Zeichen der Freundschaft: Küchenliebe

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Essen verbindet. Gemeinsames Träumen auch. In ihrer Kolumne erzählen unsere beiden Autoren von einer ganz besonderen Küche, vollgestopft mit Gewürzen aus aller Welt und ganz viel positiver Stimmung.

Wir sind schon
ein wenig träge. Während sich die restliche Münchener Jugend in den neuesten,
abgefahrensten, teuersten und angesagtesten Clubs dieser Stadt tummelt,
entscheiden wir uns am Otto-Normal-Samstagabend – für Adams Küche. Kein Megaevent
im Blitz, keine Mondfinsternis und kein kostenloses Musikfestival können uns
umstimmen, wenn wir mal wieder richtig Bock auf Adams Küche haben. Und auf Ihn
natürlich.

Adam, der
immer schon die Wohnungstür öffnet, unmittelbar bevor man sie erreicht hat. Der
grinsende Lockenkopf empfängt uns mit einer dicken Umarmung und seinem
typischen „Naa?!“ in seiner kleinen, nach Ebenholz und sanften Gewürzen
duftenden Wohnung. Das Wohnzimmer lassen wir links liegen. Wir folgen ihm in
die kleine, meist mit Musik, Essen und Menschen prall gefüllte Küche.

Kitschige
Backformen in den verschiedensten Formen aus den verschiedensten Jahrzehnten
schmücken die Hinterwand. Die Fensterbank ist vollgestellt mit Kräutertöpfen,
auf dem Tisch steht eine Wasserkaraffe mit dem Schriftzug „Liebe“. Einmal quer
durchs Zimmer führt eine Leine, auf der seit vielen Jahren die verschiedensten
Kräuter, Chilis und undefinierbaren Naturprodukte trocknen. Wüsste man es nicht
besser, könnte man meinen, die Küche gehöre einem sesshaft gewordenen
Waldschamanen.

Soweit das
das äußere Erscheinungsbild. Das eigentlich Anziehende, der Grund warum wir beide
uns in Adams Küche noch wohler fühlen als in der Wasserbettenabteilung von Segmüller,
ist aber natürlich vor allem Adams Gesellschaft. Er ist nicht nur ein
unglaublich einfühlsamer und respektvoller Mensch mit unvergleichlichem
Gerechtigkeitssinn, dem man die merkwürdigsten Geschichten anvertrauen kann.
Adam ist für uns genialischer Gitarrenspieler, Schulbanknachbar der ersten
Stunde, unverzichtbarer Freund und Horizonterweiterer. Er liebt es, viele
Menschen um sich herum zu haben, sie zu bekochen und zu verwöhnen. Je mehr
Leute sich in seiner kleinen Wohnung versammeln, umso
fröhlicher ist er – egal zu welcher Tages- und Nachtzeit. Ausgedehnte
stundenlange Katerfrühstücke sind genau wie hitzige Schafkopfrunden oder
gemütliche Spieleabende nirgends so schön wie bei Adam in der Küche. Sie steht
dem Raum der Wünsche in Hogwarts in nichts nach. Sie stillt unseren Drang, die
Außenwelt auszusperren und ihre Absurdität einfach mal belächeln zu können.

Zu guten
Gesprächen gesellt sich noch besseres Essen – mal aus Polen, dem Heimatland
seiner Eltern, mal international. Immer viel. Immer lecker. Außer wenn jemand
wieder die getrockneten Chilis unterschätzt und eine Pizzaparty zum
tränenreichen Schärfekontest mutiert. Und da Essen nicht alles ist, laufen im
Hintergrund CDs. Blues aus Mali. Irgendwas wie Post-Rock aus den 80ern. Oder
eine Playlist, mitgebracht von einem Roadtrip nach Polen.

