Fragen über Fragen – Alina Oswald

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„Es ist zwar immer das gleiche Über-Konzept und immer die gleiche Technik, jedoch ist jeder Moment, jede Situation und jedes Bild auf seine Art und Weise einzigartig. Es war unglaublich spannend, all diese kreativen Menschen kennenzulernen und mit ihnen ein Bild zu erschaffen, welches ihre und meine Geschichte erzählt“, sagt Alina Oswald, die für unsere Ausstellung

10 im Quadrat – Reloaded

fotografiert hat.

Worum geht es bei
deinem Konzept? / Wie bist du darauf gekommen?

Für die Ausstellung „10 im Quadrat“ habe ich auf die
Gesichter und Körper von 10 Künstlern Muster und Formen, mit Hilfe eines
Beamers projiziert. Zum einen entsteht dadurch eine sehr interessante Optik aus
dem Zusammenspiel des Ausdruckes der Person und des farbigen Lichtes, welches
sich auf der Oberfläche der Haut zeigt. Zum anderen kann man die Projektion
auch in psychologischer Hinsicht betrachten und die Tatsache wahrnehmen, dass
ich Etwas auf Jemanden „projiziere“ und somit etwas aus dem Inneren
visualisieren kann.

Die Art der Muster habe ich meist mit den Künstlern zusammen
ausgearbeitet und nach eigenen, individuellen Themen der Personen passend
ausgewählt. Gibt es zum Beispiel einen Bereich im Inneren des Menschen, welcher
er nicht gerne zeigt, mit dem er viel zu kämpfen hat oder welchen er sogar
gerne zur Schau stellt, überträgt man dieses Thema auf ein abstraktes Muster.
So hat jedes Bild eine sehr persönliche Note. Zum Beispiel habe ich einer
Schauspielerin eine Schlangenhaut auf ihre Haut projiziert. Dies zeigt ihr
eigenes Thema in Rollen zu schlüpfen und „die Haut zu wechseln“ und zum anderen
das Hineinversetzen in böse oder komplizierte Charakter, welches eine besondere
Faszination auf sie ausübt.

Auf die Idee bin ich durch einen Freund und Fotografen
gekommen (Jonas Strohwasser), da wir eines Sonntag nachmittags aus Spaß den
Beamer nahmen und die Bilder meiner Orgasmus-Serie „Moments“ auf den gerade
auflegenden DJ Hr.Klotz projizierten. Die Wirkung faszinierte mich so sehr,
dass ich beschloss, dieses Über-Konzept für diese Ausstellung zu wählen.

Wie war es, so viele
unterschiedliche Leute für eine Bild-Serie zu fotografieren?

Jeder Menschen, den ich fotografiere, bringt ein völlig
eigenes Licht und eine besondere Energie mit sich. Es ist zwar immer das
gleiche Über-Konzept und immer die gleiche Technik, jedoch ist jeder Moment,
jede Situation und jedes Bild auf seine Art und Weise einzigartig. Es war
unglaublich spannend, all diese kreativen Menschen kennenzulernen und mit ihnen
zusammen ein Bild zu erschaffen, welches ihre und meine Geschichte erzählt.

Welche Begegnung hat dich am meisten beschäftigt?          

Jede einzelne Begegnung war für mich sehr spannend und
reizvoll. Diese noch fremden Menschen zu mir nach Hause einzuladen und sie
kennenlernen zu dürfen, war mir eine Ehre und hat sehr viel Spaß gemacht. Ich
möchte niemanden hervorheben, da alle 10 Künstler so besonders und faszinierend
sind und somit auch das Shooting mit ihnen.

War es schwieriger,
z.B. einen Schauspieler/Musiker zu fotografieren (also selbst “Künstler”), als
professionelle Models und wenn ja, inwiefern?

Für mich besteht der Reiz beim Fotografieren von Menschen
viel mehr in der Verbindung zwischen dem Fotografen und der Person und dem
Inhalt, welchen man zusammen erzählt und visualisiert, als eingeübte Posen und
erlernte Gesichtsausdrücke. Dies ist auch eine Kunst für sich, dennoch hat dies
keinen Raum in meiner Art und Weise zu fotografieren. Deswegen ist es für mich
nicht entscheidend, wie oft der Mensch schon vor der Kamera stand oder ob er
dies professionell macht oder nicht. Auf jede Person individuell einzugehen und
ein Vertrauen aufzubauen und etwas gemeinsam zu erschaffen, liegt in meinem
Interesse. Also nein, es war nicht schwieriger. Beides finde ich interessant,
da der Mensch das Interessante daran ist.

Bist du auch mal an
deine Grenzen gestoßen? / Musstest du deine Vorstellung/ dein Konzept über den
Haufen werfen, weil es schlichtweg nicht ausführbar war?

