Horror in der Wohnheimküche

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Wohnheimküchen sind meist nicht unbedingt der sauberste Ort auf Erden, doch als Student ist man trotzdem auf sie angewiesen, wenn man nicht verhungern will. Ob man die berühmte ‘Zehn-Sekunden-Regel’ in der Wohnheimküche anwenden sollte, ist jedoch eher fragwürdig.

Die Zehn-Sekunden-Regel besagt: Alles, was weniger als zehn Sekunden auf dem Boden lag, bevor man es wieder in die Finger bekommt, kann man noch essen. Und weil ich Essen sehr viel mehr liebe als mir Dreck unheimlich ist, bin ich einer der fanatischsten Verfechter. Ich schnappe Keksstücke vom Asphalt, ich tauche Erdnussflips unters Bett hinterher und rufe dann, mit Staubmäusen in den Haaren oder Straßenstaub an den Knien „Zehn Sekunden-Regel!“, bevor ich meine Beute in den Mund stopfe. Es gibt jedoch einen Ort, an dem diese Lebensweisheit selbst für mich ihre Gültigkeit verliert: Wohnheimküchen.

Eins vorweg: Natürlich haben Wohnheimküchen ihren Zweck. Nirgendwo sonst lernt man ähnlich kreative Rezepte kennen (in Sahnesoße erwärmte Tagliatelle an aufgebratenem Kassler, Backcamembert, Kroketten und Stracciatella-Joghurt). Aber Berge aus Altglas, undefinierbarer Schleim im Gemüsefach, eingebrannter Analogkäse aus zwei Jahrzehnten – für die Nahrungsmittelzubereitung ist ein solcher Ort denkbar ungeeignet! Wer Fertiggerichte pauschal für ungesünder hält als Selbstgekochtes, hat noch nie versucht, in einem Wohnheim Pizzateig auszurollen. Das kann man hygienisch bedenkenloser auf dem Straßenpflaster tun als auf der Arbeitsplatte einer Gemeinschaftsküche.

Auch wenn die bewährte Zehn-Sekunden-Regel hier außer Kraft tritt; natürlich gibt es auch in Wohnheimküchen Vorschriften: dass jeder sein Geschirr spülen, die Arbeitsflächen abwischen und den Backofen putzen soll, zum Beispiel. Hält sich nur keiner dran. Weil sich ja auch die anderen nicht dran halten. Das ist ein Dilemma, fast schon wie die Sache mit dem Huhn und dem Ei. Aber es ist eines, das sich lösen ließe – und zwar mit der Zehn-Sekunden-Regel. Man müsste einfach eine abgeänderte Form der Vorschrift in Gemeinschaftsküchen einführen: Alles, was herunterfällt, muss innerhalb von zehn Sekunden gegessen werden!

Von Susanne Krause