“Dieses Biedermann Image wird einem aufgedrückt”

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Standortfaktor Pop: Ist München jetzt wirklich so uncool, dass man
als Band keine Chance hat? Läuft alles prima? Oder muss die Stadt weit
mehr fördern als bisher? Wir haben bei LUX nachgefragt.

Ist es leicht, eine Band in München zu gründen bzw. aufrecht
zu erhalten?

Wenn man Bock darauf hat, Musik zu machen, dann wird einen
München nicht daran hindern. Kunst kann unter allen Umständen entstehen. Zu
sagen, man kann es nicht machen, weil man keine Unterstützung der Stadt hat,
wäre für mich eine faule Ausrede. 

Was haltet ihr von
der Münchner Musikszene? Gibt es Schwierigkeiten oder auch Vorteile?

Ich glaube das ist ein Punkt an dem sich bei der Debatte
alle einig sind. Es gibt super freshe Musik aus München. Vielleicht muss man
ein bisschen tiefer diggen um sie zu finden, aber dann kann man auf pures Gold
stoßen. Manchmal würde ich mir wünschen, dass die Szene besser vernetzt wäre.
Ich glaube, wenn nicht jeder für sich, sondern alle zusammenarbeiten und an
einem Strang ziehen würden, könnten großartige Dinge passieren . 

Würdet ihr euch von der Stadt mehr Unterstützung für die
Szene wünschen? Welche Art von Unterstützung? Was tut sie bislang zu wenig?

Absolut. Das fängt schon bei vermeintlichen Kleinigkeiten
wie der Ruhestörung an. Wie sollen sich denn Clubs und Konzertlocations
etablieren, wenn die ganze Stadt stillgelegt wird. Das ganze geht aber
natürlich noch viel tiefer. Orte wie das Gelände an der Domagkstraße, das
Backstage, das Import/Export oder der Schlachthof werden dem Erdboden
gleichgemacht und müssen für hässliche Neubauten und Bürokomplexe weichen.
Sowas ist schrecklich und wird von der Stadt total gefördert. München braucht
Freiräume und mehr Platz für Ateliers, Galerien, Studios, Proberäume, Bühnen
und Clubs. Ich glaube, wenn das gegeben ist, lösen sich viele Probleme wie von
selbst. 

Haben es Bands aus München schwieriger national Fuß zu
fassen?

Zumindest Im Hip Hop Genre habe ich das Gefühl, dass wir hier
im Süden immer ein bisschen außen vor sind. Während sich die Szenen aus den
anderen Städten miteinander connecten können, merkt keiner so richtig was hier
in München überhaupt passiert. Ich glaube, das liegt hauptsächlich daran, dass
es in München weniger Strukturen gibt, die Rap-Musik betreut, promotet und
vertreibt. Es fehlt einfach an Presswerken, Labels, Bookern und Agenturen. Wir
lassen unsere neue Platte zum Beispiel in Leipzig pressen und von dort aus
vertreiben. Ganz einfach aus dem Grund, weil es hier in München keiner macht.
Wenn du es allerdings einmal geschafft hast, dir über die Grenzen der
Landeshauptstadt einen Namen zu machen, kräht kein Hahn mehr danach, woher du
kommst. Es geht immer noch darum was du machst, nicht woher du kommst, und das
ist auch gut so. 

Habt ihr persönlich schon Erfahrung mit Vorurteilen
gegenüber Münchner Künstlern gemacht?

Dieses Biedermann Image wird einem schon gerne mal
aufgedrückt oder es kommen die typischen peinlichen Fragen. Da rebelliere ich
aber immer ganz laut und stelle klar, dass nicht jeder Münchner mit Chino, rosa
Ralph Lauren Pulli und Segelschuhen herumläuft. Und nein, Ich war noch nie im
P1. Wer sich seine Ecken in München sucht, in denen er sich wohl fühlt, der
findet sie.

Was zeigt, dass auch München eine tolle, alternative
Musikszene zu bieten hat?

Alleine daran, dass ich über diese Frage am längsten
nachdenken musste, zeigt, dass hier etwas schief läuft. Trotzdem fallen mir
aber natürlich auch hier ein paar Beispiele ein. Puls  (das Jugend Programm des Bayerischen
Rundfunks) fördert aufstrebende Musiker aus München und bietet ihnen eine
Plattform ihre Musik zu verbreiten. Clubs wie die Milla organisieren Konzerte
von unbekannten, lokalen Künstlern in allen Genres. Die Glockenbachwerkstatt
veranstaltet seit über 10 Jahren Jams und gibt Newcomern eine Bühne. Festivals
wie die Magic Street Parade verwandeln ein ganzes Viertel in eine Party Meile
und spielen die ganze Nacht Musik in verschiedenen Locations. Es gibt die
Menschen, die etwas unternehmen und ich zolle ihnen großen Respekt.

Habt ihr schon mal geleugnet, aus München zu sein? Wenn ja,
warum – wenn nein, würdet ihr es tun?

Ich finde wir sollten nicht anfangen unserer Stadt den
Rücken zuzukehren, sondern viel mehr etwas gegen die Umstände tun. Wenn jetzt
alle Künstler, die noch übrig geblieben sind, wegziehen, wird es nicht besser.
Ich will mit meiner Musik München zurück auf die Karte bringen, und ihr wieder
mehr Identität geben. Wir haben Anfang des Jahres ein Künstlerkollektiv aus
bildenden Künstlern, Fotografen, Modedesignern, Filmemachern und Musikern
gegründet und Räume in Neuhausen angemietet. Im Januar kommt dann unsere neue
Platte raus. Damit wollen wir mit gutem Beispiel vorangehen und die Stadt
wieder bunter machen.

Foto: Nils Schwarz