Grenzen gibt es für mich wenige und Vorstellungen dienen
meist nur einem anfänglichen Plan, welcher gerne umgewandelt und verändert
werden darf. Jedoch habe ich für diese Ausstellung bewusst ein Konzept gewählt,
welches in der Umsetzung so viel Handlungs- und Interpretationsfreiraum bietet,
sodass sich jeder damit wohl fühlen kann. Ob man beim Shooting Kleidung trägt
und wenn ja, wieviel, und mit welcher Körpersprache man sich zeigt, liegt in
der Entscheidung des dargestellten Künstlers. Ich habe alles mir
Entgegengekommene eingefangen und festgehalten. Ich denke, so war alles
ausführbar und wundervoll.

Nimmst du die Szene
dieser Stadt nach dem Projekt anders war? Braucht es mehr Vernetzung?

Meine Wahrnehmung über die Szene dieser Stadt, erweitert
sich mit jeder neuen Person, welche ich kennenlernen darf und mit jedem
weiteren Projekt, an dem ich Teil habe oder welches ich selbst erschaffe. Ich
denke, die Ausstellung „10 im Quadrat“ bietet eine geniale Möglichkeit der
weiteren Vernetzung von Menschen aus dem kreativen Bereich und ist somit eine
Bereicherung für die Szene.

Dennoch darf noch mehr vernetzt werden in München. Noch mehr
Zusammenarbeit und Kollektive sind in meinen Augen sehr erwünscht. Es passiert
gerade einiges in München, dass den kreativen Bereich der Menschen hier fördert
und größer werden lässt und zwar genau von den kreativen Menschen, welche nicht
wegziehen und diese Stadt mit ihrer Kunst bereichern. Ich sage, bleiben wir
hier und machen München bunter.

Foto: Larissa Nitsche

Ein Abend mit: Alina Oswald

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Zur Zeit ist Alina Oswalds

„Moments“

– Fotoreihe auf dem

Wannda Kulturfestival zu sehen. Das trifft sich gut, denn: Dort scheint die Fotografin am Wochenende eh am allerliebsten abzuhängen. 

Name: Alina Oswald

Alter: 24

Beruf: Fotografin

Internetseite: alinacaraoswald.jimdo.com

Hier beginnt mein Abend:

Attentat – Griechischer Salat oder Altgiesing.

Danach geht’s ins/zu:

Bahnwärter Thiel und meistens zu Veranstaltungen von Wannda,
Hauptsache

Wannda.

Mit dabei ist immer:

Ganz viel Liebe, Menschen die ich liebe und meine Schwester
Tori, die ich auch unendlich liebe.

An der Bar bestelle ich am liebsten:

Wodka Bull… ich gebe es zu. 🙂

Mein Lieblingsgesprächsthema:

Mein Fotoprojekt „Moments“.

Der Song darf auf keinen Fall fehlen:

Sets von DJ Hr. Klotz, Tracks von David Seinz und mein
eigenes Mitgrölen.

Mein Tanzstil in drei Worten:

Emotional, frei und manchmal komisch.

Der Spruch zieht immer: 

Keiner, ich fühle einfach hin.
Mit Worten bin ich nicht zu beeindrucken. 🙂

Meine dümmste Tat im Suff war:

Nicht nackt im Regen zu tanzen…

Das beste Frühstück nach einer durchfeierten Nacht gibt’s
im/bei:

Café Maria in der Klenzestraße.

Diesem Club/dieser Bar trauere ich nach:

Jedes Wochenende, an dem Elektrokeller nicht stattfindet…
und Schwitzen:Nonstop.

Foto: Kerstins Kopf

Komm doch

Alina Oswald, 24, zeigt in einer Foto-Ausstellung Menschen beim Höhepunkt. Aber ist der Orgasmus nicht Privatsache, die ins Schlafzimmer gehört und nicht auf die Leinwände einer Ausstellung? 

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Um seine Augen spielen sich kleine Lachfältchen. Sein Mund ist weit geöffnet. Zu einem breiten Lachen. Jemand muss dem bärtigen Mann gerade einen Witz erzählt haben, einen sehr komischen Witz. So, wie der Mann auf der Schwarz-Weiß-Fotografie wirkt, muss er auf jeden Fall in dem Moment der Aufnahme maßlos glücklich gewesen sein. Auf den Gedanken, dass dieser Mensch auf dem Bild gerade einen Orgasmus hat, kommt man hingegen nicht. 

Überlegungen wie diese machen Fotografie für Alina Oswald, 24, spannend. Die junge Fotografin aus München hat gerade ihre Ausbildung zur Kommunikationsdesignerin abgeschlossen und widmet sich nun ihrer ersten Ausstellung. „Come and Come“ heißt es in der Beschreibung zu ihrer Veranstaltung „Moments and Deconstruction“. Neben dieser zweideutigen Einladung gibt die junge Fotografin den Besuchern jedoch keine weiteren Erklärungen zu den Bildern. Sie lässt die Betrachter bewusst ohne explizite Einweisung in die Ausstellung gehen. Dadurch möchte sie unter anderem herausfinden, inwiefern die Ebenen eines Bildes durch dessen Interpretationsfreiraum erweitert werden können. „Jemand, der an meinen Bildern vorbeigeht, weiß nicht, dass dieser Mensch auf dem Bild gerade einen Orgasmus hat. Also was fühlt der Betrachter?“

Das sind nicht die einzigen Fragen. Wie geht man bei so einem ausgefallenen Fotoshooting vor? Wie schafft man eine möglichst lockere Atmosphäre? Und das ist erst der Vorspann des Kopfkinos, das unweigerlich startet, ob man nun will oder nicht. Das Model befriedigt sich selbst und die Fotografin schaut gespannt dabei zu, macht sich bereit, im richtigen Moment abzudrücken? Soft-Porno im Namen der Kunst? Schmuddel-Fotos an einem professionellen Set? Oder waren es am Ende ganz andere Augenblicke, die später als Höhepunkte ausgezeichnet werden? 

