Sehnsucht nach der Klette

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Mal ehrlich: Jeder junge Mensch ist auf der Suche. Nach Liebe. Nach einem Lebensabschnittsgefährten. Vielleicht nach einer Affäre. Das Problem: Sobald sich das Leben um mehr als nur eine Person dreht, wird es verzwickt – eine Kolumne über die Tücken der Partnersuche.

Wenn ihr schwuler bester Freund Carlo eine Party schmeißt, ist Emma auf jeden Fall dabei. Seit einigen Monaten kommt jetzt auch immer Ferdi mit, Emmas Freund. „Die Klette“, wie sie ihn heimlich nennt. Die Klette studiert mit ihr, ist wirklich süß, aber leider auch wirklich aufdringlich. Im Vorlesungssaal sitzt die Klette neben Emma, in der Mensa und im Bus auch. Die Klette bringt sie jeden Tag nach Hause und – „weil es so praktisch ist“ – bleibt dann auch gleich bei ihr. Und jetzt will Ferdi auch noch mit auf diese Party.

„Das wird bestimmt voll langweilig für dich! Du kennst da ja niemanden“, wendet Emma ein. „Doch, dich!“, sagt die Klette. Emma seufzt. Sie will Freizeit. Von ihrem Freund. Emma fühlt sich schlecht dabei. Trotzdem: Sie will ihre Ruhe. Nur das eine Mal. „Ich darf niemanden mitbringen“, lügt sie. Ferdi schaut traurig, dann klettet er sich zur Abwechslung nicht an seine Freundin, sondern an den Fernseher. Emma macht sich auf den Weg. In der U-Bahn bekommt sie schlechte Laune: Die Frisur ist zu langweilig, das Kleid ist zu eng, der Lippenstift zu rot. Sie atmet tief durch. Ihr Freund könnte sie jetzt beruhigen. Aber dann hätte sie ihn auch schon wieder an der Backe. Als sie im Lehel ankommt, vergisst sie ihre Sorgen schnell. Carlo kommt schon auf sie zu – mit einem spitzen Typ im Arm. Der ist, wie sich bald herausstellt, nicht etwa Carlos neue Flamme, sondern sein Cousin. Sehr sexy und sehr heterosexuell. Emma strahlt. Er strahlt. Hand in Hand gehen sie zur Party.

Emma fühlt sich großartig: Sie tanzt, trinkt und flirtet, als gäbe es kein Morgen – und keinen Ferdi. Bis sie auf ihren hohen Hacken umknickt und sich den Knöchel verstaucht. Sie ruft nach Carlo, aber der ist gerade noch mehr Bier holen. Sie sucht seinen Cousin. Der findet sie mit ihrem dickem Fuß plötzlich gar nicht mehr so interessant. Er ruft ihr ein Taxi. Fußlahme gehören nicht auf eine Party. Emma humpelt alleine die Treppen hinunter. Es regnet. Es ist spät. Und Emma ist allein. Als sie völlig durchnässt im Taxi nach Hause sitzt, schaut sie aus dem Fenster und seufzt. Hoffentlich sitzt ihre Klette zu Hause. Hoffentlich wartet Ferdi auf sie. Emma will nicht allein sein.

Von Lisi Wasmer