Band der Woche: Juicyproof

Der „Juice“ ist der Kern ihres Schaffens, er ist Lebenseinstellung und Qualitätsmerkmal zugleich.

Von Maximilian Mumme

Cantus firmus – feststehender Gesang – bezeichnet schon seit dem Mittelalter die Wiederverwendung altbekannter Melodien in neuem Kontext. Mit der Entwicklung neuartiger, technischer Möglichkeiten der Musikproduktion bekam dieser Begriff Ende der Siebzigerjahre eine modernisierte Übersetzung: Sampling. Vor allem im Hip-Hop erfreut sich die Produktionstechnik, die nicht selten zu Rechtsstreitigkeiten aufgrund Urheberrechtsverletzung führt, großer Beliebtheit. Quer durch alle Jahrzehnte zerstückeln, bearbeiten und rekombinieren Produzenten wie Dr. Dre (N.W.A.), Q-Tip (A Tribe Called Quest) oder J Dilla alte Aufnahmen aus ihren Plattensammlungen.
Soweit bekannt. In die heutige Zeit fortgesponnen entsteht jedoch ein interessanter Gedanke: Früher wurden meist altbekannte Jazz-, Funk- und Soulplatten zu neuartiger Musik, nämlich Hip-Hop, verarbeitet. Heute ist Hip-Hop weit verbreitet, und die Kausalität beginnt sich umzukehren. Man hört zunächst das Sample, und erst durch die Suche nach dem Originalsong stoßen kontemporäre Produzenten auf die alten Künstler, mit deren Inspiration sie dann wiederum neue Musik entwickeln.
Auf diese Weise entdeckte auch Beatproduzent Maximilian Ohl Künstler wie Marvin Gaye, Curtis Mayfield und Nina Simone. Künstler, die Maximilian Ohl, Sänger Murat Kaydirma und Gitarristen Dario Krajina als Vorbilder für ihr Projekt Juicyproof (Foto: Murat Kaydirma) dienen. Murat und Maximilian, beide gebürtige Münchner, kennen sich seit ihrer Skaterjugend. Die Idee zum gemeinsamen Musikprojekt entstand Anfang des Jahres im Urlaub. Zurück in München begannen sie, alte Beats von Maximilian zu durchsuchen. Schnell entstand „eine Auswahl von Tracks, bei denen wir den Juice gespürt haben“, sagt er.
Der „Juice“ ist der Kern ihres Schaffens, er ist Lebenseinstellung und Qualitätsmerkmal zugleich. Er ist der gewisse Vibe, den die Songs brauchen, um im Funk und Soul in etwa das Pendant zu dem zu finden, was im Metal als „true“ bezeichnet würde. Über die gefundenen Beats begann Murat Melodien zu improvisieren. Songwriting gab es keines, alles entstand spontan und aus der Stimmung heraus. Zuletzt holten sie ihren gemeinsamen Freund Dario dazu, der Gitarrenspuren einspielte – natürlich ebenso improvisiert – und damit die Arrangements vollendete. Ein konkretes Genre haben die drei in ihrer Produktion absichtlich nicht angestrebt, erklärt Murat, „Hauptsache, der Mood ist gut“. So klingt das Ergebnis nach einer Melange von exakt den Einflüssen, die jeder aus seiner musikalischen Vorerfahrung mitbringt. Entspannte „boom bap“-Hip-Hop-Beats in Lo-Fi-Aufmachung, zusammengesetzt aus Samples aus Maximilians Plattensammlung. Hier und da eine Flöte, Trompete, Streicher oder orientalisch anmutende Percussion. Darüber legt Murat, in München schon bekannt als Frontsänger der Band The Whiskey Foundation, seine bluesig-soulige Stimme, die mit Lowpassfilter und viel Hall in den Mix eingebettet ist. Die Gitarren-Licks von Dario, dessen Ursprünge im Psychedelic Rock liegen, verleihen den Songs etwas meditatives.
Weniger als Band, sondern mehr als Kollektiv ist Juicyproof angedacht. Zwar steht mit Maximilian, Murat und Dario die Grundbesetzung des Projekts, doch sind sie in zukünftigen Produktionen offen für Gastauftritte anderer Musiker. Der Fokus von Juicyproof soll zunächst nur auf der Produktion liegen, eine Live-Umsetzung ist nicht geplant. Dafür soll jedoch von März nächsten Jahres an schon an neuen Tracks gefeilt werden.

 

Juicyproof

Stil: Juicy-Funky-Psychedelic Hip-Hop

Besetzung: Murat Kaydirma (Vocals), Dario Kraijna (Gitarre), Maximilian Ohl (Beats)

Aus: München

Seit: 2018

Internet: https://www.facebook.com/juicyproof/