Schlafentzug ist eine verbreitete Foltermaßnahme. Das muss Sophie am eigenen Leibe erfahren; denn ihr neuer Freund Moritz raubt ihr nachts ihre ruhigen Stunden. Die versucht sie sich natürlich zu bewahren – auf dem stillen Örtchen.
Wer auf eine längerfristige Beziehung aus ist, der muss darauf achten, dass es auch im Bett funktioniert, sagt Sophie. Sophie liegt auf meiner Couch und bringt kaum zwei Worte zwischen jedem Gähner hervor. Ihre blutunterlaufenen Augen sind von dunklen Schatten umrahmt, ihre Arme und Beine liegen kreuz und quer auf ihr herum. Seit Tagen habe sie kaum geschlafen, beschwert sie sich. Leute, die mit ihrem überbordenden Sexleben angeben, sind unangenehm, sage ich. Das sei es aber gar nicht, versichert sie. Im Gegenteil. Es sei schlicht unmöglich, mit jemandem wie ihrem neuen Freund Moritz eine erholsame Nachtruhe zu genießen. Anfangs sei es ihr gar nicht so aufgefallen. Die ersten Male, als er bei ihr übernachtet habe, hätten sie sich die ganze Nacht in den Armen gelegen. Keiner habe viel geschlafen, aber das sei ja auch verständlich bei einer neuen Beziehung.
Nach drei durchwachten Nächten habe sie ihm dann freundlich zu verstehen gegeben, dass er nachts doch bitte seine Finger von ihr lassen solle: Sie sei einfach kein Kuschelschläfer. Moritz habe mitgespielt. Und trotzdem sei das Einzige, was bei Sophie nachts einschläft, ihr Hintern, wenn sie zu lange auf dem Klo sitzen bleibt, wo sie inzwischen fast jede Nacht Zeitschriften durchblättert und auf den Morgen wartet. Derweil liegt Moritz selig schlummernd in ihrem Bett und genießt den einzig erholsamen Einzelschlaf. Jeden Morgen versichert er ihr, er habe noch nie so gut geschlafen wie in ihrem Bett. Das kann Sophie momentan nicht behaupten.
Denn obwohl er diese nervige Löffelchen-Geschichte auf Wunsch sofort abgestellt hat – Moritz ist ein diebischer Bettgenosse. Nicht nur, dass er sich nachts an Sophies Decke zu schaffen gemacht hat, das wäre noch zu verkraften gewesen. Bis zum nächsten Abend hat sie eine zweite Decke besorgt. Aber Moritz hat es unter dem Schutzmantel der Unschuld des Schlafenden auf ganz anderes Diebesgut abgesehen. Er stiehlt Platz. Sophies Platz. Keine Nacht vergeht, in der sie nicht damit beschäftigt ist, ihre Hälfte der Matratze zu verteidigen. Kaum ist Moritz eingeschlafen, rutscht er unauffällig nach links, Stück für Stück. Links liegt aber Sophie und spätestens nach einer halben Stunde klebt sie an der Wand wie ein Gekko in einer italienischen Ferienwohnung. Nur platter.
Sie habe schon alles versucht, klagt Sophie. Sie habe sich gegen die Wand gestemmt und ihn mit den Füßen zurück an die äußere Bettkante geschoben. Sie habe an sein Unterbewusstsein appelliert und ihm ins Ohr geflüstert, er solle sich wieder auf seine Seite verziehen. Einmal habe sie ihn auch getreten, in einem schwachen Moment. Geholfen hat es aber auch nichts. Jedes Mal wird sie wenig später wieder an die Wand gequetscht. Dann steht sie auf und geht aufs Klo. So bekommt wenigstens ihr Hintern ein wenig Schlaf, während sie Zeitschriften liest und überlegt, wie sie Moritz wieder los wird.
Von Lisi Wasmer