugendes und ja, eben erzählendes Gewand zu geben. „Ich habe immer schon Musik gemacht, immer gesungen, als Kind schon Songs geschrieben, Musik ist mein Leben“, sagt sie. Da klingt etwas Absolutes mit, das auch ihre Musik hat. Gerade besucht sie eine Waldorfschule, die sie im kommenden Jahr mit der Mittleren Reife abzuschließen plant. Danach soll dann die Musik zum wirklichen Lebensmittelpunkt werden. Wie das viele junge Musiker derzeit machen, hatte auch Ella Josaline vor einem Jahr damit angefangen, Videos von sich auf Youtube zu stellen; etwa wie sie Damien Rices „Cannonball“ covert. Gerald Huber vom Münchner Label Redwinetunes erkannte ihr Talent und begann, sich der Musikerin anzunehmen. Er stellte sie den wichtigen Menschen in der Szene vor, besorgte ihr Konzerte und organisierte die Aufnahme ihrer ersten Platte. „Ihm habe ich alles zu verdanken“, sagt Ella Josaline, in der für sie eben typischen Hingabe.

Denn von diesem Moment an lief es ziemlich gut für sie. Sie spielte eine Menge Support-Gigs und begann mit den Produzenten Bonifaz Prexl und Nicolas Sierig zu arbeiten. Nun hat sie ihre erste Aufnahme fertig gestellt, die EP „FreEp“, die sie am Samstag, 21. November, im Münchner Ampere bei „Munich Rocks“ vorstellen wird. Und darauf zeigt sie sich in all ihren Verkleidungen fast kaleidoskopartig. Im Opener „Change the World“ präsentiert sie sich als durchaus authentischer moderner Hippie, dessen Stimme über Blues-Harmonien zwischen Entrüstung und Änderungswillen schwankt. Darauf folgt „Free“, immer noch im Hippie-Gewand klingt sie darauf wie eine etwas naive Joni Mitchell, bevor sie in der reduzierten Instrumentierung des deutschsprachigen „Ich will nur“ immer wieder knapp an der Silbermond-Deutschpop-Falle vorbeirauscht. Richtig stark ist sie dann als weiblicher Conor Oberst in „On the Road“ und im folkigen Country-Song „Wondrous Soul“ zur Kontrabassbegleitung. Wenn sie nun im kommenden Jahr beginnt, an ihrem ersten Album zu arbeiten, wird es spannend, welches Kostüm sie darauf für ihre Musik wählt. Denn wenn sie dieses noch ein wenig eindeutiger wird, hat sie vermutlich wirklich gute Chancen, mit der Musik ihr Leben zu bestreiten.  

Stil: Songwriter-Pop

Besetzung: Ella Josaline Kern

Aus: München

Seit: 2014

Internet: www.ellajosaline.com

Rita Argauer
Foto: Fabian Winkler

Von Freitag bis Freitag München – Unterwegs mit Katharina

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Studentenleben, vor allem am Anfang des Semesters, ist kein Sahneschlecken: Katharina kämpft schon in der ersten Woche des Wintersemesters mit Übermüdungserscheinungen. Kürzer treten wird sie in ihrer Freizeitgestaltung deswegen aber keineswegs: Ob das Spielart Festival, der Supersonic Thursday im Cord oder die Charity Veranstaltung der Asian Charity Organization – Katharina ist am Start und denkt auch noch fast nicht an Winterschuhe und Weihnachten. Also fast.

Zwei Wochen Wintersemester habe ich jetzt hinter mir und ich bin vollkommen geschafft und durchgefroren. Hatten wir nicht gerade noch 30 Grad? Jetzt laufen alle auf einmal mit Winterschuhen, dicken Schals und Daunenjacken rum, trinken Tee aus der Thermoskanne und freuen sich auf Weihnachten. Das geht mir irgendwie ein bisschen zu schnell. OK – das Wintersemester heißt nun mal Wintersemester, weil der größte Teil des Semesters im Winter stattfindet. Aber der gute Winter muss es ja auch nicht gleich übertreiben. Wo ist der Herbst geblieben? Wie soll mein Körper einen derartigen Temperatursturz überhaupt überstehen? Aber das Gejammer hilft ja auch nichts. Ich muss mich langsam an den Gedanken gewöhnen, dass ich eine Jacke brauche, wenn ich vor die Tür gehe – meine Chucks werden aber noch nicht durch Winterschuhe ersetzt. Irgendwie muss man dem Ganzen ja trotzen. Immer schön langsam, lieber Winter, eins nach dem anderen.

