Band der Woche: Conquest of Everest

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Melodic Hardcore – Das Münchner Quartett Conquest of Everest gibt es erst seit Anfang des Jahres. Es wird gerumpelt und gewütet und dennoch in Harmonie geschwelgt – gerade das macht die Band so interessant.

Es war ein großer Moment für die abendländische Musik, als die Mehrstimmigkeit entdeckt wurde. Im 9. Jahrhundert findet ganz sanft diese Aufspaltung – nämlich, dass zwei Töne gleichzeitig erklingen und sich die Stimme in mehrere melodische Linien trennt – zum ersten Mal statt. Seitdem prägen Akkorde und Mehrstimmigkeit das Musiksystem; in allen möglichen Facetten. Und natürlich ist Popmusik davon nicht ausgeschlossen. Ganz im Gegenteil: Backing Vocals bereichern Refrains, heben die Melodik und verleihen der Musik emotionale Eindringlichkeit.

Besonders interessant aber ist dieser Umgang mit zwei oder mehreren gesungenen Stimmen in einer gewissen Sparte des Hardcores. Denn ähnlich wie im Hip-Hop fand dort – gerade was den Gesang betraf – in der Anfangsphase des Genres erst einmal eine Verengung des harmonischen Raums statt: Die Stimme sang keine melodischen Läufe mehr, sondern tritt im Song als rhythmische Sprechstimme und im Hardcore als rhythmische Schreistimme auf. Doch nachdem all die DC-Hardcore-Bands in melodieverweigernder Wut herumgebellt hatten, hielt auch dort die Mehrstimmigkeit Einzug. Melodic Hardcore wird das gerne genannt – und von den richtig harten Rumpel-Musikern wird das wohl auch gerne belächelt. Aber die Kombination aus Geschrei und Melodie hat dort doch einen sehr interessanten Effekt.

Etwa bei der Münchner Band Conquest of Everest . Der Name zeigt an, um was es hier geht: Die Bezwingung des höchsten Berges, dessen letzte Höhenmeter nicht umsonst die Bezeichnung „Todeszone“ tragen. Und wenn es um Dramatik geht, dann braucht es eben auch eine eingängige harmonische Gestaltung in der Musik, damit das Drama seine emotionale Kraft entwickeln kann – abseits von purer Energie-Vermittlung, für die Geschrei und Geknüppel sorgen. Das Münchner Quartett, das sich erst im Januar dieses Jahres gründete, hat dafür einen sehr konsequenten Weg gefunden: Denn in den Songs ihrer ersten EP, die sie Anfang Dezember veröffentlichten, wird sowohl im instrumentalen Arrangement als auch in den Gesangstimmen gleichzeitig gerumpelt und gewütet, und dennoch ausladend in Harmonie geschwelgt.

In den Gesangsparts von Julian Sladek ist das besonders auffällig: Wenn es zu einem musikalischen Höhepunkt hingeht, gesellt sich zu der rhythmisch geschrienen Stimme eine Gesangstimme. Quasi als zweite Stimme, so wie das jede anständige Pop-Band arrangieren würde. Nur, dass bei Conquest of Everest eben die eine Stimme schreit und die andere singt. Mit den Instrumenten verfahren die vier Jungs ähnlich: Zu den Gitarren, die in synkopischer Rhythmik vor sich hin schrammen, mischen sie Synthesizer und Streicherstimmen, die das Geschrammel in ein harmonisches Bett legen.

In München hört man diesen Sound selten. Der Haupteinfluss kommt immer noch aus den englischsprachigen Ländern. Daran orientieren sich auch Conquest of Everest. Sie haben zwar die EP „Much more is needed to lead us the Way“ in einem Studio in München aufgenommen – aber den Klang haben sie in England mischen lassen. Die Sound ist klar, sauber und dick. Im Metal-Bereich arbeitet man schon länger so, bei Bands wie Nightwish hat sich der harte Gitarrensound gar zu Operngesang gesellt. Im Hardcore ist diese Bewegung aber noch lange nicht so etabliert. Harte Gitarren sind derzeit aber sowieso nicht so angesagt, seit die Indie-Bands Gitarren Anfang des Jahrtausends zurück in den Mainstream gebracht haben. Doch Conquest of Everest fühlen sich gut aufgehoben: „Die Szene in München existiert und ist sehr aktiv, man muss nur die Augen offen halten“, erklären sie. Ihr Ziel ist es, im kommenden Jahr möglichst viele Konzerte mit lokalen Bands zu spielen, die sie schätzen. Durch die Zugänglichkeit, die ihre Musik der Harmonik wegen hat, könnte das auch für ein Publikum abseits der Nische interessant werden.

Stil: Hardcore / Alternativ / Postrock

Besetzung: Julian Sladek (Gesang), Peter Griesbeck (Bass), Tobias Schauseil (Gitarre), Bastian Wegner (Schlagzeug)

Aus: München

Seit: 2015

Internet: conquestofeverest.bandcamp.com

Rita Argauer
Foto: Bastian Wegner