Es ist aber
nicht nur ein Ort der Völlerei, der Wollust und der Exzesse. Sie ist gleichzeitig
eine Wohlfühloase, ein Ort der Einkehr und der vollkommenen Zufriedenheit. Sie
bedeutet für uns Konstanz in einer sich viel zu schnell drehenden Welt. Und ist
vielleicht sogar der Grund, warum unser Freundeskreis in zehn Jahren noch nicht
auseinandergebrochen ist.

Man kann das
durchaus als Kleister einer Freundschaft ansehen, die uns ganz bestimmt zu den
Menschen geformt hat, die wir heute sind.
Anfangs lernten wir dort Lateinvokabeln. Irgendwann wurde Liebeskummer
dort geheilt, Reisepläne geschmiedet und neue Musiker-Idole entdeckt. Als wir
noch zusammen zur Schule gingen, heckten wir Pläne für die Zeit nach dem Abitur
aus. Wir wollten alle Dasselbe – Musikkarriere machen oder zumindest
Musikjournalist werden, mit dem Bus nach Marokko fahren, die Welt erkunden und
verbessern. Die Klassiker eben. Die Realität macht einem dann doch immer einen
Strich durch die Rechnung – diese Küche übt einen seltsamen Sog auf uns aus. Dass
sich all das in einem gerade so zehn Quadratmeter großen Zimmer abspielt, macht
nichts. Denn selbst Trägheit kann wunderbar sein, ist man nur von den richtigen
Menschen umgeben.

Text: Tilman
Waldhier und Louis Seibert

Foto:

Yunus Hutterer

Immer unterwegs

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Schau im Miao: Anna Dietz, Globetrotterin und Kunststudentin, stellt von Freitag an im Miao aus

München – Ihre tiefblauen Augen fallen als erstes auf. Augen, die einen mit so viel Freundlichkeit und Neugier anblicken, dass man gar nicht anders kann, als in ihre Geschichte einzutauchen, von der sie erzählt. Eine Geschichte von verschiedenen „Welten“, wie sie es nennt, mit denen sie immer wieder konfrontiert war. Eine Geschichte, die Anna Dietz aus ihrem Heimatort Bad Wörishofen in zehn Länder, nach München zu Film und Theater, als Assistentin von Ellen von Unwerth nach Paris, an die „London College of the Art“, nach Berlin und schließlich zum Studieren wieder zurück nach München an die Akademie der Bildenden Künste geführt hat. In der Bar Miao wird sie von Freitag an eine Rauminstallation präsentieren – bei der es wieder um ein Thema geht: eine andere Welt.

Anna Dietz ist Kunststudentin, im zweiten Semester, an der Akademie der Bildenden Künste in München. Hierher gekommen sei sie wegen Gregor Schneider, einem Dozenten der Akademie, der es schafft, „den Betrachter in seinen Bann zu ziehen“, sagt sie, er nehme sie mit in seine Welt. Auch Anna erschafft in ihren Werken eigene Welten, mit denen sie ihre Betrachter konfrontieren möchte. Kunst bedeutet für sie Freiheit, die sie in den vergangenen Jahren auf all ihre Reisen geführt hat.

Nach ihrem Abitur zog Anna nach München. Aber Anna war zu neugierig, um an einem Ort zu verharren. „Wo mein Kopf auf dem Kissen liegt, da ist mein Zuhause“, sagt sie, lächelt und man glaubt es ihr sofort. Die Studentin hat schon viel von der Welt gesehen, stets neugierig darauf, das Fremde kennenzulernen. In München arbeitete sie beim Film und Theater, dies ermöglichte ihr die Assistenz bei Ellen von Unwerth – das Portfolio aus dieser Zeit brachte sie an die „London College of the Art“. Dort machte sie den Abschluss, aber die Neugierde blieb. „Ich will einfach raus in die Welt, um zu entdecken und um mich auch in die Position zu begeben, dass ich in der Fremde bin“, sagt sie.

