Unser Autor Nikolai hat eigentlich gar keine Lust mehr auf die Kälte. Und das, obwohl sich der Winter noch nicht wirklich hat blicken lassen. Gut, dass es genügend Indoor-Veranstaltungen gibt, die ihn von der kalten Jahreszeit ablenken können.
Ich bin einer dieser Menschen, der immer das heutige Datum kennt. Vor wie vielen Wochen hat der Winter begonnen? Wann wird die Zeit endlich umgestellt? Das sind die kleinen Berechnungen, die ich täglich vornehme. Heute ist der 20. Januar. In genau zwei Monaten beginnt der astronomische Frühling – der Tag, an dem die Sonne senkrecht über dem Äquator stehen wird. Stück für Stück wird sie dann immer weiter in die nördliche Hemisphäre wandern. Ich kann es kaum erwarten. Bis dahin treibe ich mich in Schauspielhäusern, Konzertsälen und Museen herum. Hier eine kleine Kostprobe.
Es ist Freitag – der letzte Tag der herkömmlichen Arbeitswoche. Am frühen Abend setze ich mich in die S-Bahn und frage mich, was das Wochenende für mich bereithalten wird. Noch bin ich nicht ganz im Modus. Es fühlt sich so an, als befände ich mich in Trance. Wie es der Zufall will, nennt sich so auch das Album der Berliner Komponistin Meredi. Um 20 Uhr gibt sie ein Konzert im Milla. In ihren eigenen Worten geht es in „Trance“ darum, „sich ganz weit weg zu wünschen, an einen anderen Ort – um dort Trost und so auch zu sich selbst zu finden“. Das kann mir nicht schaden.
Nach einem melancholischen Freitag ist es an der Zeit, die Heiterkeit zu reanimieren. Die Aussicht auf Sonnenstrahlen ist diesen Samstag eher mau. Dann muss eben Vitamin C genügen. Ich hole mir eine „Spremuta d’Arancia“ in der Bar Centrale und überlege mir, welche Ausstellung zu meiner Stimmung passen könnte. Die Entscheidung fällt leicht: Ich werde mir die farbenfrohen Malereien von Etel Adnan im Lenbachhaus zu Gemüte führen. Sollte ich aus irgendeinem Grund das Bedürfnis verspüren, den Wachsstift selbst in die Hand zu nehmen, findet von 15 bis 17 Uhr ein Workshop statt. Fehlt nur noch die akustische Stimulation. Um 20.30 Uhr spielt Matteo Germeno im Backstage. Seine Musik bezeichnet der Künstler selbst als „Dream Pop“ – das passt mir ganz gut ins heutige Konzept.
Der Sonntag bedeutet für viele Menschen die Wiederkehr des Gleichen. Auch mein Sonntag enthält eine loyale Konstante. Das klingt erst mal unglaublich langweilig. Kein Grund zur Sorge: Es steht auch nicht der Tatort auf dem Programm. Im Jazzclub Unterfahrt findet sonntags um 20.30 Uhr immer eine Jam-Session statt. So gelingt es mir, der Regelmäßigkeit etwas Abwechslung zu verleihen.
Am ersten Arbeitstag der Woche ziehe ich mich abends gerne zurück. Die sozialen Speicher sind meistens noch vom Wochenende gefüllt. Da kommt ein bisschen Me-Time gerade recht. Sollte ich es mir anders überlegen, was gar nicht so selten vorkommt, steige ich spontan in die Favorit Bar ab – die Verlängerung meines Wohnzimmers, wenn ich denn eines hätte.
Ruby Tuesday. Den Rolling-Stones-Hit aus dem Jahr 1966 schrieb Keith Richards angeblich über einen Groupie. Ich habe zwar keine Groupies. Das bringt mich aber auf die Idee, jemanden auszuführen – am liebsten ins Theater. Am Dienstagabend läuft im Marstall „Der Entrepreneur“ von Kevin Rittberger – ein gesellschaftskritisches Stück, das unter anderem der Frage auf den Grund geht, warum die Klimaziele in unserer kapitalistischen Werteordnung nicht erreicht werden können. Wer es etwas sachlicher will: Um 18 Uhr lädt die Bayerische Akademie der Wissenschaften zu einer Podiumsdiskussion in der Residenz mit dem Titel „Windkraft: Vier Perspektiven auf ein energiegeladenes Thema“ ein.
Am Mittwoch ist mir nach einem Film mit skurriler Handlung zumute. Also checke ich das Programm der gängigen Kinos, lasse mich aber nur schwer zufrieden stellen. Dann doch ein Osterei: Im Werkstattkino läuft um 22 Uhr der italienische Film „The Legend of Kaspar Hauser“. Wer sich vom Titel allein noch nicht überzeugen lässt, der ändert spätestens nach folgender Beschreibung seine Meinung. Der Film wird auf der Website als „absurder Sci-Fi-Western“ bezeichnet. Bitte was? Da muss man schon etwas neugierig werden. Darin begleiten wir den Findling aus Nürnberg, wie er auf einer abgelegenen Mittelmeerinsel als Messias begrüßt wird, eine Karriere als Insel-DJ hinlegt und sich aufgrund seiner Schönheit die eifersüchtige Herzogin zur Feindin macht. Dieses „religiös-ekstatische Elektro-Spektakel“ muss ich mit eigenen Augen sehen.
Es ist Donnerstag. Passend zum gestrigen Erlebnis bleibt das heutige Programm ähnlich experimentell. Ich begebe mich ins Import Export. Um 20 Uhr spielt Ghazaleh E. Die aus Teheran stammende Komponistin vereint ihre beiden Passionen: Musik und Pilze sammeln. „Schwammerl Rock“ nennt sie das Produkt. Ich bin gespannt, was das bedeutet.
Eine Woche später und schon wieder Freitag – e n d l i c h, besser gesagt. Ich bin zu einem Geburtstag eingeladen – leider geschlossene Gesellschaft. Da kann ich euch schlecht mitnehmen. Ich bin mir aber sicher, dass Luca einen guten Auftakt in der nächsten Kolumne für euch bereithält.
Von Nikolai Vack