Unsere Autorin Laura hat mit Umzug und Bachelorarbeit einen vollen Terminkalender. Trotzdem plant sie sich genug Pausen für Schönes ein und trinkt Glühwein beim Weihnachtsmarkt auf der Alten Utting, singt Karaoke im Cord Club oder streikt für’s Klima bei Fridays for Future am Königsplatz.
Am 19. Oktober lädt die Stadt München ins Rathaus zur „18.jetzt“ Party für alle, die in diesem Jahr volljährig wurden. Anlass genug, einen Blick zurück zu werfen: Wie blicken unsere Autorinnen und Autoren heute auf ihr 18-jähriges Ich?
Neue Stadt, neues Glück. Die junge Musikerin Ella Josaline zieht es nach Berlin, weit weg von ihrer Heimatstadt München. Dort will sie nach neuer Inspiration für ihre Songs suchen.
Ella Josaline will weg. Weg aus München und weg von dem „Mädchen-mit-Gitarre- Image“, in dem sie sich sieht, seit sie 2015, gerade mal 16 Jahre alt, das Stadt-Land-Rock- Festival der Junge-Leute-Seite der SZ verzauberte. Musikalisch weiß die junge Frau zwar noch nicht genau, wo es hingehen soll, aber der Ort, an dem dieser „Findungsprozess“ stattfinden soll, ist Berlin. Dort lebt Ella seit einer Woche, da die Hauptstadt „immer schon eine Inspiration war“ und sie immer schon das Gefühl hatte, „da hinzugehören“. Während Ella vorhat, ihr Abitur an einer Fernschule abzulegen, will sie in der Hauptstadt Konzerte und kreative Veranstaltungen besuchen und herausfinden, was da noch so alles in ihr steckt an Kunst und Musik.
München ist für Ella zwar „Heimat“, allerdings fühlte es sich nie an wie „zu Hause“. Dennoch ist sie „total dankbar“, ihre musikalische Karriere dort gestartet zu haben. Und sie würde es auch jederzeit wieder so machen.
Umziehen bedeutet Ausmisten. Nicht so für Lena: Denn an jeder Cornflakes-Schüssel klebt noch ein Stückchen Lukas. Und den kann sie auf keinen Fall ausmisten.
Manche Menschen sind so geschäftstüchtig, dass sie ihr Geld damit verdienen, uns zu sagen, was wir schon lange wissen: Marie Kondo beispielsweise. Ihre Ratgeberbücher über die angebliche Kunst des Aufräumens verkaufen sich besser als Schokoladenosterhasen im April. Dabei würde wohl kaum jemand zugeben, er wisse nicht, wie er seine Socken richtig falten, sein Besteck sortieren oder sein Klopapier stapeln soll. Und wenn kein Platz mehr ist? Wegwerfen. Einfach.
Als Lena vor fünf Jahren in ihre erste eigene Wohnung in München zog, war auch noch alles einfach: Den Kinderkram wollte sie eh nicht in ihr neues Leben mitnehmen. Und alles andere ließ sich in drei großen Müllsäcken unterbringen. In den Kofferraum hatte sogar noch ihre Zimmerpalme gepasst, als sie sich leicht aufgekratzt hinter das Lenkrad klemmte, um endlich in Richtung Freiheit zu düsen. Heute, nach drei weiteren Umzügen und der Erkenntnis, dass das autonome Studentenleben fernab des Elternhauses vor allem die Freiheit von Spülmaschine, vollem Kühlschrank und Geld auf dem Konto bedeutet, ist das mit der Einfachheit so eine Sache.
Lena sitzt auf ihrem Giesinger Wohnzimmerboden in einem Kreis halb voller Umzugskartons. Wohnungswechsel vier steht an. Wie all ihre Sachen in den Kofferraum passen sollen, weiß sie noch nicht. Fest steht nur: Alles muss mit. Weil Lena nicht loslassen kann. Weder ihre Zimmerpalme, noch alles andere, was sich angesammelt hat. Nicht einmal ihre inzwischen fünffach geklebte Müslischale, die es beim Kauf von drei Packungen Knuspercornflakes umsonst dazu gab. „Die ist noch fast dicht“, sagt Lena, bevor sie sie in den Geschirr-Karton legt – zur Schnabeltasse, aus der sie schon im Kindergarten getrunken hat und zum Kochtopf, dem seit der letzten Silvesterparty ein Henkel fehlt. „Außerdem hat Lukas da immer draus gegessen“, schiebt sie noch leise hinterher.
Lukas kann Lena auch nicht loslassen. Dabei ist es inzwischen über drei Monate her, dass er ihr nach einem halben Jahr Beziehung erklärt hat, er wäre ja wirklich gerne mit ihr zusammen, momentan habe er aber einfach keinen Kopf dafür, seine Abschlussarbeit, sie verstehe sicherlich. Lena verstand nicht. Versteht immer noch nicht. Nur Gedanken macht sie sich. Seit drei Monaten. Ständig. Wie man für Liebe keinen Kopf haben kann, wo man doch gerade den dafür am allerwenigsten braucht – das mag ihr einfach nicht einleuchten. Lukas fehlt nicht der Kopf für die Liebe, sondern die Eier für ein anständiges Beziehungsende, sage ich und falte einen neuen Umzugskarton. Lena hört gar nicht hin. Weiß sie eh längst. Hilft aber nichts.
Ich frage mich, wie Marie Kondo wohl ein Gefühlschaos aufräumen würde: Den Typen ordentlich zusammenfalten? Männer nur noch stapelweise ins Schlafzimmer mitnehmen? Für die müsste Lena aber auf jeden Fall erst einmal Platz schaffen. Und das ist gar nicht so einfach.