Polyester-Unterhemden aus den 70ern, angesprungene Tee-Services: Alles, was mal alt war, wird wieder in. Nur leider haben viele Dinge gar keine Chance, Vintage zu werden..
Die meisten Eltern ergänzen sich: Mütter schmeißen Dinge weg, Väter holen sie wieder aus dem Müll. Leider gewinnen Mütter dieses Spiel irgendwann, wenn die Müllabfuhr dann doch mal schneller war. Warum leider? Weil wir genau deswegen ein Heidengeld für neue Möbel hinblättern, die aussehen, als hätten sie unseren Großeltern gehört – weil unser Erspartes draufgeht für die ausrangierten Klamotten unserer Eltern in den Vintage-Läden dieser Welt. Und das, obwohl unsere Väter schon damals wussten, dass 70er-Jahre-Polyester-Unterhemden irgendwann wieder der letzte Schrei sein würden!
Inzwischen würde ich wohl die Tapetenmuster-Unterhemden meines Vaters mit Freude tragen, einfach weil sie alt sind. Leider gehört meine Mutter zur rabiaten Wegschmeiß-Front. In ihrem Haushalt haben Dinge keine Chance, Vintage zu werden. Als ich in der zweiten Klasse etwas Altes zum Unterricht mitbringen soll, stellt das Mama vor eine schier unlösbare Aufgabe. Im Sitzkreis präsentieren meine Mitschüler geschnitzte Schmuckkästchen, handbestickte Taschentücher und zerknitterte Fotos der Jahrhundertwende. Als ich an der Reihe bin, hole ich einen kiloschweren gusseisernen Fleischwolf aus der Vorkriegszeit aus dem Ranzen. Ich bin das einzige Kind, das keine Geschichte zu seinem Gegenstand erzählen darf.
Dabei macht gerade das den Reiz von alten Dingen aus: dass sie Geschichten erzählen. Die Endprodukte schwedischer Möbel- und Modehäuser schweigen. Aber all die angesprungenen Tee-Services, die modrigen, windschiefen Plüschsofas, die ausgetretenen Schnürstiefeletten! Verträumt sauge ich ihren Geruch von Moder und Geschichtsträchtigkeit ein. Meine Mutter bemerkt derweil, dass bei alten Flohmarktschuhen der Vorbesitzer womöglich versucht hat, sie durch Eigenurin-Therapie zu weiten. Da hat sie mir schon keine eigenen hinterlassen und verdirbt mir nun auch noch die Adoption fremder Familienerbstücke! Am Ende kaufe ich nur eine kaum getragene Strickjacke, Herkunft: schwedisches Modehaus. Wird wohl nichts mehr damit, meinem Leben etwas Geschichtsträchtigkeit zu schenken, ehe ich 75 bin. Den Fleischwolf hat meine Mutter inzwischen übrigens weggeworfen.
Von Susanne Krause