Gefährliche Liebschaft

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Mal ehrlich: Jeder junge Mensch ist auf der Suche. Nach Liebe. Nach einem Lebensabschnittsgefährten. Vielleicht nach einer Affäre. Das Problem: Sobald sich das Leben um mehr als nur eine Person dreht, wird es verzwickt – eine Kolumne über die Tücken der Partnersuche.

Natalie macht mir Sorgen. Mit einer blutigen Beule auf der Stirn kommt sie zu unserer Verabredung. Vergangene Woche erst hatte sie noch diese Schiene am Handgelenk. „Ich bin die Treppe runtergefallen“, hatte sie mir da noch versichert – ich glaubte ihr nicht. Und jetzt? Gegen eine Tür gelaufen? „Nein“, sagt Natalie kleinlaut. Und erzählt mir endlich die Wahrheit: Sie hatte ihn schon ganz vergessen, da tauchte er plötzlich wieder auf. Vor langer Zeit schon hatten sie sich aus den Augen verloren – warum eigentlich? Ach ja, eine dumme Sache. Natalie kann sehr schlecht verlieren. Das hielt die Beziehung nicht aus. Schublade auf, Schublade zu. Sie verbannte ihn aus ihrem Leben.

Und jetzt, nach vielen Jahren, hat Natalie die Schublade wieder geöffnet – aus einer nostalgisch-romantischen Laune heraus, vielleicht auch aus Neugier darauf, was sich in der Zwischenzeit getan hat. Er hat sich kein bisschen verändert. Natalie kramt weiter in der Schublade und findet schließlich endlich, wonach sie gesucht hat: Tetris. Sie rennt in den Keller, holt Batterien und verschanzt sich in ihrem Zimmer, mit dem Rücken zur Tür: Von hier aus diente das Deckenlicht auch schon früher immer am besten als Display-Beleuchtung. Gierig auf die Wiedervereinigung mit ihrer alten Liebe stellt sie den kleinen Schalter rechts oben liebevoll auf „on“. Ihr Gameboy begrüßt sie mit einem liebevollen „Nintendo“. Dann ertönt die altbekannte Melodie.

Ihre Finger werden zittrig. Aber Natalie wusste schon früher genau, welche Tasten sie bei ihrem Liebsten drücken muss. Dreimal muss sie an diesem Tag noch in den Keller, um neue Batterien zu holen. Es ist der Tag vor dem Treffen mit mir, bei dem sie versuchte, mir die Handgelenkschiene mit einem Treppensturz zu erklären. In Wahrheit hatte sie eine Sehnenscheidenentzündung – zu viele Tetris-Teilchen rotiert.

Als sie fertig ist mit ihrer Geschichte und ich sie auf die immer noch ungeklärte Beule auf ihrer Stirn anspreche, wird sie rot. „Es ist aus“, sagt sie mit Tränen in den Augen. Vor einer halben Stunde habe sie ihren Gameboy auf den Bauhof gebracht: Elektroschrott. Es stellt sich heraus, dass Natalie immer noch nicht verlieren kann: Nachdem sie wiederholt am letzten Level gescheitert war, hatte sie sich ihren heiß geliebten Spielgefährten vor Zorn mit einer solchen Wucht an die Stirn geschlagen, dass das Display zersplitterte. Wenigstens ist sie jetzt raus, aus dieser gewaltsamen Beziehung.

Von Lisi Wasmer