Liebe zum Abschied

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Liebe kommt, wenn man nicht damit rechnet. Oder in den ungeeignetsten Momenten – zum Beispiel, wenn man drei Jahre an einem Ort gelebt hat, und dann gerade dabei ist, wieder zu gehen. Eine Kolumne über schlechtes Timing, bayerische Leidenschaft und altöttinger Dialekt.

Wenn man auf die Abschlussklausur in drei Tagen lernen sollte, fallen einem bekanntermaßen viele Dinge ein, die viel dringender zu erledigen sind. Blöd für Amelie, die ihre Wohnung schon geputzt, die Wäsche bereits gewaschen und die leeren Pfandflaschen schon letzte Woche zum Getränkemarkt geschleppt hat. Dann bleibt einem nichts anderes übrig, als eine Freundin anzurufen und sich zu beschweren, man sei bereits vor drei Jahren aus Hannover nach München gezogen und habe immer noch nichts gesehen von der Stadt. Kurz: Amelie und ich stehen am Isartor, der Stadtrundgang ist fast beendet. Wir haben den Kopf in den Nacken gelegt und schauen an der Westseite des Hauptturms hinauf. „In Bayern gehen die Uhren anders“, zitiere ich brav und zeige auf das Ziffernblatt, auf dem der Zeiger entgegen dem Uhrzeigersinn seine Runden dreht. Amelie schüttelt den Kopf. Die spinnen, die Bayern, findet sie.

Man will es ihr nicht wirklich übel nehmen. Mit Timing steht Amelie gerade ganz allgemein auf Kriegsfuß, mit Bayern auch ein bisschen. Da ist ja auch diese Klausur in drei Tagen. Und dann ist da natürlich noch Philipp. Drei Jahre hat sie jetzt in München gewohnt. Im April zieht sie wieder nach Hause. Und jetzt, so kurz vor dem Umzug, kommt dieser Philipp aus Altötting daher. Er war Seminarleiter in einem Uni-Praktikum, bei dem Amelie vor allem durch eher mittelgradige Beteiligung auffiel. Philipp weiß davon nicht mehr viel. Er erinnert sich eher an ihr sonniges Lachen, ihre saphirblauen Augen und ihren, Pardon, atemberaubenden Arsch. So hat er ihr das jedenfalls vorgestern in einer sehr ausführlichen SMS geschildert.

Und weil Amelie kein Unmensch ist und Lernen vollkommen überbewertet (vielleicht auch ein bisschen, weil sein Dialekt im Seminar immer so süß war), konnte sie seine Einladung zu einem Spaziergang durch den Englischen Garten natürlich unmöglich ausschlagen. Jetzt klingelt im Zwei-Minuten-Takt ihr Handy. Philipp, der sich für den schönen Abend bedankt. Philipp, der sie so bald wie möglich wiedersehen will. Philipp, der schon mal alle Wege auslotet, um eine Fernbeziehung so angenehm wie möglich zu gestalten. Amelie steckt ihr Telefon weg. Drei Wochen hat sie noch in München. Die würde sie gerne mit Philipp verbringen. Aber das Tempo, das er vorgibt, ist für ihr nordisches Gemüt einfach viel zu rasant. Und jetzt? Amelie schaut wieder zur Turmuhr. Die spinnen, die Bayern, sagt sie noch mal. Dann kramt sie ihr Handy aus ihrer Tasche und wählt Philipps Nummer. Lisi Wasmer

Mal ehrlich: Jeder junge Mensch ist auf der Suche. Nach Liebe. Nach einem Lebensabschnittsgefährten. Vielleicht nach einer Affäre. Das Problem: Sobald sich das Leben um mehr als nur eine Person dreht, wird es verzwickt – eine Kolumne über die Tücken der Partnersuche. „Beziehungsweise“ erscheint im Wechsel mit der Kolumne „Bei Krause zu Hause“.

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Lisi Wasmer setzt sich in ihrer Kolumne mit allen Tücken der Partnersuche auseinander. Ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen, gibt uns Lisi Einblicke in verschiedenste Beziehungen. Die Lektüre endet bei uns oft mit Tränen in den Augen- sei es vor Lachen, Freude oder Traurigkeit.