Hippies mit Putzzwang

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Es braucht schon Glück, um in München eine Wohnung zu finden. Hat man dann mal eine und ist die auch gut gelegen und keine Bruchbude, sondern hat sogar Balkon, sollte man zufrieden sein. Daliah hat so eine Traumwohnung, zufrieden ist sie aber trotzdem nicht. Daliah wohnt nämlich in einer Zweck-WG.

Daliah wohnt in der Paradiesstraße. Der Name ist Programm: Für unter 300 Euro hat ihr Zimmer einen eigenen Balkon mit Blick auf den Englischen Garten. Aber Daliah – wie das mit Menschen im Paradies nun mal so ist – ist nicht zufrieden. Denn ihre Wohngemeinschaft ist eine Zweck-WG.

Zweck-WGs haben unter den Wohnalternativen einen ähnlichen Ruf wie die arrangierten Ehen unter den Beziehungsformen. Klar kann das funktionieren… aber gerade das ist ja so unheimlich! Wenn sich junge Menschen in Altbauwohnungen zusammenschließen, sollte das etwas Wildromantisches sein; eine Mischung aus Hippie-Kommune, Playboy-Villa und therapeutischem Wohnprojekt. Ein Zusammenschluss, der lediglich auf gemeinsame Küchen- und Badnutzung abzielt, passt nicht ins Bild. Dabei sind Zweck-WGs besser als ihr Ruf. Denn wer eine WG ohne Zweck will, dem bleiben zwei Auswege: Entweder er macht seine Freunde zu Mitbewohnern oder seine Mitbewohner zu Freunden. Keine der Alternativen garantiert das Paradies in vier Wänden.

Wenn man es in einer Stadt wie München überhaupt schafft, mit Freunden eine Wohnung zur WG-Gründung zu finden, bleibt ein Problem: Gute Freunde sind nicht zwingend gute Mitbewohner. Liebenswerte Chaoten und Speed-Metal-Anhänger können wunderbare Zeitgenossen sein – solange man sie eben nur zeitweise erlebt. Wenn sie aber ihr neues Lieblingslied in Endlosschleife spielen oder jeden zweiten Sonntag deine letzte Tiefkühlpizza klauen, dann wünscht man sich plötzlich ein schüchternes Mauerblümchen mit Putzzwang zum Mitbewohner. Oder neue Freunde. Womit wir bei der zweiten Alternative wären: sich auf Teufel komm raus mit den Leuten anfreunden, in deren Wohngemeinschaft man untergekommen ist. Ist einen Versuch wert, kann aber nach hinten losgehen. Einer der ersten Mitbewohner, die ich kennen lernte, erzählte mir sofort, welche Bordelle in Köln besonders zu empfehlen seien. Eine Freundschaft konnte ich verhindern – glücklicherweise. Es ist schlimm genug, sich aus Leichtsinn komische Freunde anzulachen, die nur wissen, wo man wohnt. Komische Freunde jedoch, die schräg über den Flur wohnen, sind eine ganz andere Gefahrenklasse.

Bei solchen Aussichten freut man sich doch über Mitbewohner, die einem gesittet aus dem Weg gehen. Besonders wenn man dabei einen eigenen Balkon hat, von dem aus man über den Englischen Garten blicken kann – mit Freunden, die nach Hause gehen, ehe sie einem auf den Geist fallen.

Von Susanne Krause