Flanellstrampler statt Stöckelschuhe

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Mal ehrlich: Jeder junge Mensch ist auf der Suche. Nach Liebe. Nach einem Lebensabschnittsgefährten. Vielleicht nach einer Affäre. Das Problem: Sobald sich das Leben um mehr als nur eine Person dreht, wird es verzwickt – eine Kolumne über die Tücken der Partnersuche.

Selbstbewusstsein ist für Natalie nicht gerade Mangelware. Die Höhe ihres Selbstwertgefühls entspricht vermutlich ungefähr der Größe des Mount Everest. Abends, beim Weggehen, kommen noch zehn Zentimeter Absatz oben drauf. Einen entsprechenden Auftritt erwarte ich also auch, als ich gemeinsam mit Max, einem Kommilitonen, am Stachus auf sie warte, um mit ihr die Nacht unsicher zu machen.

Als sie nach 20 Minuten immer noch nicht auftaucht, rufe ich sie an. Es klingelt lange. Dann wird abgehoben, ein Schluchzen und Schniefen. Natalie sagt ihren Auftritt ab. Warum, das möchte sie nicht sagen. Ich solle noch Max grüßen. Oder lieber doch nicht. Viel Spaß. Den wünsche ich Max und verabschiede mich schweren Herzens von einem vielversprechenden Abend. Ich fahre zu Natalie. In einem Flanell-Einteiler öffnet sie mir die Tür. Sie hat geweint. „Ich kann nicht weggehen“, entschuldigt sie sich. Warum? Weil sie hässlich sei. Weil sie nichts zum Anziehen habe. Weil es zu kalt sei. „Und warum wirklich?“, frage ich. Jetzt kommt der Knaller: „Wegen Max“, sagt Natalie zerknirscht.

Den finde sie schon seit dem ersten Semester toll. Sehr toll. Großartig. Aber gerade deshalb sei es ihr noch keinmal gelungen, in seiner Gegenwart irgendetwas zu sagen, was nicht peinlich sei. „Stimmt doch gar nicht“, tröste ich, muss aber gleichzeitig an diverse Ausrutscher denken, die mir bei diesem Geständnis wieder in den Sinn kommen. Ich meine mich sogar an eine Natalie mit hochrotem Kopf zu erinnern, die gleich nach jedem dieser Ausrutscher quiekend davonrannte. Wäre ich auch, wenn ich wie Natalie behauptet hätte, „Das Parfum“ sei doch dieser Katalog für Düfte, der immer in der Parfümerie am Marienplatz auslege – dabei wollte Max über die Arbeiten von Patrick Süskind diskutieren.

Die Fassade des Mount Everest bröckelt. Höhenmeter für Höhenmeter geht dahin, bis nur noch ein Schlittenhügel im Flanellstrampler übrig bleibt. Arme Natalie.

Von Lisi Wasmer