Um die Sommerstimmung noch ein bisschen in Erinnerung zu halten, entschließe ich mich am Freitag zu einem Festivalbesuch. Heute ist der erste Tag des Spielart Festivals in München. An verschiedenen Orten in der ganzen Stadt präsentieren internationale Künstler ihre Werke. Von Ausstellungen, über Performances und Parties bis zu Installationen ist in den nächsten 16 Tagen alles dabei. Beim Lesen des Programms springt mir sofort die Ankündigung der Videokunstinstallation „Perhaps All The Dragons“ ins Auge und ich mache mich auf den Weg in die Falckenbergstraße zur Kammer 2 der Münchner Kammerspiele. Hier verfolge ich auf dreißig Bildschirmen den unglaublichen Geschichten von dreißig verschiedenen Menschen aus der ganzen Welt. Echt kurios und beeindruckend!

Ich muss zugeben: Es sind nicht nur die Temperaturen, die meinem Körper und Geist zu schaffen machen, sondern auch die Tatsache, dass die Ferien vorbei sind und ich mich langsam wieder ans Semester gewöhnen muss. Das hat meine innere Uhr, die irgendwie immer noch im Ferienmodus tickt, noch nicht so ganz verstanden. Zum Glück ist heute Samstag – mein Lieblingstag der Woche. Morgens ausschlafen und abends ohne schlechtes Gewissen spät ins Bett gehen, egal ob Ferien sind oder nicht. Der heutige Tag gestaltet sich außerdem auch noch unglaublich produktiv. Wir, also meine Band THE LIVING und ich, spielen auf der ACO-Benefiz Veranstaltung im Willi-Graf-Gymnasium. Die Asia Charity Organization (ACO) sammelt für verschiedene Hilfsprojekte in Vietnam und wir dürfen heute auch unseren kleinen Beitrag dazu leisten. Abends genießen wir das leckere asiatische Essen und machen danach noch einen kleinen Abstecher zum Freiheiz. Wir schaffen es zum Glück noch rechtzeitig zum Auftritt von der Lischkapelle und Swallow Tailed, die hier heute im  Rahmen der Neuhauser Musiknacht auf der Bühne stehen. 

Ich glaube das Schicksal hat mein Gejammer gehört. Denn als ich am Sonntag erwache und auf die Uhr schaue, fällt mir ein, dass uns ja heute eine Stunde geschenkt wird. Die kann ich in meinem Projekt „Gewöhn dich ans frühe Aufstehen – die Semesterferien sind vorbei“ gut gebrauchen. Nach einem schönen entspannten Sonntagsbrunch ist mal wieder Zeit für ein bisschen Kunst. Auf der Kunstmesse Stroke in der Säulenhalle an der Hackerbrücke bewundere ich in einer riesigen Schar aus Hipstern die Kleidung junger Münchner Designer und beobachte fasziniert die Präzision und Detailverliebtheit der Tatookünstler.

Es ist Montag und ich kann ausschlafen. Halt! Da stimmt irgendwas nicht. Hab ich mich im Wochentag geirrt? Ich überprüfe meine Stundenplan und tatsächlich: Mein erster Unitag der Woche beginnt erst um vier Uhr nachmittags. Das ist ja gar nicht mal so schlimm. Was beklage ich mich eigentlich die ganze Zeit? Da höre ich lieber mal ein paar jungen Leuten zu, denen wirklich etwas auf der Seele brennt. Beim Isar Slam im Ampere sind heute preisgekrönte Poetry Slammer aus ganz Deutschland und der Schweiz zu Gast. Die Wortwellen der Sprechkünstler schwappen mir entgegen und nehmen mich so in ihren Sog auf, dass ich ganz verblüfft bin, als ich mich am Ende des Abends in einer jubelnden Menge wiederfinde.

