Band der Woche: Pirates of Suburbia

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Vorstadt-Rebellion mitten in der großen Stadt. Die Band Pirates of Suburbia spielen melodischen Punk, der ein wenig zu langsam ist, verarbeiten dabei aber eindeutig sämtliche Wut-Musik der Achtziger- und Neunzigerjahre zu einem wilden Mash-up.

Die suburbanen Städte sind spätestens seit den „Desperate Housewives“ als Ort zwischen Alltagsmüdigkeit, Spießigkeit und unterschwelliger Gefahr bekannt. Doch auch in der Popmusik tauchen die Vororte großer Städte immer wieder als Inspirations- oder besser: Desperationsquelle auf. So spucken Trabantenstädte und Provinznester wieder und wieder wütende und gleichsam innovative Bands aus. Bands, die den Puls der Stadt und damit die Trends zwar etwas weniger spüren; dafür aber neue Ideen in die Welt setzen. Das ist die verzweifelte Jugend, die mit ihren Eltern im hübschen Einfamilienhaus so wenig zu tun hat, dass dabei nur wütende, laute Musik herauskommen kann. Die Germeringer Band Marvpaul widmete diesem Lebensgefühl ein Album: „Es gibt hier nicht nichts zu tun. Aber etwas anderes gibt es auch nicht“. Und die Pirates of Suburbia (Foto: Theresa Maier) aus Gauting schrieben sich den Kampf gegen die vorstädtische Lethargie in den Bandnamen.

Und bei Letzteren trifft das Vorstadt-Gefühl auch auf ihr Dasein in der Stadt zu: Denn die Musiker des Trios leben zwar alle mittlerweile in München. Sie existieren hier aber dennoch in einer Enklave, in der der Vorstadt-Blues zelebriert wird und dementsprechend wütende und zum Teil auch – der strukturellen Anarchie des Songwritings geschuldet – ganz schön witzige Musik gemacht wird. Die Pirates of Suburbia klingen dabei, als würden sie die Lücke zwischen Punk und Postpunk füllen wollen. Die Band um die Brüder Matthias und Leonard Zimmermann und den Schlagzeuger Daniel Heimerl geht dabei den Umweg über Grunge – auch so ein Musikstil, der in den Suburbs oder eigentlich der totalen Provinz begann: melodischer Punk, der ein wenig zu langsam ist. Doch darüber klingt die künstlich nach unten gedrückte Stimme von Leonard fast noch tiefer als Ian Curtis bei Joy Division, bis dann fast überraschend ein neuer Teil losdonnert, und Leonard in bester Qual losbrüllt. Dabei ist die Hymne „Pirates of the World“, die mit diesem Aufbau beginnt, noch einer der braveren Songs des Trios. Denn die Band schreibt Lieder, als wäre das Medley nie verpönt gewesen: Und so verarbeiten sie sämtliche Wut-Musik der Achtziger- und Neunzigerjahre zu einem wilden Mash-up: Etwa, wenn der Song „Meatball/Neverpunx/Chelsea“ mit einem anheimelnden Folk-Riff beginnt, aber plötzlich von einem Synthie, der nach US-Polizei-Sirene und Fisher-Prize-Spielzeug klingt, massiv gestört wird, anschließend in einen Hip-Hop-Groove mit astreiner Rap-Einlage kippt und schließlich zurück zu seiner Folk-Süße gelangt. „Wir machen eher Punk mit vielen verschiedenen Einflüssen“, erklärt Bassist Matthias schlicht.

Und viele verschiedene Einflüsse hat auch die zeitgenössische Jugend-Wut, vor allem, wenn sie über das Alter der Teenage-Rebellion hinaus ist. Die Pirates of Suburbia sind nämlich mittlerweile Anfang bis Mitte 20 und gehen ganz bürgerlichen Beschäftigungen nach. Der Schlagzeuger Daniel hat gerade Abitur gemacht, Leonard studiert Philosophie und Matthias ist Rechtsreferendar. Und dennoch rebellieren sie: gegen das Musik-Geschäft (ein Album wollen sie schon machen, die Musik zum Geschäft aber eher nicht). Lieber feiern sie Partys wie früher auf dem Land, wenn junge Menschen Orte der Erwachsenen-Generation für sich gewinnen können: Etwa das Wirtshaus „Altgiesing“, der „Boazn“, wie sie Matthias nennt, einem Gasthaus in der Tegernseer Landstraße, das nun für Punk-Konzerte zwischengenutzt wird. Das ist zwar der Beginn der Gentrifizierung des Viertels, aber dennoch fühlt sich das gerade wunderbar nach suburbaner Rebellion an.  

Stil: Medley-Grunge-Punk

Besetzung: Matthias Zimmermann (Bass), Leonard Zimmermann (Gitarre, Gesang, Kaossilator), Daniel Heimerl (Schlagzeug)

Aus: München / Gauting

Seit: 2012

Internet: www.facebook.com/piratesofsuburbia

Rita Argauer

Foto: Theresa Maier