Max Gittel, 26, hat eine sehr erfolgreiche App entwickelt. Doch der Erfolg stieg ihm zu Kopf. Heute studiert er an der TU München Elektrotechnik.
Von Sophie Röhrmoser
Die Hitze staut sich in der Bibliothek der TU München. Trotzdem sitzen Hunderte Studenten dicht an dicht. Sie lernen für die nächste Prüfung. Auch Max Gittel, 26, sitzt unter ihnen. Er studiert Elektrotechnik. Aber für ihn ist diese Bibliothek nicht nur ein Ort zum Lernen. Er nutzt sie auch als Büro. Mehr als einen Laptop, Tisch, Steckdose und einen freien Kopf brauche er nicht, um zu arbeiten, sagt er. Max verdient sein Geld mit dem Programmieren von Spiele-Apps. „Ich wollte schon immer Kunst und Technik miteinander vereinen. Spiel-Apps zu programmieren ist für mich der perfekte Beruf“, sagt er.
Schon während der Schulzeit programmierte der damals 16-Jährige seine ersten Puzzlespiele fürs Handy. Er verdiente dabei höchstens zehn Euro im Jahr, keiner hätte je geglaubt, dass Max eines Tages seinen Lebensunterhalt damit finanzieren könnte. Bis es so weit war, hatte Max Misserfolge – seine Spiele floppten. Doch er wusste immer, dass sich seine Hartnäckigkeit irgendwann auszahlen würde. „Ich war geblendet, naiv und hatte Träume. Ich bin keiner der aufgibt, ich bin ein Sturkopf. Wenn ich etwas anfange, dann mache ich es zu Ende“, sagt Max.
2015 gelang ihm dann endlich der Durchbruch. Über Nacht wurde seine Puzzlespiele-App „Atomas“ 4000-mal aus dem Appstore heruntergeladen. „Ich konnte es anfangs gar nicht glauben“, sagt Max. „So viele Downloads hatten all meine bisherigen Apps nicht mal zusammen.“ Bei dem Spiel geht es darum, immer wieder den Highscore zu brechen. In einem Kreis sind bunte Atome angeordnet. In der Mitte dieses Kreises befindet sich ein Plus, das beim Anklicken neue Atome in den Kreis schießt. Ziel des Spiels ist es, so viele gleichnamige Atome wie möglich nebeneinander anzuordnen. Mittlerweile wurde „Atomas“ auf Apple drei Millionen Mal und auf Google sieben Millionen Mal heruntergeladen.
Ein halbes Jahr vor dem Durchbruch studierte Max noch im vierten Semester Informatik in Salzburg. Doch das Studium erfüllte ihn nicht. Zurück bei seinen Eltern, die in einem kleinen Ort bei Ulm wohnen, arbeitete er 80 Stunden die Woche an seiner damals ersten großen Notiz-App „Note Ception“. Auch, weil er sich ziemlich allein fühlte. „All meine Freunde waren weggezogen. Ich war total isoliert und hatte nur meinen Computer“, sagt er. Trotz guter Ideen blieb der Erfolg bei dieser App aus. Für ein halbes Jahr harte Arbeit bekam er gerade einmal 50 Euro. Max war frustriert. So frustriert, dass er sich vornahm, eine allerletzte App zu programmieren – eine letzte Chance, ansonsten würde er in Zukunft etwas anderes machen. Er entwickelte innerhalb von zwei Monaten „Atomas“.
Ein Jahr lang lebte Max wie ein Star. Emotional und finanziell ging es dem jungen Programmierer in dieser Zeit sehr gut. Diese Hochphase hielt aber nicht lange an, denn mit dem plötzlichen Ruhm stieg sein Verlangen, den Erfolg zu wiederholen. Doch die folgenden Apps floppten.
Als er zudem schlechte Bewertungen bekam, war er schockiert. „Ich war erst einmal super fertig und habe versucht zu verstehen, was falsch gelaufen ist“, sagt Max. Die Spieler beschwerten sich über einen Fehler in der Bedienung der App, ein Nutzer drohte dem jungen Programmierer in einer E-Mail sogar mit dem Tod, zumindest erzählt Max das so. Er behob den Fehler so schnell wie möglich. Die Nutzer beruhigten sich, doch die Angst, den nächsten Fehler zu begehen, wuchs von Tag zu Tag. Max’ Drang nach Perfektion und Erfolg trieben ihn in eine Krise. Seine Eltern wussten nicht, wie sie mit der Situation umgehen sollten. „Ich habe mich dann mehr und mehr in meiner Arbeit verloren und war süchtig danach“, schildert Max sein Leben damals.
2017 entschied sich Max, nach München zu ziehen, um sich so aus der Isolation zu befreien. Er begann, an der TU München Elektrotechnik zu studieren, und langsam besserte sich sein emotionaler Zustand. Er schloss Freundschaften. „Der Sinn des Lebens ist für mich, so viel wie möglich aus meinem Leben herauszuquetschen, nicht wegen des Geldes, sondern weil es mir Spaß macht.“
Mittlerweile hat Max seine Krise überwunden und befindet sich im vierten Semester seines Elektrotechnik-Studiums. Seine große Leidenschaft ist aber immer noch das Programmieren von Spiele-Apps.
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