Tim Kopplin, 17, hat das Plakat für den Christopher Street Day gestaltet. Sein Design knüpft an einen Aufstand von sexuellen Minderheiten vor 50 Jahren an.
Von Max Fluder
München – Eine nach oben gestreckte Faust und am Handgelenk ein Armband in Regenbogenfarben – das ist das diesjährige Poster für den Christopher Street Day (CSD) in München. Tim Kopplin, 17, gestaltete das Plakats und knüpft mit seinem Design an einen Aufstand von sexuellen Minderheiten vor 50 Jahren an.
SZ: Du bist 17, hast gerade den Abitur-Stress hinter dir und zwischendrin noch Zeit gefunden, das Poster zu gestalten. Eigentlich bräuchtest du einen Tag, der länger dauert als 24 Stunden.
Tim Kopplin: Nein, eigentlich bin ich ganz zufrieden damit. Ich finde auch noch genug Zeit, zu entspannen.
Was hat dich dazu bewegt, das Poster zu gestalten?
Ich bewerbe mich für ein Kommunikationsdesign-Studium und dafür brauche ich eine Bewerbungsmappe mit verschiedenen Arbeiten. Auf Instagram hat der CSD München dann die Ausschreibung für deren Plakatgestaltung veröffentlicht. Und da dachte ich mir: „Wolltest ja eh noch was Plakatmäßiges für die Mappe machen“. Es passt natürlich auch mit meiner Persönlichkeit zusammen. „Versuch‘ ich es. Mal schauen was daraus wird“, habe ich mir gedacht.
Worauf hast du beim Poster geachtet?
Meine ersten Überlegungen waren, wie man die Wichtigkeit des Themas rüberbringen kann und dann habe ich mich für die Faust entschieden. Beim Fotografieren haben wir darauf geachtet, dass es dynamisch rüberkommt. Die Farben im Hintergrund – das Gelb und das Blau – sind gerade im Trend. Momentan wird Vieles vor solchen Hintergründen fotografiert.
Das ist jetzt das Handwerk. Wie sieht es mit der Inspiration aus?
Inspiriert hat mich besonders die Vorgeschichte zu den Protesten der LGBTQI*-Community, weil ich davon zu dem Zeitpunkt nicht wusste und erst herausgefunden habe, wie interessant die Geschehnisse sind.
Zur Vorgeschichte kommen wir gleich; noch mal zurück zur Faust. Wessen Faust ist das?
Auf dem Original-Vorschlag war meine Faust zu sehen. Es wurde dann aber nach einer anderen Hand gefragt, weil beim Aufstand im Stonewall Inn überwiegend dunkelhäutige Menschen anwesend waren. Deswegen haben wir noch eine andere Faust gesucht. Ein befreundeter Geflüchteter aus München hat uns dann ausgeholfen. Mit der Szene hat er allerdings nichts zu tun.
Wenn du es noch mal machen würdest, welches Motiv würdest du dann wählen?
Eigentlich wollte ich mit den Farben der Regenbogenflagge arbeiten. Das hat sich bei dem Plakat aber nicht ergeben. Nur ein Regenbogen-Armband ist zu sehen. Hätte ich kein zentrales Symbol, würde ich was mit Menschenmassen machen. Es geht ja darum, dass viele Leute kommen und protestieren sollen. Nicht den Fokus auf die einzelne Faust legen, sondern auf die Zahl der Menschen. Man könnte auch an den Farben etwas verändern.
Vor 50 Jahren begannen die Stonewall-Proteste in Greenwich, New York. Und damit auch die moderne LGBTQI*-Bewegung. Du hast dich bei der Erstellung deines Posters darüber informiert. Was hat die Recherche bei dir ausgelöst?
Ich war erstaunt, natürlich auch geschockt. In der Schule behandelt man diesen Stoff überhaupt nicht. Dann zu lesen, wie damals mit den Leuten umgegangen wurde, fand ich ziemlich schockierend. Dass da eine Polizeirazzia stattfand, Leute abgeführt wurden und gezwungen wurden, sich zu rechtfertigen für das, was sie sind. Schockierend vor allem, wenn man vergleicht, wie es heute ist und wie es damals war. Generell finde ich faszinierend, dass sich die Leute damals eingesetzt haben, obwohl sie gewusst haben, dass es negative Konsequenzen für sie hat. Dieser Mut ist einfach erstaunlich.
Mittlerweile wird der CSD in vielen Ländern gefeiert. Du wirst in derselben Woche 18. Was hast du an dem Tag vor?
Am CSD habe ich vor, so viel zu sehen, wie ich kann. Ich werde sicherlich zur Parade gehen und für den Abend habe ich Freikarten für das CSD-Rathaus-Clubbing bekommen. Mal schauen, was sich noch so ergibt. Wahrscheinlich werde ich noch mit ein paar Freunden rumgehen.
Was verbindest du mit dem CSD alles?
Ziemlich viel, auch wenn ich selbst noch nicht für meine Rechte kämpfen musste. Trotzdem sehe ich mich als Teil der Community, identifiziere mich damit und denke, dass man dafür sorgen muss, dass es allen Mitgliedern dieser Community besser geht. Ich persönlich habe noch nie etwas Negatives erfahren, möchte aber auch helfen, dass die Leute aus der Community die gleichen Rechte bekommen wie jeder andere auch.
Wann hast du dein Coming-out erlebt und wie war Dein Gefühl dabei?
Wann? Das ist schwer zu beantworten. Eigentlich war es relativ unspektakulär. Alle haben es irgendwie gewusst und ich hatte keine Angst, es zu sagen. Viele meiner Freunde haben dann auch nicht mehr gefragt, sondern denen war das einfach klar. Sie sagten, dass sie es sich schon seit der 5. Klasse dachten und ich es nur nicht gecheckt hätte. Auch bei meiner Familie war das so.
Was würdest du jemandem raten, der es nicht so gut hat wie du?
Es ist ganz schwierig für mich, mich in Menschen hineinzuversetzen, die sich noch nicht geoutet haben. Als Außenstehender kann man das nicht verstehen. Man sollte nicht versuchen, den Leuten Druck zu machen. Das muss von innen kommen. Und man muss sich bereitfühlen, es zu tun. Dass jeder es schon weiß und die anderen damit kein Problem haben – das ist nicht die Norm. Wenn ich etwas sagen müsste, dann das:Mache den Zeitpunkt mit dir selbst aus und wenn du bereit bist, dann machst du es.
Foto: Christine Kopplin