Am Dienstag hat sich der ganze Schlafüberschuss vom Wochenende – wenn man überhaupt von etwas derartigem reden kann – schon  wieder relativiert. Nur mit viel Kaffee kommt mein Kopf einigermaßen in Gang. So kann ich wenigstens die ersten paar Stunden des Tages einigermaßen konzentriert überstehen. Doch schon mittags ist die Konzentration wieder hinüber. Ich schaue aus dem Fenster in den wolkenverhangenen Himmel und träume vom weißen Strand, warmer Sonne und Sommerluft. Bis mich auf einmal meine Freundin in die Seite stupst und fragt: „Sag mal, hast du verstanden, was der Professor genau damit meint?“-  Professor? Was? Ich schrecke aus meinen Tagträumen hoch und befinde mich in einem vollen Vorlesungssaal. OK – so kann das echt nicht weitergehen. Ich bekomme ja gar nichts mehr mit. Irgendwas muss ich an meinem Schlafverhalten ändern. Vielleicht sollte ich einfach mal früher ins Bett gehen. Aber heute klappt das sicher nicht. Ich muss unbedingt zur Aufführung des Performance-Stücks Amarillo in die Muffathalle. Es erzählt die Reise eines Mexikaners durch die Wüste nach Texas. Seine Sinneseindrücke und Erlebnisse stellen die Künstler aus Mexiko mit Hilfe verschiedener Mittel – von Choreographien bis Filmprojektionen – dar. Vollkommen fasziniert vom Geschehen, merke ich gar nicht wie müde ich eigentlich war.

Erst als ich mich am Mittwoch verschlafen aus dem Bett quäle, fällt mir mein doch eigentlich so vernünftiger Plan wieder ein. Naja, vielleicht lege ich einfach später nach der Uni noch ein kleines Nachmittagsschläfchen ein, bevor ich mich dann abends mal wieder in Richtung Ampere aufmache. Langsam kennen meine Füße den Weg dorthin von ganz allein. Sales aus Florida bringen mit ihrer Musik sofort wieder warme Sommerstimmung auf und lassen auch meine kalten Füße schnell wieder auftauen. Vielleicht sollte ich doch langsam mal überlegen, meine Winterschuhe aus den tiefen Winkeln meines Schranks zu befreien.

Der Donnerstag startet mal wieder viel zu früh. Ich glaube mein Plan des Früh-ins-Bett-Gehens war dann doch ein bisschen zu optimistisch – oder sollte ich sagen realitätsfern? Eine Planänderung muss her. Neues Motto: Wenn nichts mehr geht, dann geht noch was. Das klingt doch auch sehr optimistisch. Ich trink mir über den Tag hinweg einen Cola-Rausch an und steuere abends zum Supersonic Thursday in den Cord Club. Ich tanze so lange, bis ich Seitenstechen bekomme und meine Füße weh tun. Auf dem Nachhauseweg lässt dann auch langsam mein Koffeinpegel nach. Zu Hause falle ich mit Klamotten ins Bett und bin sofort weg.

Der Wecker ist echt eine unnötige Erfindung, vor allem wenn er nach weniger als sechs Stunden Schlaf klingelt. Aber an einem Freitag kann ich selbst über diese Tatsache hinweg sehen. Ich bin in Hochstimmung. Nur ein ganz kurzes, kleines Seminar in der Uni und dann steht das Wochenende vor der Tür. Zwei Tage Zeit, um ausreichend Schlaf für die nächste Woche zu sammeln. Nach dem gestrigen Abend gehe ich das ganze ein bisschen langsamer an. Was passt da besser als ein Besuch auf dem eat&style-Festival im Zenith? Ich schlemme mich durch verschiedene kulinarische Köstlichkeiten und hole mir Anregungen für unser Weihnachtsessen. Ups, eigentlich wollte ich da ja noch nicht daran denken, aber jetzt, wo ich schon mal hier bin…

Katharina Würzberg

Foto: Lorraine Hellwig