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„Vor dem Shooting habe ich immer lange und ausführliche Gespräche mit den jeweiligen Personen geführt, oder auch das eine oder andere Glas Alkohol getrunken, um die Stimmung etwas zu lockern“, sagt Alina. Sie fotografiert diese intimen Momente meist bei den Models zu Hause. „Ich war zum größten Teil dabei oder bin solange aus dem Raum gegangen, wenn sich die Person mit meiner Anwesenheit nicht wohl gefühlt hat. Dann bin ich erst zum Schluss dazu gekommen.“ Oft wurde das Bild auch mit einer Decke für den Sichtschutz gemacht. Und dann? „Danach wurde meist gelacht. Und noch darüber geredet. Dann bin ich wieder gefahren. Dankbar, dass dieser Mensch diesen intimen Moment mit mir als Betrachter geteilt hat.“

Eine abstrakte Idee zu dieser untypischen Foto-Reihe entwickelte sich schon seit Längerem in Alinas Kopf. „Ich habe immer gedacht, ich finde eh keine Leute, die bei so einem Projekt mitmachen würden.“ Als sie ihr Vorhaben im Freundeskreis erzählt, findet sie überraschenderweise tatsächlich Leute, die sich für dieses ungewöhnliche Experiment porträtieren lassen wollen. Auf Alinas „Moments“-Fotoreihe sind Menschen zwischen 20 und 39 Jahren zu sehen, von der Studentin bis zum Geschäftsmann. Nicht nur Freunde und Bekannte. Die Fotografin beschreibt die Teilnehmer dieses Projekts als offene Menschen, die gerne neue Erfahrungen sammeln und dabei außergewöhnliche Dinge ausprobieren wollen. 

Trotzdem bleibt beim Betrachten der Bilder ein gewisser Zweifel. Ist der Orgasmus nicht die privateste Sache der Welt, die ins Schlafzimmer gehört und nicht auf die Leinwände einer Ausstellung? Alina ist da anderer Meinung. Sie möchte mit ihren Fotos Tabugrenzen erweitern oder gar auflösen. Für sie steht der Orgasmus für eines der schönsten und natürlichsten Dinge überhaupt. Sie möchte mit ihrer Ausstellung eine öffentliche Annäherung ermöglichen.

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Alles, was sie zu ihrem Projekt sagt, klingt viel mehr nach Selbstfindungsseminar als nach Porno. „Die Energie, die in dem Moment freigesetzt und verbreitet wird, ist sehr positiv und intensiv. Es ist immer ein sehr intimer und spannender Moment, den ich mit den Models erlebe. Und ich versuche mit jedem Foto diese einzigartige Energie einzufangen und zu transportieren. Ich sehe darin nichts Unnatürliches oder Verwerfliches. Etwas so Schönes sollte nicht tabu sein.“

Das ist nicht der einzige Beweggrund. Hinter Alinas Projekt steht auch der Wunsch, einen Moment einzufangen, in dem die Person auf dem Foto keinerlei Kontrolle über Mimik und Selbstpräsentation hat. Diese Sekunden des Kontrollverlusts wollte sie mit der Kamera festhalten. Ihrer Meinung nach ist der Höhepunkt ein Augenblick der absoluten Wahrhaftigkeit, in dem jeder Mensch für einen kurzen Moment gleich ist. 

Die Ausstellung „Moments and Deconstruction“ ist noch bis zum 10. April im ‚Altgiesing‘ zu sehen. Neben Alinas Fotografien sind dort auch Bilder der jungen Künstlerin Karolina Ramut ausgestellt. Die Münchnerin mit polnischen Wurzeln nimmt für ihre surrealistische Bildreihe Alinas Fotografien als Vorlage. Die Porträts werden hierbei abgezeichnet, verzerrt, zeichnerisch mit neuen Elementen versehen oder zu Collagen gestaltet. Außerdem hat der Münchner Videokünstler Aleksej Alinas Experiment begleitet und in einen Dokumentarfilm verwandelt. In einem Teaser zu diesem Film, betont eine junge Teilnehmerin mit frechem Lächeln: „Wenn man so was nicht macht, kann man nie sagen, dass man es gemacht hat. Ich finde das cool, wenn man die Chance bekommt, irgendetwas Außergewöhnliches zu tun.“

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Text: Amelie Völker

Fotos: Alina Oswald