Aus einer Reise, die nur ein paar Monate dauern hätte sollen, wurde ein Jahr. Ein Jahr, in dem sie durch Chile, Argentinien, Bolivien und Peru reiste und sich diesen ihr völlig fremden Kulturen näherte. Wieder zurück in London hatte sie einfach „keine Lust mehr auf diese Schnelllebigkeit“ der Stadt und sie zog erneut los. Um in andere Welten einzutauchen. Der Perspektivwechsel habe sie fasziniert: „Man hat eine Vorstellung, wenn man irgendwo ankommt“, sagt sie, „und dann muss man alle Vorstellungen über Bord werfen, weil es ganz anders ist als das, was man antizipiert hat.“ Sie habe gelernt, einen anderen Blick auf die Dinge zu bekommen. Auf die „wunderschöne Vielfalt der Welt“ – die sie kurz darauf auf ihren Reisen durch Südafrika, Namibia und Spanien erkundete. Dann habe sie gemerkt, dass es an der Zeit wäre, für eine Weile sesshaft zu werden. An einem Ort zu bleiben.

So kam sie zurück nach Deutschland, erst Berlin, jetzt München. Hier gehe es ihr heute gut, sagt sie und lacht. Geglaubt habe sie das nach ihren früheren Erfahrungen nicht. Jetzt ist sie selbst überrascht. München habe ein „Zeitgefühl“, hier sei das Leben nicht so schnell wie in London, bei dem man kaum mehr hinterherkäme. In dieser Stadt kann sie gut arbeiten, sich auf ihr Werk, ihre Ideen konzentrieren.

Dass sie ihre Kreativität und ihr Talent hier gut umsetzen kann, zeigt sich auch in der Ausstellung in der temporären Bar Miao, die sich seit Mai für ein paar Monate in einem ehemaligen islamischen Gebetszentrum am Hauptbahnhof befindet. Anna stellt den ersten Teil einer dreiteiligen Werkreihe aus. Der Hauptteil wird im Juli in der Akademie der Bildenden Künste präsentiert, der Epilog im Herbst, da wisse sie jedoch noch nicht genau wo.

Ins Leben gerufen wurde die Bar Miao von Mathias Modica, Chef der Plattenfirma Gomma Records, und verschiedenen Leuten der Kunstakademie. Der Münchner Illustrator und Fotograf Martin Fengel ist zudem Dozent der Akademie der Bildenden Künste und hat den Haupt-Barraum gestaltet – mit „Katzen und Batik“, etwas, das bis dato in München als unmöglich galt, aber hier funktioniert diese etwas ungewöhnlich wirkende Optik. Über Fengel entstand auch der Kontakt zwischen Anna und Mathias Modica – und damit auch die Ausstellung. Von Freitag an wird Anna mit ihrem Kommilitonen Florian Moldan eine Rauminstallation präsentieren.

Anna hat, inspiriert vom argentinischen Autor Jorge Luis Borges, eine Erzählung geschrieben, in der Fiktion und Wirklichkeit verschwimmen. Florian Moldan zeichnete für die Installation eine Landkarte und hat Sound-Pieces angefertigt. Zusätzlich wird ein von ihr gedrehter Film abgespielt, durch ein Voice-Over wird die Geschichte erzählt. Ebenso, wie sie selbst sich anderen Kulturen und Welten aussetzte, steht hier auch der Betrachter im Vordergrund, der durch die Installation in eine Welt „völlig unvorbereitet hineingeworfen“ werden soll. Eine Welt, die sie geschaffen hat.

Die Welt von Anna Dietz fasziniert. Sie inspiriert dazu, einen anderen Blick auf die Dinge zu bekommen – ein Perspektivwechsel sozusagen. Eine Welt, in der man sich leichter zurechtfindet, wenn man sie mit Annas Augen betrachtet, mit Neugier, Freude an der Vielfalt der Welt. Nach Japan will Anna unbedingt noch. Und in London in der Tate Modern und der Serpentine Gallery ausstellen, das ist ihr großer Traum. „Es wird immer so bleiben, dass ich in Bewegung bin“, sagt sie.  

Stephanie Albinger

Foto: Anna Dietz