Noch ist mir München sehr unbekannt. Nach fast vier Jahren Studium und Leben in Passau kommt mir die Stadt mit ihrer fast 30-fachen Einwohner*innenzahl noch sehr groß und unheimlich vor. Man muss sich nur vorstellen, dass sich in Passau nach 22 Uhr kein Bus mehr vom Fleck bewegt, von U- und S-Bahnen ist gar zu träumen. Jetzt bin ich also eine Woche lang in München unterwegs, in der Stadt und versuche so oft wie möglich nach 22 Uhr mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zu fahren. Einfach nur, weil es möglich ist.
Den Freitag verbringe ich damit, was ich an Feiertagen meistens mache. Ich werde komplett überrascht davon sein, dass Feiertag ist und ich im vorhinein keinerlei Lebensmittel für mich eingekauft habe. Ich bin der festen Überzeugung, dass man erst dann richtig erwachsen ist, wenn man sich rechtzeitig an geschlossene Supermärkte erinnert. Noch ist das bei mir nicht der Fall, deshalb muss ich wohl außerhalb meinen Magen füllen und kann das gut damit verbinden, ehemalige Schulfreunde zu treffen, die mittlerweile München ihr zuhause nennen können und gute und günstige Alternativen zum Essen gehen wissen. Diese werde ich brauchen: das Jahr ist noch lang und hat viele Feiertage im Köcher.
Am Samstag und Sonntag werde ich München für kurze Zeit wohl wieder verlassen. Zum Osterfest kehre ich mit meinen Geschwistern zurück in die Heimat. Obwohl wir alle bereits ein Alter erreicht haben, an dem das Ostereiersuchen im Garten nicht mehr notwendig erscheint, würde es mich sehr enttäuschen, wenn meine Eltern nicht doch das ein oder anderen Schokoladen-Ei in der Hecke versteckt hätten. Es sind immer dieselben Verstecke, seit nun zwei Jahrzehnten und noch immer sind meine älteren Geschwister erfolgreicher im Suchen als ich.
Montag ist schon wieder Feiertag. Dieses Mal werde ich aber nicht genauso überrascht sein, wie noch wenige Tage zuvor, da mir meine Mutter für die Rückreise nach München genug Nahrung mitgeben wird, sodass die ganze Woche aus Feiertagen bestehen kann. Da für die Verpflegung somit gesorgt ist, werde ich auch sonst keinen anderen Grund haben, viel am Montag zu erledigen. Von den zwei Tagen Familientreffen werde ich sicherlich einen Erholungstag gut gebrauchen können.
Am Dienstag muss ich wieder arbeiten. Da ich an jedem Ort arbeiten kann, an dem ich Zugang zu halbwegs gutem Internet habe, werde ich mich mit einer Freundin in das Coffeemamas Café hocken. Ein kleines Café in der Lindwurmstraße, das ein gemütliches Hinterzimmer für jeden bereitstellt, der den Vormittag damit verbringen will, bei gutem Kaffee Zahlen hin und herzuschieben. Nachmittags hoffe ich auf gutes Wetter, um durch die Stadt zu spazieren. Falls das nicht der Fall ist, werde ich einfach im Café sitzen bleiben, bis der Koffeinwert in meinem Blut einen gefährlich hohen prozentualen Anteil haben wird.
Entweder am Mittwoch oder am Donnerstag werde ich mal wieder Zeit mit meinen Geschwistern verbringen. Beide wohnen schon seit längerem in München und wir haben uns gegenseitig versprochen den neuen Ableger der Filmreihe Fantastische Tierwesen zu sehen. Ein Termin, der nicht unbedingt große Vorfreude in mir weckt. Nicht nur, dass mich die Filmreihe zu Beginn schon verloren hat, sondern auch, weil die Schöpferin der Harry Potter Saga mit einer Vielzahl an problematischen Aussagen und Weltansichten negativ aufgefallen ist und ich diese Person mit meiner gekauften Kinokarte nicht zwingend unterstützen will. Mit Harry Potter ist es ein bisschen wie mit der britischen Band The Smiths: Beides verbinde ich mit einer sehr schönen Zeit meines Lebens. Doch mein kleines nostalgisches Herz steht im starken Konflikt mit dem rational denkenden Gehirn. Keines der beiden kann ich komplett abschalten und somit müssen sie gemeinsam koexistieren.
Freitag werde ich München wieder verlassen und die langsame Reise der Regionalbahn nach Passau antreten. Dort wartet ein anstrengendes Wochenende voller Proben für eine kommende Theateraufführung auf mich. In der langen Zugfahrt werde ich genug Zeit haben, um meinen Text noch einmal durchzugehen. Sonst werde ich nächste Woche wohl nicht dazu kommen.
Von Johannes Rockstuhl